Vom Aufstieg und Fall der Blogosphäre?

Sascha Lobo schreibt heute unter dem Titel „Euer Internet ist nur geborgt“ über den Niedergang der zahlenmäßig eh nie bedeutenden deutschen Blogsphäre zugunsten von sozialen Netzwerken:

Der Grund für den Sinkflug des Blogs: Soziale Befindlichkeiten werden heute auf Facebook geteilt, kurze Mitteilungen und Links auf Twitter und auf Facebook, Fotos auf einer der hundert Plattformen sowie auf Facebook, Videos auf Youtube und auf Facebook – für fast jede Art von Äußerung, die in einem Durchschnittsblog 2005 der Netzöffentlichkeit präsentiert wurde, gibt es heute ein eigenes Social Network. Und Facebook.

Genau: Wurden Blogs früher oder von einigen bis vor kurzem als „Internettagebücher“ beschrieben, dann braucht sich genau dafür niemand mehr die Mühe zu machen, ein eigenes Blog zu betreiben. Genau diejenigen, die früher , bis vor kurzem oder bis heute Bloggen ablehnen, weil warum sollten sie ihr Privatleben als Tagebuch öffentlich machen, tun genau dies in sozialen Netzwerken.

Interessanterweise, und das fehlt mir bei Lobo, geht dieses Verlagern von Befindlichkeitsäußerungen und Linkhinweisen zugleich mit einer Aufwertung von Blogs einher, die zunehmend u.a. im Bildungsbereich und  in der Wissenschaft als Arbeits- und Publikationswerkzeug anerkannt werden. Hier findet gerade eine wenn auch langsame, so doch kontinuierliche Ausweitung und Aufwertung der Blogosphäre statt.

Mit Überraschung habe ich zuletzt gestern auf Twitter eine Nachricht entdeckt, die auf eine „Veranstaltung für Promovierende aller Fachbereiche“ zum „Bloggen in den Wissenschaften“ an der Universtität Koblenz-Landau hinweist. Ich mag Koblenz wirklich gerne und ich hoffe, mir ist hier niemand böse, wenn ich in dem Zusammenhang ganz positiv feststelle, dass wissenschaftlichen Bloggen offensichtlich auch an den Provinzunis angekommen ist.

Das ist nur ein Beispiel. Die wachsende Zahl von Lehrerblogs könnten dafür ebenso als Beleg dienen wie das Hypotheses-Portal oder die Tagung zu Weblogs in den Geisteswissenschaften. Einen – wie Lobo schreibt – „Niedergang der Blogs“  kann ich nicht feststellen. Es handelt sich vielmehr um eine funktionale Ausdifferenzierung: Für kurze Statusmeldungen eignet sich Facebook, für kurze Linkhinweise Twitter eben besser als ein Blog.

Screencastvideos für den Flipped Classroom

Im Nachgang der Konferenz experimentiere ich zur Zeit mit der Erstellung eigener Lernvideos. Großes Kino ist das nicht, wird es vermutlich auch nicht werden, aber die ersten Ergebnisse stehen nun online in einem eigenen Youtube-Kanal. Das Bildmaterial stammt vor allem aus den Wikimedia Commons. Die Lernvideos stehen unter der Youtube Creative Commons-Lizenz, können also weiterverwendet, bearbeitet und verändert werden.

Das Erstellen von Videos ist für die Umsetzung der Flipped Classroom-Idee nicht zentral. Mir persönlich macht es sehr viel Spaß, allerdings ist die Einarbeitung in die Software und Produktion der Videos zunächst enorm zeitaufwändig. Ein längerer Bericht zu den ersten Erfahrungen im Unterricht und den Reaktionen der Schüler folgt in den nächsten Wochen.

Linkliste und Folien zum Workshop: Vernetzte Räume

Linkliste zum Workshop Vernetzte Räume. Arbeiten mit digitalen Karten im Unterricht morgen auf dem 6. Moodlefest am Landesinstitut für Pädagogik und Medien des Saarlands, dessen Thema dieses Jahr lautet „Schule 2.0: Grenzen überwinden mit Moodle“.

Download (PDF): Linkliste Workshop Vernetzte Räume

Folien zum Workshop „Vernetze Räume“ als PDF

„Will you join me in this revolution?“

Gestern habe ich ein paar Auszüge aus der Rede der EU-Kommissarin Neelie Kroes auf der Online Educa vom 1. Dezember als Kommentar unter die Diskussion zum #speedlab2 gepostet. Da geht der Text meines Erachtens aber etwas verloren und ich finde die Rede so klasse, dass ich einige Auszüge in einem eigenen Artikel nochmal aufnehmen möchte. Den Volltext gibt es übrigens hier und den kann man auf der Website von Neelie Kroes auch kommentieren und disktutieren. Die Aufzeichnung der Rede als Video habe ich leider noch nicht gefunden.

Ladies and Gentlemen,

[…] In the last 20 years, the information and communications revolution has really taken off. The Internet, smart-phones and tablets are a world of opportunity. And they are as readily available, as readily usable for today’s generation as the home telephone, radio and the television once were. These days people can enjoy access to information and expect it anytime, any place, anywhere. […]

Elsewhere in the world, people have realised this potential. In South Korea, all classrooms will go fully digital by 2015, ending the paper and textbook era. I recently visited a primary school in the slums of Nairobi, Kenya – and even there they’ve realised the potential of ICT, they are teaching kids computers. Even there it’s having an impact on the children, broadening their skills, expanding their horizons, and opening up new hope for the future.

So, why, here in Europe, do most of our classrooms still feel like they did when I was at school? When digital media can be combined to create interactive rich content to help teaching: why are we still based on blackboards, textbooks and a uniform approach for everybody? In today’s digital world, are we really doing all we can to ensure we use the digital revolution to educate, to enrich, to enlighten?

My goal in the EU is clear: to get Every European Digital. That has to include education and training. We need every teacher digital, and every student digital. Right from the very start of formal education, and as part of lifelong learning.

[…] If these solutions can transform our relationship to knowledge – how we find it, access it, acquire it – then it is our duty to make sure everyone has that opportunity. They should not have to wait until they are locked onto a career path – they should have these opportunities from the earliest age, including at school.

No two people learn alike. There are as many ways to learn as there are learners. Some people need time to approach an idea from new angles; but those who get it straight away will get bored if they can’t move on. Some people want to hear an explanation, others to see a demonstration. Some learn best by themselves, others in a group. Some in a formal learning environment; others at home over morning coffee. And so on.

Technology can respond to this: it can tailor learning. It can help people learn at their own pace, in their own way, wherever they are, and throughout their lives. Let’s embrace that fact. And let’s change the way we learn.

Because if we don’t provide these opportunities we will be guilty of a grand failure: a failure to give our children the best chance in life.

Of course, the words are the easy part. I know you share a desire to fulfil this potential. The hard part, of course, is changing things. […]

To really make this case, we need to join forces. Because to transform education, we will need not just education experts; not just technology experts; not just funding experts. We need all three: we need people from all those areas to sit down, work together, and understand each other’s needs. That is the only way to get products which are useful to teachers, trainers and students. Products which are reliable, user-friendly, and which make a difference on the frontline.

I propose to get everyone together: in a common, multi-stakeholder platform. So those making technology can learn the needs of those in education. So educators can learn, support and champion the benefits of new technology. And, overall, so we can mainstream new technology into the European education and training systems. […]

Changing learning through technology might not be an overnight process – but it will be a revolutionary one.

At the moment, we are on the right road, but we are moving too slowly. So let’s speed up – let’s work together to put this right at the centre of our public policy agenda. Information and communications technology has already transformed how we connect, interact and transact. With the right ingredients and the right approach, we can also give learning and education their rightful place in this revolution. […]

We have to think not of „what is“; but „what could be“. Not simply to repeat the comfortable habits of the past; but to capture the massive opportunities of the digital future. Learning new things is not just for pupils and trainees: it is for everybody in our education and training system. Teachers, too, can learn to do things differently.

If we do this, we can build a system where teachers have the technological tools to reach out to students of all needs, backgrounds, and abilities. We can stimulate an economy that produces wild, exciting innovations to support the education sector. And we can build a society where education is an endless adventure for everybody.

Ladies and gentlemen: will you join me in this revolution?

Ich habe vor, den gekürzten Text der Rede morgen zur Grundlage für eine Seminarsitzung mit Geschichtsreferendaren zu machen. Im Mittelpunkt der Diskussion sollen dann die folgenden drei Fragen stehe

– Wie wirkt sich der durch die Digitalisierung bedingte gesellschaftliche und technologische Wandel auf den Geschichtsunterricht aus?
– Wie kann der Geschichtsunterricht auf diese Herausforderungen reagieren?
– Wie können die Möglichkeiten der digitalen Medien für historisches Lernen genutzt werden?
 

Natürlich könnte man einwenden, dass aufgrund des Wandels sich vielleicht in Zukunft auch die bestehende Struktur von Schule und vor allem die Unterteilung in Fächer auflösen wird, hier geht es jedoch um einen pragmatischen Ansatz zu notwendigen und möglichen Veränderungen auf Ebene des Unterrichts.

P.S. Nachdem es im Seminar eben so viel Kritik als Reaktion auf den Text gegeben hat, habe ich einige Stellen im Text noch einmal markiert und damit hervorgehoben. Im Volltext findet sich die Idee dann auch noch ausführlicher.

Schule im digitalen Zeitalter – Zum #speedlab2

Vorne weg ein Dankschön an die Organisatoren für den weitgehend gelungenen Rahmen zum anregenden Austausch mit interessanten Menschen. Wer sich fragt, was überhaupt ein Speedlab ist und wer das wo organisiert hat, kann das auf den Seiten von werkstatt.bpb.de nachlesen. Dort ist die „Mikrokonferenz“ auch ausführlich dokumentiert.

Auf dem Heimweg von Köln sind mir noch einige Sachen durch den Kopf gegangen, die ich völlig ins Unreine versuche durch das Niederschreiben zugleich zu ordnen und auszulagern.

Zuhause habe ich dann auch noch den (nicht ausgefüllten) Feedbackbogen in meiner Tasche gefunden, vielleicht geht der Beitrag dann hier auch als nachträgliche Rückmeldung zur Veranstaltung durch.

Zunächst war ich gespannt auf das für mich neue Format „Speedlab“. Es hat mich in vielem an ein World Café erinnert. Das Speedlab war mir aber über den Tag, ehrlich gesagt, zu laut, zu wuselig, was vielleicht auch an dem offenen Raum gelegen haben mag. Dieser war zwar schön, aber mir, und da war ich sicher nicht der einzige, dröhnte am Nachmittag schlicht der Kopf. Persönlich interessant fand ich bei der Veranstaltung viele Leute, die ich bisher nur über ihre Beiträge von Twitter oder ihren Blogs kannte, als Referenten oder Teilnehmer live und in 3D zu erleben. Das ist schon immer noch einmal etwas anderes.

Insgesamt hat die Veranstaltung bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Es wurden teilweise durchaus kontrovers, laut und emotional diskutiert. Oft allerdings an der Oberfläche oder wie zum Teil auf dem Podium auch schlicht aneinander vorbei. Was ich von dem Tag mitnehme, ist wenig Neues und viel Bestätigung eigener Ansichten. Es stimmt schon, dass solche Veranstaltungen auch ein Echoraum sein können, der die eigene Meinung unter „Gleichgesinnten“ positiv verstärkt.

Ein paar dieser neuen und bestätigten Gedanken will ich als Thesen kurz zusammenfassen und, sofern nicht eh altbekannter Konsens, damit natürlich auch zur Diskussion stellen. Außerschulische Bildung ist natürlich auch wichtig, kam aber auf der Veranstaltung eher am Rande vor und da ich Lehrer bin, beschränke ich mich auf den Bereich der Schule:

– Es gibt eine wachsende Kluft zwischen einer veränderten und sich weiter verändernden Gesellschaft (und damit auch Lebenswelt der Lernenden sowie der Arbeitswelt) und einer sehr trägen Institution Schule. Problematisch finde ich allerdings, die auch heute wiederholt gehörte Formulierung bisher sei aller Unterricht „schlecht“, „öd“, „fad“, „langweilig“ gewesen (alles heute auf dem Podium heute ernsthaft so geäußert). Das ist schlicht falsch und führt nicht weiter. Viele Kollegen fühlen sich damit zu Recht angegangen, ungerecht und falsch beurteilt und verschanzen sich, wie zu erwarten, in einer Abwehr- und Verteidigungshaltung. Richtig ist hingegen, dass die Digitalisierung unsere Gesellschaft durchdringt und verändert (dazu kommen noch ein ganze Reihe anderer Faktoren, die zu grundlegenden Veränderungen führen) und dem kann sich Schule nicht versperren, will sie nicht ihre grundlegenden Aufgaben verfehlen. Aber nochmal: Das heißt nicht, dass bisher alles schlecht gewesen wäre, sondern nur dass die bisherigen Konzepte von schulischen Lernen nicht mehr zur Realität unserer heutigen Welt passen.

– Es ist deutlich zu trennen zwischen der Ebene des Unterrichts und der des Systems Schule. Auf der Unterrichtsebene lässt sich vieles verändern. Das zeigen die vielen Beispiele von Edu-Hackern, -Bloggern, Bildungsaktivisten und wie sich der einzelne auch selbst gerne bezeichnen mag. Die Möglichkeiten zu Veränderung stoßen aber systembedingt an Grenzen. Felix Schaumburg hat das sehr schön formuliert, in dem er darauf hinwies, dass er sich mit seinem beruflichen Selbstverständnis in einem ständigen Widerspruch in Bezug auf die Vorgaben der schulischen Realität befindet.

– Wirklich ärgerlich fand ich, dass (mal wieder) über Lehrer, gerne auch pauschalisierend über „die“ Lehrer gesprochen wurde, aber auf dem Podium kein Lehrer saß, obwohl bei den Referenten einige mögliche Kandidaten dabei gewesen wären. Es muss darum gehen, mit den Lehrkräften zu reden und nicht nur über sie. Eigentlich sollte das klar sein. Ich erlebe das aber leider immer wieder anders. Pauschale Lehrerschelten helfen nicht. Positive Beispiele gehören hervorgehoben, diskutiert und verbreitet. Es gibt viele, die sich im Rahmen des Möglichen bemühen und Veränderungen in Gang setzen.

– Die Frage, wie man die erreicht, die sich den notwendigen Veränderungen widersetzen oder (weniger aktiv) schlicht entziehen, wurde mehrfach gestellt, eine überzeugende Antwort habe ich nicht gehört… Entscheidend scheinen Neugier, Bereitschaft zum Ausprobieren und Experimentieren, zu kritischer Selbstreflexion und dem Wunsch nach größerer Berufszufriedenheit zu sein. Das lässt sich allerdings schlecht vorgeben, allenfalls vorleben.

– Es waren übrigens insgesamt wenig aktive Lehrkräfte anwesend. Das sollte man aber nicht vorschnell einem Desinteresse zuschreiben: Freistellungen für Fortbildungen in der Dienstzeit sind schwierig, überhaupt ist Zeit, bzw. deren Mangel, ein Riesenproblem für Lehrkräfte und ein wesentliches Hemmnis für Innovationen. Auch hier verschärfen G8 und Zentralabitur die Situation zusätzlich.

– Ich habe den Eindruck, dass Lehrkräfte Fortbildungen, fachdidaktisch reflektierte Konzepte und Unterrichtseinheiten brauchen, wie sie digitale Medien in ihren Untericht integrieren können. Das ist noch nicht der schulische Leitmedienwechsel und Systemwandel, aber es ist das, was sofort im Kleinen möglich ist und eine Brücke bildet zur Heranführung an die Entdeckung der Potentiale. Als Technologie könnte auch das interaktive Whiteboard so eine Brücke, ein Katalysator sein. Es lässt sich in jede Art Unterricht integrieren, bietet aber zusätzliche Möglichkeiten und schöpft sein volles Potential erst aus, wenn die Lernenden mit eigenen Endgeräten digital arbeiten.

– Die Arbeit mit digitalen Medien ermöglicht / führt zu / erzwingt eine Öffnung des Unterrichts, und zwar auf allen Ebenen (inhaltlich, methodisch usw.). Das ist entgegengesetzt zur Ausbildung von Lehrern, sowie wie ich sie vor ein paar Jahren noch durchlaufen habe, die in anderthalb bis zwei Jahren lernen (und teilweise verinnerlichen), die Klasse, den Raum, die Inhalte, Methoden usw. zu kontrollieren. Wenn sie das können und in einer in höchstem Maße kontrollierten Situation vorführen, erhalten sie mit dem zweiten Staatsexamen die Erlaubnis zu unterrichten. Kein Wunder also, wenn in der Diskussion auch immer die diffuse, oft gar nicht bewusste Angst vor Verlust dieser (Illusion von) Kontrolle mitschwingt. Es ist ja genau das, was man gelernt hat, was eine gute Lehrkraft ausmacht.

– Ich bin immer wieder erstaunt zu hören, wie es mit den Einsatz digitaler Medien in anderen Bundesländern aussieht. Ich höre immer wieder: Es fehle an Konzepten, Ausstattung und Fortbildungen. Es scheint so, als wären wir in der Tat in Rheinland-Pfalz relativ weit. Wenn man selbst drinsteckt, muss ich sagen, sieht man doch eher die Mängel und Fehler und was man noch tun könnte. Der Blick von außen ist immer ein anderer.

– Es geht nicht um Geräte, sondern um Didaktik. Wir brauchen Lernsettings, eine neue Aufgabenkultur und vor allem neue Prüfungsformate. Über die Zulassung alternativer Bewertungen wird sich das Lernen und Lehren in Schulen grundlegend verändern. So lange zentral immer noch Klassenarbeiten und Klausuren stehen, die eine Wiedergabe auswendig gelernten Wissens verlangen, wird sich auch Unterricht nicht grundlegend verändern. Das Zentralabitur wirkt sich hier hemmend aus. Ein großer Schritt wäre die Zulassung von Open Educational Resources als reguläre „Schulbücher“ durch die Behörden der Bundesländern. In anderen Ländern, wie z.B. Kalifornien, passiert das bereits, berichtete Basti Hirsch in seinem Workshop. Für Deutschland scheint die Vorstellung noch utopisch und geradezu revolutionär.

– Die technische Entwicklung geht weiter und sie geht schnell voran. Daher veralten Geräte schnell. Schule kann sich eine permanente Erneuerung ihrer Ausstattung aber nicht leisten. Das lässt sich einfach z.B. an den meisten Computerräumen ablesen. Es kann also nicht darum gehen, dass Schulen nun in Klassenstärke oder größeren Zahlen iPads, Tablets oder was auch immer anschaffen, um sie in ein paar Jahren auszutauschen. Das kann sich niemand leisten, mal abgesehen von den Problemen, die entstehen, wenn Lernende die Geräte nur leihweise in ein oder zwei Stunden im Unterricht nutzen: So können dort z.B. keine eigenen Dateien abgelegt werden (darauf hat André Spang in seinem Kurz-Workshop hingewiesen) und sie stehen auch zuhause nicht zur Verfügung, sie können also nicht als eigenes Werkzeug in eine persönliche Lernumgebung integriert werden. Deshalb kann der Weg meines Erachtens nur über Geräte der Schüler führen, die dann mit Verlassen der Schule auch ihre Geräte mitnehmen. Die Lernenden finanziell zu unterstützen, die sich das von zuhause nicht selbst leisten können, kommt allemale günstiger als die komplette, regelmäßig notwendige Erneuerungen ganzer Schulausstattungen in diesem Bereich.

Wie gesagt, ein paar Gedanken zum heutigen Tag, schnell runtergeschrieben, ich hoffe nicht allzu wirr, aber zumindest sind sie jetzt aus meinem Kopf 😉

Fortbildung: Lernen und Arbeiten mit digitalen Medien – Web 2.0 im Geschichtsunterricht

Das Pädagogische Landesinstitut Rheinland-Pfalz bietet im ersten Halbjahr 2012 zwei aufeinander aufbauende Fortbildungsveranstaltungen zu digitalen Medien für Geschichtslehrkäfte an. Beide Veranstaltungen finden am PL Standort Koblenz statt. Ich freue mich, als Referent erstmal so eine Veranstaltung anbieten zu können.

Die Fortbildung beginnt am 22.03.2012 mit einem ersten Teil, der als Einführung in das Thema gedacht ist. Ausgehend von der Einführung sollen die Teilnehmer selbst Unterrichtsideen entwickeln und umsetzen. Der zweite Teil der Fortbildung folgt am 14.06.2012 und soll dazu dienen, die durchgeführten Unterrichtseinheiten kurz vorzustellen, zu diskutieren und gemeinsam über Kriterien für guten Geschichtsunterricht mit digitalen Medien nachzudenken sowie, falls nötig, entstandene Fragen und Probleme zu klären.

Die Anmeldung für beide Veranstaltungen läuft über Tis-Online.

Mit selbst erstellten Apps üben und wiederholen

Wer die Seite noch nicht kennt, sollte einen Blick darauf werfen: LearningApps.org bietet die Möglichkeit kleine Anwendungen selbst mit Inhalten zu füllen und so an den eigenen Unterricht anzupassen.

Ich habe gestern und vorgestern ein bisschen experimentiert. Die Ergebnisse sind nichts, wofür ich mich rühmen könnte (siehe hier). Vor einem Einsatz im Unterricht müssten alle Entwürfe noch überarbeitet und ergänzt werden. Das gilt für die meisten der auf der Seite bisher freigeschalteten Apps. Mir ging es zunächst einmal darum, selbst auszuprobieren, wie das funktioniert und ich muss sagen, ich bin begeistert.

LearningApps ist ein gemeinsames Projekt in der Beta-Phase der Hochschulen Bern, Mainz und Zittau/Görlitz. Wer die Apps ansehen und ausprobieren möchte, kann dies auch ohne Anmeldung tun. Empfehlenswert ist die Nutzung der Apps im Vollbildmodus. Wer selbst eigene Apps gestalten möchte, muss sich dafür auf dem Portal registrieren. Entdeckt man unter den bereits veröffentlichten eine interesssante App, die aber entweder inhaltliche Fehler enthält oder an die Inhalte des eigenen Unterrichts angepasst werden müsste, so kann diese nach Anmeldung auch verändert (über den Button „Ähnliche App erstellen“) und unter den eigenen Apps gespeichert werden. Selbst erstellte Apps kann, aber muss man nicht veröffentlichen.

Es sind vor allem einfache Zuordnungsaufgaben und -spiele, die angeboten werden. Alle Apps enthalten eine Rückmeldungsfunktion, ob und die Ergebnisse richtig sind oder nicht. Von den bisher 10 Appmodellvorlagen lassen sich alle im Geschichtsunterricht einsetzen, um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Zahlenstrahl-Zuordnung: Es können Begriffe, Ereignisse, Personen auf einer selbst definierten Zeitleiste eingetragen werden und die einzelnen Elemente auch mit einer Hilfe zur Zurordnung versehen werden.
  • Zuordnung mit Landkarte: Texte, Bilder, Audio- und/oder Videodateien müssen auf einer Landkarte verortet werden.
  • Videos mit Einblendungen: Videos können mit Text versehen werden, der z.B. an bestimmten Stellen Verständnishilfen oder Arbeitsaufträge bereitstellt.
  • Gruppenzuordnung: Es können 2-4 Gruppen/Kategorien vorgegeben werden, denen dann Texte (Begriffe), Bilder, Audio- und/oder Videodateien zugeordnet werden müssen.

Wo und wie lassen sich diese Apps im Geschichtsunterricht einsetzen? Ein paar erste Gedanken:

Die Apps lassen sich vielfältig einsetzen. Mit der Erstellung werden automatisch eine Linkadresse, ein Einbettcode und ein QR-Code erstellt. So können die Apps auf interaktiven Whiteboards und festinstallierten Rechnern in der Schule, mobilen Endgeräten wie Laptops oder iPads, aber auch auf Smartphones genutzt werden. Auf den IWBs und Tablets macht das Verschieben und Zuordnen am meisten Spaß.

Der Einsatz scheint vor allem sinnvoll zum Üben und Wiederholen: zentrale Jahreszahlen, Begriffe, Epochen können so auf spielerische Weise noch einmal aufgegriffen werden, z.B. für einen aktivierenden Einstieg auf dem interaktiven Whiteboard am Beginn oder, falls noch Zeit ist, am Ende der Stunde. In älteren Klassen können auch die Schülerinnen und Schüler z.B. am Ende einer Unterrichtseinheit selbst Apps zu einzelnen Unterthemen erstellen, die dann von den anderen anschließend gespielt werden. Dies wäre ebenso unterrichtsbegleitend denkbar, so dass vor einem größeren Test oder einer Klausur die Apps zum Lernen herangezogen werden können.

Denkbar ist aber auch der Einsatz in einer Erarbeitungsphase, z.B. könnte man zentrale Begriffe der Aufklärungsphilosophie vorgeben, die dann einzelnen Philosophen zugeordnet werden. Die Schülerinnen und Schüler lesen einen Text oder schauen einen Film, dem sie die notwendigen Informationen entnehmen. Die Lösung dient dann zugleich der Ergebnissicherung, kann von jedem Lerner individuell erarbeitet und dann gemeinsam im Plenum besprochen werden.

Die Apps sind schnell erstellt. Nach einer ersten grundlegenden Orientierung habe ich für das Erstellen der vier Beispielapps jeweils 15-20 Minuten gebraucht. Für inhaltlich etwas aufwendigere benötigt man vielleicht 30 Minuten. Das ist überschaubar. Programmierkenntnisse benötigt man keine, die Bedienung ist weitgehend intuitiv. Damit nähern wir uns weiter der von Hilke Günther-Arndt beschriebenen Voraussetzung für die breite Nutzung digitaler Medien im Unterricht: „wenn sich die Alternative ‘Bedienkompetenz’ versus ‘historische Kompetenz’ nicht mehr stellt„.

Natürlich sind 30 Minuten Vorbereitung für 5-10 Minuten im Unterricht verhältnismäßig viel, dennoch resultieren aus der Erstellung der digitalen Materalien einige Vorteile für Lehrkräfte:

  • Die Apps liegen dauerhaft vor und können einmal erstellt immer wieder eingesetzt werden.
  • Sie sind schneller eingerichtet als vergleichbare Aufgaben mit der Software der interaktiven Whiteboards.
  • Auch andere Lehrkräfte erstellen Apps, die schnell an den eigenen Unterricht angepasst werden können. Der Pool der Materialien wächst sehr schnell.
  • Wo ein Internetzugang vorliegt, können die Apps auch in Vertretungsstunden eingesetzt werden.
  • Die Apps sind multimedial angelegt. Es können Texte, Bilder, Audio- und Videodateien eingebunden werden.
  • Die erstellten Apps sind unabhängig von der an der Schule verwendeten Lernplattform und der Marke der interaktiven Whiteboards. Sie funktionieren übergreifend webbasiert.

Ebenso vielfältig sind Vorteile für das Lernen:

  • Die Apps stehen den Lernenden auch außerhalb der Schule zur Verfügung. Wer mag oder Übung benötigt, kann die Apps zum individuellen Üben und Wiederholen zuhause oder mobil auf dem Handy nutzen.
  • Alle Apps haben sowohl bei der Erstellung als auch beim Einsatz etwas Spielerisches, das motivierend wirken kann. Gerade das ungeliebte Üben und Wiederholen, oft als „stumpf“ qualifiziert, wird leichter: Man lernt, wiederholt, ohne dass es sich wie Arbeit anfühlt.
  • Gleichfalls unterstützend wirken die Möglichkeiten zur Differenzierung (durch Hilfeangaben) und die Ausrichtung am individuellen Lerntempo (sofern individuelle Endgeräte vorhanden).

PS. Einen Wermutstropfen gibt es dennoch zu vermelden, das Einbetten hat mit dem Code trotz längerem Rumprobieren hier im Blog nicht geklappt. Das ist schade, aber verschmerzbar.

Die Geschichtsdidaktik und das Netz – Teil 2

Mit dem zweiten Beitrag kann ich direkt an den Artikel von Alex anschließen. Ich denke auch, es geht im Kern um die „Selbstverständlichkeit“ der Nutzung digitaler Medien, die Demantowsky am Ende des Interviews anspricht. Er bezieht dieses, wie Alex in seinem Beitrag schon deutlich gemacht hat, jedoch auf die alltägliche Mediennutzung und nicht auf wissenschaftliches Arbeiten oder historisches Lernen. Und genau da liegt der entscheidende Punkt der Debatte.

Was in vielen Beiträgen zum Thema durchscheint – und um das Argument von Demantowsky aus dem Interview einmal perspektivisch umzudrehen – ist, dass das Web 2.0 als Austausch- und Publikationsort von vielen Akademikern in den „Geisteswissenschaften“ in einem von einem elitären Wissenschaftsverständnis geprägten Habitus des analogen Eltfenbeinturms ignoriert und/oder abgewertet wird. Dabei geht es gar nicht um einen „Hype“, und ich denke auch nicht um einen „digital turn“. Es gibt auch keine zwei Welten, eine vermeintliche Trennung in eine reale und eine virtuelle Welt, sondern das Digitale mit seinen Möglichkeiten und Risiken ist integrativer Bestandteil unserer Welt. Diese künstliche und wenig hilfreiche Trennung in den Köpfen aufzuheben, wäre das ein wichtiger Schritt.

Es geht auch nicht um jung und alt oder das Überbordwerfen wissenschaftlicher Methoden. Es geht um die Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen. Wie verändert sich Gesellschaft, der Umgang mit Wissen unter den Bedingungen des Digitalen und welche Auswirkungen hat das auf die Geschichtswissenschaft, -didaktik und den Geschichtsunterricht? Es ist hier also um die Frage nach der Reflektion und Integration des Digitalen in die Disziplin.

Das scheint mir noch ein weites, aber durchaus drängendes Aufgabenfeld. In ihren Interviews auf dem L.I.S.A.-Portal machen Mareike König und Marko Demantowsky bereits deutlich, wie sich die Arbeit von – sagen wir mal etwas weltzugewandter – Gesellschaftswissenschaftlern verändert. Auf den Geschichtsuntericht gemünzt müssten daraus zumindest für einen wissenschaftspropädeutisch ausgerichteten Fachunterricht der Oberstufe gleichfalls Veränderungen folgen, die andere Formen Kommunikation und Kollboration, der Recherche, Verarbeitung und Präsentation von historischen Inhalten beinhalten.

Neben der Veränderung der wissenschaftlichen Arbeitsweise sehe ich noch drei wesentliche Auswirkungen auf Geschichtsunterricht:

– Die Schulen (wie die Universitäten übrigens auch) spürten die Auswirkungen mit als erste und kämpfen seit Jahren in aufreibenden Rückzugsgefechten oft in Form von Verbotsversuchen (Handys, Wikipedia, Youtube, Facebook usw.), um so (weitgehend vergeblich) ihre bisherigen Verfahren, Aufgaben- und Prüfungsformen beibehalten zu können. Die Bedingungen des Digitalen verändern Schule, das Lernen und damit eben auch den Fachunterricht. Um nur wenige Beispiele zu nennen:

Während bei einer unbeantworteten Frage im Unterricht vor 20 Jahren die Lehrer in der Regel einen Schüler rauspickten, dem sie auftrugen, das zuhause mal nachzuschlagen (in der Regel war gerade der oder die dran, die vermeintlich etwas Interesse hatte durchblicken lassen und die Aufgabe dann, so zumindest bei mir, wie eine Strafarbeit empfand – wem das noch so ging, bitte die Hand heben!). Das Vorgehen macht aber keinen Sinn mehr, wenn mir die gesuchte Sachinformation mit Hilfe eines Rechners im Klassenzimmers oder eines Smartphones innerhalb von Sekunden zur Verfügung steht.

Generelle Verbote von Handys im Unterricht (natürlich nicht zum Telefonieren, aber warum nicht zu einer sinnvollen Nutzung als Hilfsmittel zulassen?) oder der Wikipedia macht ebensowenig Sinn. Die Lösungen zu den vielen Aufgaben in den Schul(geschichts-)büchern kann ich innerhalb von Sekunden im Netz finden; oft auch entsprechenden Lösungseiten oder gleich das Lehrerhandbuch als PDF-Download. Wie viel Sinn machen diese Aufgaben dann noch? Wie müssen sich Schulgeschichtsbücher unter diesen Bedingungen verändern?

Was ich schneller und ebenso zuverlässig im Netz finde, schlage ich auch nicht mehr in Büchern nach. Warum sollten Schüler dies tun? Sie müssen aber lernen z.B. die Zuverlässigkeit von Informationen einzuschätzen. Und das nicht so holzschnittartig, wie oft in der Praxis erlebt: Wikipedia sei demnach nicht nach vertrauenswürdig, weil dort jeder schreiben könne… Blogs, die anonym oder unter Pseudonym geführt werden, ebensowenig. Wenn  Historiker die gleichen Maßstäbe an ihre Quellen anlegen würden, wäre wohl ein Großteil nicht verwendbar.

Es braucht veränderte Lernarrangements, die eben diese Bedingungen, in denen Lernen heute stattfindet, miteinbeziehen und fachdidaktisch reflektieren an Schulen, Studienseminaren und Universitäten.

Die Fachdidaktik sollte aber auch nicht die hier nur in Bruchstücken dargestellten veränderten Bedingungen historischen Lernens in einer digitalen Welt unterschätzen. Dabei geht es nicht um eine Technikbegeisterung, sondern um das Erarbeiten von allgemein und fach- didaktischer Kriterien für eine sinnvolle Nutzung im Unterricht und zur Vermittlung in der Lehreraus- und weiterbildung; eine zentrale Aufgabe einer wissenschaftlichen Fachdidaktik.

– Bereits ein Topos, aber zutreffend: Es war noch nie so viel Geschichte. Die Bedeutung der Geschichtskultur hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Lange vorbei sind die Zeiten  behüteter  Geschichtsvermittlung durch Autoritäten wie  Universitäten, Familie, Lehrer und Schulbuch. Diese spielen natürlich weiterhin eine Rolle, gleichzeitig erleben wir aber eine Explosion multimedialer Geschichtsdarstellungen, seien es nun Computerspiele, Internetseiten oder Videos. Die Geschichtsdidaktik beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. In Lehrplänen, Schulbüchern und Klassenzimmer ist es bisher weniger bis gar nicht präsent. Die Allgegenwärtigkeit historischer Deutungen in Zeugnissen der Geschichtskultur verlangt entsprechende Kompetenzen der Leser, Zuschauer und Nutzer. Auch deshalb ist die Kompetenzorientierung so wichtig.  Aber ob digitale Formen der Geschichtskultur weiterer oder anderer Kompetenzen bedürfen, und falls ja (man denke nur die Möglichkeiten digitaler Bild- und Filmmanipulation, der Reinfall auch von etablierten Zeitungen auf gefälschte Twitter-Accounts und Blogbeiträge), wie diese aussehen könnten, ist in der Disziplin allenfalls angedacht. Erarbeitet wurden die Kompetenzmodelle an den klassischen Materialien des Geschichtsunterrichts. Das Digitale ist auch hier weitgehend Blindstelle.

Verstanden in diesem Sinn, nämlich der Berücksichtigung und Reflektion der Bedingungen des Digitalen, bedarf es meines Erachtens einer ‚digitalen‘ Geschichtsdidaktik als integrativer Bestandteil der Wissenschaft.

– Ergänzend dazu gibt es einen vierten Punkt in etwas anderer Blickrichtung. In den letzten Jahren hat der Geschichtsunterricht an den Schulen an Bedeutung eingebüßt. Fast überall wurden Stundentafel gekürzt, in einigen Ländern und Schulformen auch die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer gleich ganz zusammengelegt. Innerhalb des Fächerkanons der Schule stehen die einzelnen Disziplinen unter einem Rechtfertigungszwang.

Es würde sich meines Erachtens anbieten, die Chance zu ergreifen und auf die genuin fachdidaktischen Methoden und Kompetenzen des Geschichtsunterrichts, die grundlegende Fähigkeiten für den Umgang mit Informationen vermitteln, und darüber hinaus auf das, was Alexander König formuliert hat, verweisen: einen „Brückenschlag zu anderen Disziplinen im Feld (z.B. Medienbildung, Mediendidaktik, Medienpädagogik) im Sinne einer Geschichtsdidaktik als Integrationswissenschaft perspektivisch“ aufzuzeigen.

Es existiert eine hohe Schnittmenge von fachspezifischen Methoden und Kompetenzen und dem, was aktuell unter dem Label „Medienkompetenz“ firmiert. Hier begeben sich weder Didaktik noch Unterricht in eine defensive oder „dienende“ Position, wenn sie auf ihre daraus wachsende Bedeutung für das Lernen und Weltverständnis von Kindern und Jugendlichen  erkennen und herausstellen. Vielmehr könnte dies eine Position eines wachsenden Selbstbewusstseins des Fachs werden.

Die Geschichtsdidaktik und das Netz – Teil 1

Anlass für den Beitrag und Grundlage der Auseinandersetzung ist das Interview mit Jun.-Prof. Dr. Marko Demantowsky auf dem Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung, das nun auch schon zwei Wochen alt ist. Eine Besprechung reizt mich schon seit dem ersten Hören, aber ich komme erst jetzt dazu.

Alexander König hat sich in seinem Blog bereits zu geäußert, mutig, ohne das komplette Interview gehört zu haben, aber die einzelnen Aussagen sind in Kurzüberschriften durch die Redaktion treffend zusammengefasst, so dass sich die wesentlichen Thesen in der Tat auch so erschließen lassen. Die berechtigten kritischen Fragen von Alex brauche ich hier nicht zu wiederholen und will mich deshalb auf andere Aspekte konzentrieren.

Zunächst einmal das Grundsätzliche: Demantowsky plädiert gegen einen Hype um digitale Medien. Den mag es geben. In der Geschichtsdidaktik sehe ich allerdings eher einen Nachholbedarf in der Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und deren Folgen für die Wissenschaft, die Lehre und den Unterricht. Soweit ich das Feld überblicke, gibt es in der Praxis zahlreiche Versuche mit digitalen Medien zu arbeiten, diese keineswegs euphorisch aus reiner Technikbegeisterung einsetzend, sondern aus geschichtsdidaktischer Perspektive  für einen Einsatz im Unterricht prüfend. Eine meines Erachtens notwendige intensive  und breite theoretische Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Digitalisierung sehe ich weder für die Geschichtsdidaktik als Wissenschaft noch für die zwei Phasen der Lehrerausbildung oder die Unterrichtspraxis.

Das spiegelt sich auch in dem Interview wieder, wo diffus auf eigene (negative) Erfahrungen und Eindrücke verwiesen wird, in denen die beobachtete Praxis des eLearnings an der Universität vor allem als Materialaustasch in Lernplattformen wahrgenommen wird. In Demantowskys Beschreibung der Lernsituationen an der Uni, wo Studenten nicht mehr Kopien mitbrächten, sondern nur ihre Laptops aufklappten, so dass der Dozent nicht sehen könne, was sie im Seminar machen, spiegelt sich Angst vor Kontrollverlust und ein Unverständnis, dass Texte auch mit entsprechenden Programmen am PC gut be- und verarbeitet werden können (zugegebenermaßen nicht meine Arbeitsweise, ich arbeite auch lieber mit Papier, zumindest bei längeren Texten – eine Frage der Gewohnheit, des eigenen Lernens, aber keine des Besser oder Schlechter).

Bezeichnend folgt dann die Aussage, dass er Studierende getroffen habe, die stolz am Ende des Studiums erklärt hätten, kein ganzes Buch gelesen zu haben. Ich würde hier für einen Wechsel der Perspektive plädieren: Ist das die Schuld der Studierenden? Wie kann es sein, dass sie ohne Bücherlesen durch das Studium kommen (so die Aussage denn stimmt), wenn man das Lesen ganzer Bücher als grundlegend für die Disziplin erachtet. Vielmehr müssten sich meines Erachtens in solchen Fällen Universtitäten (ggf. auch Schulen) Fragen lassen, ob Aufgabenstellungen und Prüfungen angemessen sind, wenn man diese auch  ohne umfassendere Lektüre erledigen bzw. bestehen kann. Es  braucht eine alternative Lern- und Prüfungskultur und kein kulturpessimistisches Lamento über die Lernenden. Und da sind wir dann mitten in der Debatte über die Veränderungen von Lernen an Schule und Hochschule unter den Bedingungen des Digitalen und bei Konzepten von „eLearning“, eigentlich besser von Lernen ganz allgemein, das heute auch immer digitale Elemente umfasst.

Ein Bezug zu konkreten eLearning-Konzepten bleibt im Interview aus, ebenso eine An- oder Verknüpfung mit der zu Recht eingeforderten Betrachungweise ausgehend von der eigenen wissenschaftlichen „Matrix“. Hier finden sich m.E. bislang viel zu wenig beachtete Schnittmengen vor allem der geschichtsdidaktischen Kompetenzorientierung mit der Arbeit mit digitalen Medien.

Ich finde es begrüßenswert, dass Demantowsky sich für das Interview zur Verfügung gestellt und Position bezogen hat. Als Mitglied des Verbandes der Geschichtsdidaktikerinnen und Geschichtsdidaktiker würde ich mir viel mehr Auseinandersetzung und Positionierung in Bezug auf das Thema wünschen. Demantowsky präsentiert sich im Interview als etwas widerwilliger Nutzer des Web 2.0. Twitter würde er nur im Auftrag des Verbandes, den er als Referent für Öffentlichkeitsarbeit vertritt. Will der Verband in den öffentlich geführten Debatten im Netz Einfluss nehmen, braucht es solche Präsenzen.

Aber warum twittert Marko Demantowsky dann unter dem Namen ohkoller? Wer das Interview nicht gehört hat, wird hier keinen offiziellen Account des Geschichtsdidaktikerverbands vermuten. In der Bio verweist er zwar auf seine Rolle als Pressereferent, verlinkt aber dann seine Internetseite an der Uni und nicht die des Verbandes. Da ist der Geschichtslehrerverband mit dem von Christian Jung betreuten Auftritten im Netz deutlich durchdachter, profilierter und professioneller, wenn auch leider Facebook und Twitter dort nur als weitere Einbahnstraßenverbreitungskanäle für die eigenen Pressemitteilungen genutzt werden.

Fortsetzung

P.S. Ach ja, wer es noch nicht gelesen hat, sei mit dem etwas weiteren Blickwinkel „Geisteswissenschaften und Internet“ auch auf den (heftig diskutierten) Beitrag „Liebe Geisteswissenschaftler“ auf dem Blog von mspro sowie auf das Interview von Mareike König auf dem L.I.S.A.-Portal hingewiesen. Beide auf ihre unterschiedliche Art und mit unterschiedlichem Grundtenor sehr lesenswert.