Die Ansichten zur Geschichte Afghanistans, die Erös in dem Vortrag teilweise implizit, teilweise explizit äußerte, sind, vorsichtig formuliert, zumindest mal diskussionswürdig. Insgesamt war der Vortrag letztendlich doch irgendwie gut, weil er bei den teilnehmenden Schülerinnen und Schüler der gesellschaftswissenschaftlichen Leistungskurse ein Interesse an Afghanistan und vor allem aber weil er viele Fragen provozierte.
Als Einstieg wurden in der Folgestunde zunächst die historisch-politischen Thesen aus dem Vortrag von Erös gesammelt. So u.a. sinngemäß:
Die Afghanen haben Sowjetunion im Alleingang besiegt.
Eine zentrale Ursache für den Fall der Berliner Mauer liegt im verlorenen Afghanistan-Krieg der UdSSR.
Die Instabilität in Afghanistan ist durch Interventionen von außen bedingt. Afghanen sind keine Terroristen. Sie waren immer nur Opfer und Überfallene.
Steilvorlagen für den Unterricht. Alternativ lässt sich auch auf entsprechende Dokumenationen oder Texte zurückgreifen, die sich im Netz finden. Mit Hilfe weitere Informationen sollten diese Thesen geprüft und die lebendig vorgetragenen Informationshäppchen des Vortrags breiter kontextualisiert werden. Grundlage für die Arbeit waren wesentlich aus drei Publikationen der BpB für politische Bildung entnommene und für den Unterrichtszusammenhang gekürzte Texte:
Daneben wurde auch noch ein Text gleichfalls von Seiten der BpB in Auszügen hinzugezogen, in den die Darstellung der Ursachen für den Mauerfall in Schulgeschichtsbüchern analysiert werden. In mehreren methodischen Schritten mit Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten wurden neben der Überprüfung der Thesen mit Hilfe der Texte auch die Rollen folgender Akteure in Afghanistan und die Folgen des Afghanistankriegs für sie herausgearbeitet: UdSSR, USA, Mujaheddin, Taliban, BRD und DDR.
Zur Einordnung der Taliban erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler anschließend kollaborativ in einem Etherpad Grundbegriffe und Strömungen des Islam. Entsprechende Ausgangsbegriffe und Links zu Internetseiten (u.a. zu Planet Wissen) wurden über die im Unterricht verwendete Lernplattform zur Verfügung gestellt.
Die Einordnung der Taliban-Bewegung erfolgte über das Erstellen eines „Steckbriefs“, der die zentralen sechs W-Fragen (Wer? Wo? Wann? Wie? Warum? Was?) sowie eine Einordung der Taliban innerhalb der vielfältigen Strömungen des Islam. Am Ende der Unterrichtsreihe stand eine Klärung offener Fragen und eine abschließende Bewertung des Vortrags durch die Schülerinnen und Schüler.
Im dritten Teil geht der Blick zur Arbeiterbewegung in den Niederlanden. Dies ist im Hinblick auf den schulischen Geschichtsunterricht sicher ein randständiges Thema, trägt aber gerade im Vergleich mit den belgischen, deutschen oder auch französischen Sozialisten zu einem vertieften Verständnis bei. Trotz der Unterschiede der starken Versäulung (verzuiling) der niederländischen Gesellschaft und der formellen Abspaltung des linken Parteiflügels bereits 1909 wies die Ausgangssituation am Beginn des Kriegs für die niederländischen Sozialisten sowohl Ähnlichkeiten mit der deutschen Sozialdemokratie wie mit der Lage in Belgien auf.
Ähnlich wie in Deutschland erzielten die niederländischen Sozialisten in der letzten Wahl vor dem Krieg einen entscheidenen Erfolg. Sie konnten ihre Sitze im Parlament mehr als verdoppeln. Ähnlich wie in Belgien war das Land mit dem Unterschied nicht im Zentrum der deutschen Überlegungen rund um den sogenannten ¨Schlieffen-Plan¨ zu stehen. Zum Schutz der Neutralität stimmten die niederländischen Sozialisten einerseits auch für Mobilisierungskredite, andererseits waren wie die Sozialisten in anderen neutralen Ländern auch bestrebt, ihre Regierungen zu Friedensvermittlung zu drängen. Von der SDAP wurde bereits am 3.8. entsprechender Antrag in Parlament eingebracht. In dieser Forderung trafen sich die niederländischen Sozialisten mit der bürgerlichen Antikriegsbewegung (NAOR).
Am 5.8. erschien ein Artikel in der Zeitung ¨Het Volk¨, in dem erklärt wurde, dass die deutsche Regierung unter dem Vorwand, dass Deutschland von Russland bedroht werde, einen Angriffskrieg gegen Frankreich, Belgien und Luxemburg eröffnet habe. Dass die SPD dies durch die Kreditbewilligung decke und nicht einmal gegen den Einmarsch in Belgien und Luxemburg Protest erhebe, sei unbegreiflich.
Damit verbreitete sich auch in den Niederlanden die Interpretation eines deutschen Angriffskrieges, was in der Folge bedeutete, dass die SPD mit ihrer Zustimmung gegen Grundsätze des Sozialismus und der 2. Internationale verstieß, die nur eine Verteidigung erlaubt hätten. Die Konsequenz der niederländischen Sozialisten war eine Unterstützung der Landesverteidigung und der Außenpolitik der Regierung:
Damit einher ging eine Bejahung des Nationalismus, die verbunden war mit der Hoffnung auf die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, dem Hauptziel der Partei aus der Vorkriegszeit.
Der Fraktionsvorsitzende Pieter Jelles Troelstra warnte im Herbst 1914 nachdrücklich vor „verfrühten“ (Teil-) Konferenzen der Sozialistischen Internationalen. Zunächst müsse eine Reorganisation des ISB erfolgen, das Vertrauen zwischen den sozialistischen Parteien der verschiedenen Länder wiederhergestellt werden und erst dann könne die sozialistische Diskussion über Friedensbedingungen beginnen. Die Internationale habe sich vom Krieg, dürfe sich aber jetzt nicht mehr vom Frieden überraschen lassen. Man müsse den Frieden aktiv mitgestalten. Darin sah Troelstra eine doppelte Chance, nämlich sowohl die äußere wie auch die innere Ordnung der Staaten für Nachkriegszeit zu gestalten.
Im Oktober erfolgte die Gründung des nationalen Antikriegs-Rats (Anti-Oorlogs Raad), der sich selbst als bürgerliche Bewegung sah, gegründet aus der Einsicht, dass Friedensbewegung in den Niederlanden zu stark versäult erschien, um effektiv arbeiten zu können. Seine Aufgaben definierte der Rat, damit die Ursachen des Krieges zu studieren und Mittel zur Beendigung des Krieges zu finden. Darüber hinaus sollten Reformen auf nationaler und internationaler Ebene zur Vermeidung zukünftiger Kriege angedacht werden. Einladung zur Teilnahme ging auch an die Leitung der SDAP, die sich daraufhin offiziell an der Arbeit des Rates beteiligte. Diese Beteiligung war allerdings umstritten: Während die Parteiführung Überlegungen anstellte, wie man die Massen für die Idee des Rates begeistern könnte, gab es innerhalb der Partei zugleich massive Kritik am gemäßigten Kurs des NAOR.
Das nachfolgende Thema scheint mir aus mehreren Gründen wichtig. In den Schulgeschichtsbüchern findet sich weit verbreitet das „August“-Erlebnis und die Kriegsbegeisterung. Über die Friedensdemonstrationen, über abweichendes Verhalten findet sich nichts.
In den Jahren vor dem Krieg und besonders im Sommer 1914 fanden in ganz Europa Friedensdemonstrationen in den großen europäischen Städten statt, die wesentlich von der Arbeiterbewegung getragen wurden und letztlich nicht erfolgreich waren. Aus diesem Scheitern lässt sich lernen für die Gegenwart: Die gleiche Zuversicht mit Demonstrationen einen Krieg verhindern zu können, prägt die Einstellung eines Teils heutiger Schülerinnen und Schüler.
Deshalb ist es wichtig, beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht nur über die Kriegsbegeisterung zu sprechen, sonst kann sich bei den Lernenden schnell das Gefühl einer Überlegenheit als Nachgeborene, aufbauend auf der Idee, dass wir heute klüger wären, einstellen.
In einer kleinen Reihe von in loser Folge veröffentlichten Beiträgen sollen einige Aspekte der Arbeiter- und Friedensbewegung zu Beginn und während des Ersten Weltkriegs dargestellt werden, die als Anregung für den Unterricht dienen können. Am Ende wird die Artikelreihe durch eine kleine Literaturauswahl mit Lesetipps ergänzt. Der Fokus liegt inhaltlich auf Deutschland, Belgien und den Niederlanden, weil sich an diese drei Ländern, die in unterschiedlicher Weise in den Krieg involviert waren, bei den Arbeiterparteien beispielhaft unterschiedliche Haltungen und Reaktionen auf die Geschehnisse aufzeigen lassen.
Der Pazifismus als Grundorientierung der Arbeiterparteien war Thema auf allen Kongressen der 2. Internationale: Krieg wurde als Geißel des Kapitalismus gebrandmarkt und es herrschte die Überzeugung, dass die Bewahrung des Friedens schicksalhaft mit der Entwicklung des Sozialismus als seinem einzigen Verteidigers verknüpft war.
Nach den Friedensdemonstrationen 1911 und 1912 während der Balkankrise war die europäische Arbeiterbewegung überzeugt, den Ausbruch eines Krieges verhindert zu haben. Es herrschte in der Arbeiterschaft eine Atmosphäre von Optimismus und Selbstvertrauen. Im Juli 1914 war man sich des Ernstes der Lage deshalb zunächst gar nicht bewusst. Die meisten Führer der Arbeiterparteien fuhren wie gewohnt in den Sommerurlaub. Reaktionen erfolgten erst am 27.7. nach dem Zurückweisen des englischen Vermittlungsangebots durch Deutschland.
Zwei Tage später folgte die letzte Sitzung des Internationalen Sozialistischen Büros (ISB) in Brüssel, die weiterhin von Optimismus geprägt war, der in der Forschung sehr unterschiedlich gewertet wird: Haupt sieht einen Optimismus, dass Krise bald wieder vorübergeht; dagegen argumentiert Blänsdorf, dass der gezeigte Optimismus nur Deckmantel für ein Gefühl der eigenen Ohnmacht gewesen sei.
Zu unterscheiden ist zwischen öffentlichen Bekenntnissen zu sozialistischen Solidarität und dem praktischen Verhalten der Politiker. Zum Verständnis der Frage nach den Ursachen der Handlungsunfähigkeit der 2. Internationalen ist eine Analyse der Vorkriegsperiode notwendig: Die Geisteshaltung des godsvrede, Burgfriedens bzw. der union sacrée war schon auf letzter Sitzung des ISB vorhanden. Französische und deutsche Delegierte trugen unterschiedliche Ansichten über Frage vor, wer Verantwortung für die aktuelle internationale Krise trage und folglich wer sie für einen eventuellen Krieg trüge. Dies bedeutet letztlich den Zusammenbruch der internationalen Solidarität der Arbeiterbewegung, eine Kapitulation der 2. Internationalen angesichts einer internationalen Krisensituation von bislang unbekannter Größe und Dynamik. Trotz alledem überlebte der organisatorische Apparat der Internationalen den Krieg.
Der Mythos vom „Wirtschaftswunder“, dem „auferstanden aus Ruinen“ aus eigener Kraft ist bis heute prägend für das deutsche Selbstverständnis. Und dieses spielt in der aktuellen politischen Diskussion wiederum eine große Rolle. Zuletzt hat Theo Sommer in einem Beitrag für die Zeit auf diese Ausblendung im kollektiven Gedächtnis hingewiesen:
Kaum einer weiß hierzulande, dass wir die letzte Tranche erst am 3. Oktober 2010 überwiesen haben. Sollten wir gegenüber den Griechen nicht dieselbe Großherzigkeit an den Tag legen, wie sie damals die Alliierten uns Deutschen bezeigt haben? Ich denke: Wir sollten.“
Für eine Diskussion im Leistungskurs ist die Materialien ein guter Ausgangspunkt.
SEM@S steht für Sharing European Memories at School: Die beteiligten Institutionen haben im Rahmen eines europäischen Projekts eine beispielhafte Unterrichtseinheit entwickelt, die methodisch Zeitzeugeninterviews und theoretisch erinnerungskulturelle Fragen, wie das Verhältnis von „Geschichte“ zu kommunikativem und kulturellem Gedächtnis, in den Mittelpunkt stellt. Daher eignet sich der Ansatz besonders für die Oberstufe.
Die vorgeschlagene Unterrichtsreihe besteht aus mehreren Modulen, die flexibel nach eigenen Bedürfnissen kombiniert werden können. Mit einem Leistungskurs arbeite ich gerade gemeinsam mit einer baskischen Partnerklasse nach diesem Modell vergleichend zu den 1950er und 1960er Jahren in Koblenz und San Sebastián/Donostia und möchte die Vorgehensweise und Vorschläge von Sem@s für die Unterrichtsgestaltung den mitlesenden Kollegen ausdrücklich ans Herz legen.
Durch Sem@s werden erprobte schöne, ebenso kreative wie motivierende Gestaltungsmöglichkeiten für den Geschichtsunterricht aufgezeigt, die die Zeitgeschichte und die Arbeit mit Zeitzeugen fokussieren und den Schülerinnen und Schülern individuelle Zugänge ermöglichen.
„Wie vermittelt man Jugendlichen heute jüdische Geschichte und Kultur?“ Mit dieser Frage in einem Tweet wurde ich diese Woche auf den Geschichtomat aufmerksam. Die Seite ist ein Projekt des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden. Zur Projektwoche jetzt im Februar begeben sich Hamburger Schüler auf Spurensuche, dokumentieren und veröffentlichen ihre Ergebnisse in multimedialer Form auf der Webseite, wo sie auf einer Karte auch in der Stadt verortet werden.
Dieselbe Frage haben wir uns in Koblenz auch gestellt. Und auch wir sind – wenig überraschend – zu einem Lernszenario gekommen, dass die Arbeit mit digitalen Medien und mobiles Lernen in den Mittelpunkt stellt, allerdings mit etwas anderem Fokus als in Hamburg. Zunächst ging es gleichfalls darum von der Perspektive, die sich bei vielen Schülern findet, Juden ausschließlich als Opfer wahrzunehmen abzurücken und einen Blick auf jüdische Geschichte als Teil einer historisch vielfältigen Gesellschaft zu werfen.
Der aktuelle 13er Leistungskurs Geschichte hat dazu in Form eines Projekts zwischen schriflichem und mündlichem Abitur begonnen in Zusammenarbeit mit der Stadtbildstelle Koblenz sowie unterstützt durch das Leo-Baeck-Programm, Aspekte jüdischer Geschichte in Koblenz zum eigenen Entdecken für Jugendliche und andere Interessierte aufzubereiten.
Zum Einstieg in das Projekt stand eine Geschichte zur Entdeckung von zwei Treppen, bei denen jüdische Grabsteine als Stufen benutzt wurden. Die erste Treppe wurde 1950 entdeckt und löste einen kleinen Skandal in der Stadt aus. Die zweite Treppe wurde erst 2010 freigelegt. Alle Grabsteine sind mittlerweile entfernt und auf den jüdischen Friedhof überführt. Wer die ganze Geschichte nachlesen möchte, finde auf den Internetseiten des Stadtarchivs Koblenz unter Stadtgeschichte Online ein umfangreiches PDF.
Die Geschichte ist an sich recht spannend und verrät viel über den Umgang mit Juden und dem jüdischen Kulturerbe in der Nachkriegszeit. Nur wird das rund 60 Seiten lange PDF-Dokument wohl kaum jemand in Gänze lesen. Insofern bot es sich an, an diesem Beispiel zu überlegen, ob und ggf. wie sich wissenschaftlich aufgearbeitete Geschichte interessant für ein breites Publikum umsetzen lässt. Ein solches, durchaus anspruchsvolles Vorgehen im Geschichtsunterricht kann eine grundlegende kritische Auseinandersetzung mit Produkten der populären Geschichtskultur anregen.
Für die Umsetzung haben wir uns entschieden, parallel sowohl ein Geocache wie auch ein Geoquest mit dem Editor von Questor herzustellen. Letzteres ist eine kostenlose App für Apple und Android, mit deren Editor sich eine Art multimedialer Stadtrallyes konzipieren lassen, die dann über einen Spielcode in den Apps auf den mobilen Geräten installiert werden können.
Beide Produkte führen über die Spiel- und Rätselform zur Auseinandersetzung mit der Geschichte. Die Ergebnisse sind öffentlich und kostenlos für alle Interessierten nutzbar. Wer Interesse hat, findet den Cache „Jüdische Grabsteine als Treppenstufen“ auf opencaching.de. Der Code zur Installation bei Geoquest lautet: 299609.
In einem zweiten Schritt nehmen wir nun speziell die mittelalterliche Geschichte in den Blick und versuchen gezielt für eine 7./8. Klasse eine Tour zur jüdischen Geschichte in Koblenz anzulegen, die vom Sitz des Stadtherrn zur Judengasse und zum Markt führt. Dabei sollen alle lehrplanrelevanten Aspekte berücksichtigt werden, so dass die Geschichtskollegen in den Koblenzer Schulen das entsprechende Schulbuchkapitel auch durch ein ortbasiertes, entdeckendes Smartphone-Spiel in der Stadt ersetzen könnten.
Es hat lang gedauert, aber nun stehen die ersten Ergebnisse endlich online: Der 11er Leistungskurs Geschichte hatte sich zum Einstieg in die Oberstufe intensiv mit der Entstehungsgeschichte des Landes Rheinland-Pfalz beschäftigt und in Koblenz mehrere Caches zur Landesgeschichte angelegt. Die ersten drei der insgesamt fünf Caches sind nun online auf dem Portal Opencaching. Die Projektidee war im Sommer von medien+bildung.com im Konzeptwettbewerb ausgezeichnet worden. Wir freuen uns nach den Vorschusslorbeeren für das Konzept nun auch öffentlich Ergebnisse vorweisen zu können.
Wer in Koblenz oder Umgebung ist, kann sich ja trotz Weihnachtsmarkt und Kälte aufmachen, die Caches zu suchen, für alle anderen ist es vielleicht interessant mal zu schauen, wie die von Schülerinnen und Schülern gestalteten Caches aussehen.
Inhaltlich setzen sich alle Caches mit der Gründung von Rheinland-Pfalz auseinander, wo aufgrund der großen Zerstörungen in Mainz, Regierung, Parlament und Ministerien zunächst in Koblenz untergebracht wurden, obwohl im Gründungsdokument der französischen Besatzungsmacht klar Mainz als Hauptstadt benannt war. In der Folge kam es dann in den Jahren 1949/50 zu einem Hauptstadtstreit, in dem um ein Haar doch Koblenz Hauptstadt des Landes geworden wäre. Die Caches führen zu historischen Orten der Landesgeschichte in Koblenz:
Koblenz – (k)eine Hauptstadt? #1 – Die ersten Töne von Rheinland-Pfalz
Als Lehrer habe ich bei dieser erstmaligen Durchführung eines Geschichts-Geocaching-Projekts eine Menge gelernt. Es ist auf jeden Fall motivierend, allerdings auch relativ aufwendig und es gibt zahlreiche Fallstricke. Im Frühjahr nach dem schriftlichen Abitur in Rheinland-Pfalz folgt ein zweites Projekt mit einem Leistungskurs 13 zu den „lost places“ der jüdischen Geschichte in Koblenz.
Łambinowice ist heute ein unscheinbarer Ort, der in der Woiewodschaft Opole liegt. Der deutsche Ortsname ist vielen bekannt und im Gedächtnis geblieben: Lamsdorf. Dort gab es seit dem deutsch-französischen Krieg wiederholt Kriegsgefangenen-, Arbeits- und Durchgangslager.
Mir sagte das nichts bis zur Studienfahrt vor zwei Wochen, auf der wir einen ganzen Tag in Łambinowice selbst sowie einen halben Tag im Kriegsgefangenen-Museum und -Archiv in Oppeln verbracht haben. Der Ort hat mich tief beeindruckt. Ich vermute, dass sowohl der historische Ort als auch sein didaktisches Potential bei deutschen Lehrkräften wenig bis gar nicht bekannt ist, deshalb möchte ich beides in diesem Blogbeitrag darstellen, in der Hoffnung den ein oder anderen vielleicht zur einer Fahrt dorthin motivieren zu können.
Die Geschichte eines Militärstandorts in Lamsdorf reicht bis in die preußische Zeit zurück: 1860 begannen die Planungen zur Einrichtung eines Truppenübungsplatzes wurde in der Nähe des Orts. Den Namen Lamsdorf erhielt der Truppenübungsplatz ab 1900. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde der Ort zum ersten Mal als Lager für französische Kriegsgefangene genutzt. Gräber der französischen Gefangenen finden sich noch auf dem alten Friedhof heute und sind die ältesten erhaltenen Überreste. Nach 1871 war der Ort wiederum Exerzier- und Übungsplatz. Zahlreiche Fotos und Postkarten dokumentieren diese Zeit und lassen sich gut im Unterricht einsetzen.
Im Ersten Weltkrieg erfolgte ein größerer Ausbau und wiederum eine Nutzung als Kriegsgefangenenlager. In Lamsdorf waren u.a. russische,
Gräber rumänischer Soldaten. Datierung des Krieges auf den Gedenkplaketten: 1916-1919
französische, britische, rumänische und serbische Soldaten interniert. Über 7000 von ihnen starben durch Auszehrung und Unterernährung.
Nach dem Ersten Weltkrieg und der Abtretung von Teilen Oberschlesiens an das wieder errichtete Polen richtete man im ehemaligen Kriegsgefangenlager ein Sammelzentrum für Aussiedler aus den nun polnischen Gebieten Oberschlesiens ein. Danach wurden während der Weimarer Republik hier Sportstätten und ein Stadion errichtet, die dann von den Nationalsozialisten in der Folge auch für die Neuorientierung der Sporterziehung zur Wehrertüchtigung von Schülern genutzt wurden. Spätestens ab dem 26. August 1939 wurden auf dem daneben weiter existierenden Militärgelände mit der Neueinrichtung eines Kriegsgefangenenlagers konkrete Kriegsvorbereitungen unternommen.
Zunächst war Lamsdorf ein Durchgangslager (DuLag) und wurde dann ab Mai 1940 mit dem Eintreffen britischer Gefangener zu den größten Stammlagern (StaLag) der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs. Im Lauf des Kriegs wurden hier fast alle Gegner Deutschlands interniert: u.a. Franzosen, US-Amerikaner, Griechen, Jugoslawen, Polen (besonders aus dem Warschauer Aufstand als über 6000 Aufständische nach Lamsdorf gebracht wurden) und vor allem Soldaten der Sowjetarmee.
Entsprechend der NS-Ideologie erfuhren die Gefangenen eine sehr unterschiedliche Behandlung. Die Soldaten der Sowjetunion waren in eigenem Lagerkomplex untergebracht und bildeten mit insgesamt rund 200.000 Gefangenen, von denen über 40.000 gestorben sind, die bei weitem größte Gruppe. Für sie wurden auch keine Einzel-, sondern nur noch Massengräber angelegt.
Im Januar erfolgte die Evakuation des Lagers mit Märschen ins Zentrum Deutschlands. Kranke und Schwache wurden im Lager zurück und sich selbst überlassen. Mitte März befreite die Rote Armee die Gegend und damit auch das Lager.
Ab Juli 1945 bis zum Herbst 1946 wurde in der Nähe ein Arbeits- und „Umsiedlungs“-Lager für Schlesier aus den umliegenden Dörfern errichtet. In der Erinnerungsliteratur ist dieses auch als „Hölle von Lamsdorf“ (so der Titel des Buchs von Heinz Esser) bezeichnet. Man schätzt, dass ca. 1000-1500 Menschen in diesem Lager gestorben sind.
Heute befinden sich auf dem riesigen Gelände der verschiedenen Lager noch Überreste einzelner Baracken, zahlreiche Denk- und Mahnmäler aus unterschiedlichen Zeiten, ein Friedhof sowie ein Museum. In seiner Kontinuität dürfte der Ort einmalig sein. An der kurzen Zusammenfassung seiner Geschichte lässt sich erkennen, dass hier nicht nur deutsch-polnische, sondern wie in einem Brennglas 150 Jahre europäischer Geschichte anschaulich und erfahrbar werden.
Als Einstieg vor Ort oder im Klassenzimmer kann der im Januar 2012 sehr professionell und aufwändig erstellte Film zur Geschichte des Ortes dienen, der auf der DVD auch in einer deutschsprachigen Version verfügbar ist. Auf Youtube findet sich eine kurze Zusammenfassung auf Polnisch, die aber einen guten Eindruck des insgesamt etwa 20 Minuten langen Films vermittelt:
Die Wikipedia-Artikel sind noch etwas dürftig und in der deutschen Version fokussiert auf das Nachkriegslager. Als Einführungslektüre kann ich den Sammelband von Edmund Nowak empfehlen, der auch auf Deutsch vorliegt und der auch einige Statistiken und Fotos beinhaltet, mit denen im Unterricht gearbeitet werden kann:
Edmund Nowak (Hg.), Lager in Lamsdorf/Łambinowice (1870-1946), Opole 2009 (Polnische Originalversion 2006).
Das Museum in Łambinowice bietet ein pädagogisches Programm auch auf Deutsch an. Auch deutschsprachige Arbeitsmaterialien für Schülergruppen sind vor Ort verfügbar. In der Regel kommen Schülergruppen ab 15 Jahren sowie Studierende.
Die Ausstellung im Museum besteht aus drei Räumen, von denen der erste Anfang dieses Jahres komplett neu gestaltet wurde und das Thema Kriegsgefangenenschaft allgemein in den Blick nimmt.
Ein Eindruck der musealen Inszenierung des neu gestalteten ersten Raumes der Dauerausstellung.
Die Inszenierung ist auf den ersten Blick fesselnd. Die Kollegen der Studienfahrt fanden allerdings, dass die Texte zu den Objekten deutlich zu tief angebracht sind und durch die verschiedenen Multimediastationen und Videoinstallationen mit offener Lautsprecherbeschallung eine zu hohe Lautstärke ensteht.
Die beiden weiteren Räume sind der Geschichte der Lager in Lamsdorf sowie der Geschichte von Katyn gewidmet. Dieser Ausstellungsteil ist bereits einige Jahre alt und soll demnächst überarbeitet und ergänzt werden. So ist z.B. die Geschichte des Nachkriegslager zwar im Film aufgegriffen, in der Ausstellung aber noch ausgespart. Ein Denkmal wurde 1995, der Friedhof für die deutschen Nachkriegsopfer 2002 eingeweiht.
Interessant in diesem Zusammenhang, eventuell auch als Material für den Unterricht, sind ein Artikel im Spiegel zum zweiten Prozess gegen den polnischen Lagerkommandanten 2001 sowie eine Besprechung der FAZ zur 2004 erschienen deutschen Übersetzung des Buches zum System der Nachkriegslager im Oppelner Schlesien von Edmund Nowak.
Die Auseinandersetzung mit dem Ort Lamsdorf sollte auch die Geschichte und Gegenwart des (unterschiedlichen) Gedenkens mit umfassen. Die Ausstellung ist dazu noch nicht geeignet, die zahlreichen Denkmäler und Infotafeln auf dem Gelände sehr wohl. Auch die Eintragungen in den Gästebüchern können durchgesehen und thematisiert werden. So kommen z.B. viele Besucher auch aus Übersee, aus Australien oder den USA: Es sind die Enkel und Urenkel, der in den beiden Weltkriegen inhaftierten Soldaten und Offiziere, die über Familienerzählungen und Tagebücher ihrer Vorfahren den Wunsch entwickeln, diesen Ort zu besichtigen.
Zum offiziellen Gedenken fehlen noch Lernmaterialien. Am großen Ehrenmal finden mehrfach im Jahr Gedenkfeiern und Kranzniederlegungen statt. Allerdings noch nie von einer offiziellen sowjetischen oder russischen Delegation, auch hier sind es die Nachfahren der Kriegsgefangenen, die den Ort aufsuchen. Gefangenenahme im Krieg wurde in der Sowjetunion als Verrat betrachtet. Die verstorbenen Kriegsgefangenen waren folglich keine Helden, die überlebenden Heimkehrer waren starken Repressionen ausgesetzt, viele von ihnen kamen nach ihrer Kriegsgefangenenschaft in ein sowjetisches GuLag.
Ergänzend zu Łambinowice lohnt sich der Besuch im zentralen Kriegsgefangenenmuseum und -archiv in Oppeln. Um genau zu sein, ist das Museum weniger lohnenswert, wenn man bereits vor Ort in Łambinowice war. Die kleine Ausstellung richtet sich vor allem an jene, die nicht zum Lager selbst fahren. Was sich hingegen sehr lohnt, ist das Archiv. Auch hier gibt es ein eigenes archivpädagogisches Angebot. Das Archiv hat umfangreiche Bestände von Kriegsgefangenenakten mit einem Schwerpunkt im Zweiten Weltktrieg. Die Aktenbestände stammen nicht nur aus Lamsdorf. Ergänzt werden die überwiegend auf Deutsch verfassten Akten durch eine große Fotosammlung. Nach Anmeldung und Absprache mit den Pädagogen kann hier an Archivalien in Form von Geschichtswerkstätten sowohl mit deutschen wie auch mit deutsch-polnischen Gruppen hervorragend projektorientiert geforscht und gelernt werden.
… mit einem Riesenfußball durch Deutschland – und das im Jahr 1932! Eine absolut unglaubliche Geschichte. Eine gute Zusammenfassung mit einigen Bildern der Reise findet sich auf einestages.de.
Das Tagebuch der Reise ist in Auszügen bereits auf der Internetseite „Ballonauten“ aufbereitet zusammen mit Fotos und weiteren Informationen, die einen etwas ungewöhnlichen Zugang zum Alltag in Deutschland in den Jahren 1932/33 bieten.
Vorab stelle ich hier die Präsentation und Linkliste für den Workshop nächste Woche zur Verfügung und Diskussion. Anregungen und Kritik sind willkommen. Der Workshop kann dadurch nur besser werden.