Mehr oder weniger?

In der Geschichtswissenschaft wird bei der Digitalisierung von Quellen auch immer über den damit einher-gehenden Informationsverlust diskutiert. Im Vergleich zum Archiv ist das richtig. Im Bereich des schulischen Geschichtsunterrichts sieht das anders aus.

Im Unterricht kommen Textquellen in der Regel nur als transkribierte, übersetzte, stark gekürzte, mit einer Einleitung versehene Materialblöcke vor. Alle gleich aufgebaut und äußerlich nicht zu unterscheiden. Im Druck des Schulbuchs begegnet Schülerinnen und Schüler eine „mittelalterliche Urkunde“ genauso wie ein „Brief“ aus dem 18. Jahrhundert oder ein „Zeitungsartikel“ aus dem 20.

Digitalisierte Quellen bieten für den Geschichtsunterricht, sofern sie denn im Klassenraum verfügbar gemacht werden können, keinen Verlust, sondern einen Mehrwert an Informationen. Natürlich ersetzt eine digitalisierte Quelle nicht den Archivbesuch. Natürlich müssen Quellen auch weiterhin für junge Lernende aufbereitet, d.h. ggf. transkribiert, übersetzt oder auch gekürzt werden. Nichtsdestotrotz liegen in der Arbeit mit digitalisierten Quellen Potentiale für historisches Lernen:

Ein Brief ist wieder als Brief zu erkennen, eine Handschrift im 12. Jahrhundert sieht anders aus als im 19., ein Zeitungsartikel steht im Umfeld der Titelseite, auf der er publiziert wurde usw. Die Schülerinnen und Schüler erhalten also wesentlich mehr für das Verständnis und die Interpretation der vorliegenden Quelle relevanten Informationen als bislang in den Schulbücher oder auf Fotokopien. In großen Teilen, insbesondere bei gedruckten Quellen des 19. und 20. Jahrhunderts, ist nicht mal eine Aufbereitung notwendig, sondern es kann direkt mit dem Digitalisat gearbeitet werden.

Technisch ist die Umsetzung eine Kleinigkeit. Daher muss man nicht immer zuerst an aufwändige und in der Erstellung oft teure Simulationen, 3D-Modelle, Filme oder Lernplattformen denken, wenn man überlegt, wie die Arbeit mit digitalen Materialien im Geschichtsunterricht aussehen könnte. Bereits die Arbeit mit digitalisierten Quellen ermöglicht eine bedeutende Erweiterung und Veränderung historischen Lernens in der Schule. Neben die inhaltliche Analyse können nun gattungspezifische, formale und vor allem medienhistorische Aspekte treten. Wer sich daran macht, ein „wirklich digitales Schulgeschichtsbuch“ zu entwickeln, darf das Potential, das die digitalisierte Quellen für den Unterricht bieten, nicht unberücksichtigt lassen.

Beyond the bubble: Historical context

Das Video ist Teil einer Reihe zum Geschichtsunterricht, deren kurze, jeweils zweiminütigen Filme alle im Youtube-Kanal der Stanford History Education Group veröffentlicht sind.

Die Videos sind Teil eines größeren Projekt gleichen Namens „Beyond the Bubble„, in dem nach Eigenaussage um folgendes geht:

Beyond the Bubble unlocks the vast digital archive of the Library of Congress to create a new generation of history assessments. Developed by the Stanford History Education Group (http://sheg.stanford.edu), Beyond the Bubble is the cornerstone of SHEG’s membership in the Library of Congress’s Teaching with Primary Sources Educational Consortium. We “go beyond the bubble” by offering easy-to-use assessments that capture students’ knowledge in action – rather than their recall of discrete facts.

Ein spannendes Kooperationsprojekt für den Geschichtsunterricht, das auf den ersten Blick auch medial ansprechend und gut umgesetzt ist und Anregungen für kompetenzorientierte Prüfungsformate liefert. Der Blick über den großen Teich ist auf jeden Fall interessant und kann auch anregend sein für den eigenen Unterricht, besonders in Bezug auf die Gestaltung von Tests und Hausaufgabenüberprüfungen in der Mittelstufe. Die Inhalte der Seiten stehen übrigens alle als Creative Commons unter BY-NC-Lizenz.

Praxistipps zur Quellenkritik im Unterricht

Den gestrigen Historychat auf Twitter zum Thema „Kompetenzen im Umgang mit Quellen“ konnte ich leider nur zum Teil verfolgen, es waren aber einige schöne Anregungen für die Unterrichtspraxis dabei,  von denen ich  zwei hier kurz weitergeben möchte.

1) Eine gute Idee fand ich für die Arbeitsschritte der Quellenanalyse (analog ließe sich das auch für andere Methoden denken) kurze Siglen zu finden, die den Schülerinnen und Schülern das Behalten der einzelnen Schritte und ihrer Abfolge erleichtert. So simple wie gelungene Lernhilfen sind mir aus dem deutschsprachigen bisher nicht bekannt.

Ein Beispiel für die Quellenanalyse wären die drei C’s:

Context (what is happening?), Content (message of the source) und Comment (your idea)

Eine analoge deutsche Bildung für die Arbeitsschritte zur Quellenanalyse könnte z.B. „Kik“ sein (Kontext, Inhalt, Kommentar).

Weitere Beispiele aus dem englischen Chat: PACT (purpose, author, context, time)

Zur Strukturierung der Frage nach der zentralen Aussage einer Quelle: CiD (context, interpretation, detail)

Ich denke, es würde sich lohnen, entsprechende Lernhilfen für den Geschichtsunterricht auf Deutsch zu entwickeln. Das wäre eine ideale Ergänzung für die üblichen Methoden- und „Gewusst wie“-Seiten in den Mittelstufenbüchern, die sind in der Regel so textlastig, dass man die Arbeitsschritte immer wieder nachschlagen, aber kaum behalten kann. Ich wundere mich, dass ich von solchen Siglen und andere Aten von Gedächtnisstützen noch nie gehört habe und sie auch nicht in den Geschichtsbüchern zu finden sind. Oder kennt jemand Beispiele?

2) Für die Praxis sehr anregend ist der kurze Artikel von Heidi Le Cocq zur Heranführung jüngerer Schülerinnen und Schüler an die Quellenarbeit. Der Beitrag aus der Zeitschrift Teaching History kann hier als PDF heruntergeladen werden. Großartig finde ich folgende ebenso einfache wie effektvolle Idee:

„When we moved on to study the Church, and to study a medieval doom painting, I asked the pupils if this was an accurate representation of Hell. The looks of disbelief on the pupils’ faces were lovely to see. I let them patiently explain to me that no one knows what Hell looks like, as no one who has been there has come back! My reaction to this was to switch off the OHP and apologise for showing them sources that were not accurate and therefore of no use to us.  This time the looks  turned to disgust, and several  girls, rather militantly, pointed out that ‘of course the picture is useful because it shows us what medieval beliefs about Hell  were!’  There  are  all sorts of opportunities to reinforce this ability to identify the value of a source.“ (S. 54)

Rezension: Hörbuch Spectaculum Mundi Medievalis

Das vorliegende Hörbuch stammt aus dem Verlag Berliner Hörspiele. Das Buch ist geschrieben und gelesen von Stephan Warnatsch, der als Lehrer in Berlin an einer Gesamtschule sowie als Lehrbeauftragter am Institut für Geschichte an der TU Berlin tätig ist.

Warnatsch trägt seinen Text mit viel Engagement vor und man gewinnt den Eindruck, dass ihm die mittelalterliche Geschichte ein Herzensanliegen ist. In insgesamt 217 Minuten schlägt Warnatsch auf drei CDs einen großen Bogen von dem Quellenzugang zur mittelalterlichen Geschichte, über den Lebenslauf der Menschen, ihre Lebenswelt in Städten und auf dem Land bis hin zu Reisen, Festen und Fragen der Moral und Religion.

Das Buch ist hörenswert inszeniert und besticht vor allem durch die reiche Auswahl an interessanten Quellen, die von unterschiedlichen Sprechern vorgetragen werden. Gerade die vorgetragenen Quellen lassen sich hervorragend in den Unterricht integrieren. Zum einen weil sie ein weites Panorama der mittelalterlichen Welt eröffnen, zum anderen weil das Zuhören auf diese Weise nur selten vorkommt. Die Schüler in der Regel Quellentexte selbst laut vortragen oder leise erarbeiten. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass bei der Erfassung von Geschichtsstunden festgestellt wurde, dass sehr viel Zeit mit dem lauten Vorlesen von Texten im Unterricht zugebracht würde. Für ein Fach, dass sich als erarbeitend und problemorientiert versteht in der Tat ein erstaunlicher Befund. Auf jeden Fall scheint mir die Kombination von schriftlicher vorliegendem (oder anschließend reingereichtem) Quellentext und dessen professionellem Vortrag von CD eine kleine nette methodische Abwechslung für den Unterrichtsalltag.

Zum Teil scheint der Vortragsduktus beim Verfassertext von Warnatsch etwas schnell und überhastet und die an einigen Stellen etwas akademisch ironische Ausdrucksweise macht das Hörbuch in längeren Passagen selbst für den Unterricht in der Oberstufe schwierig. Text und Vortrag leben von der Lebendigkeit und den Kommentaren des Autors. Undifferenzierte Seitenhiebe wie die Andeutung, der Islam sei im Mittelalter verharrt, sind vollkommen unnötig und wären besser unterblieben. Ansonsten aber ingesamt ein Hörbuch, das Freude und Lust aufs ein sehr vielfältiges Mittelalter macht, das uns hier in seiner zeitgleichen Nähe und Fremdheit präsentiert wird.

Das Hörbuch kann auf den Seiten des Verlags in Auszügen angehört und als CD für 12,99€ bestellt werden.



Arbeitsblatt zur Analyse von Kriegerdenkmälern

Vor einigen Tagen wurde hier im Blog eine Idee zum Unterrichtseinstieg mit Kriegerdenkmälern veröffentlicht. Da sich diese Denkmalsform in fast jeder deutschen Stadt findet, bieten sich hier gute Lerngelegenheiten, die Schule zu verlassen und vor Ort zu arbeiten. Dabei lässt sich regionale Geschichte exemplarisch mit der nationalen, europäischen oder gar globalen Geschichte verbinden.

Die Arbeit lässt sich über den Einstieg hinaus natürlich noch vertiefen. Zur Analyse von (Krieger-) Denkmälern habe ich mit dem hier zum Download bereitgestellten Arbeitsblatt (.doc) gute Erfahrungen gemacht. Die Schüler notieren auf dem Blatt ihre Beobachtungen möglichst präzise. Die Notizen werden anschließend im Unterricht verglichen und Symbole erklärt. Davon ausgehend können überregional bedeutsame Monumente  zum Vergleich und Transfer herangezogen werden, um auch das typische von eventuell vorhandenen regionalen Besonderheiten herauszuarbeiten.

Unterrichtseinheit: Karl der Große – Teil 2

Hier folgt nun die Fortsetzung der Unterrichtseinheit zur Kaiserkrönung Karls des Großen mit den entsprechenden Materialien, die jeweils als Word-Dokumente im Text verlinkt sind. In der Stunde  (Verlaufsplan hier) sollen die Schülerinnen und Schüler am Beispiel der Erneuerung des weströmischen Kaisertums durch Karl den Großen erkennen, dass der ausschließliche Rückgriff auf traditionelle Formen der Herrschaftslegitimation zur Durchsetzung eines Titelanspruchs unter Umständen nicht ausreichend sein kann, sondern den Bedingungen der Zeit angepasst und gegebenenfalls erweitert werden muss.

Durch Behandlung im Unterricht vorausgesetzt werden die Reichsgründung Chlodwigs sowie die Bedeutung seines Übertritts zum römisch-katholischen Glauben, die Ablösung der Merowinger durch die Karolinger unter Pippin und die Rolle, die der Papst und die Legitimation durch die kirchliche Salbung spielten, sowie die Nachfolge Pippins durch seinen Sohn Karl den Großen. Im Mittelpunkt der letzten Stunde standen vor allem die kriegerischen Erweiterungen des Frankenreiches durch Karl den Großen sowie die z.T. damit verbundene missionarische Ausweitung des Christentums. Hieran schließt sich logisch die Frage nach der Erneuerung des weströmischen Kaisertums durch Karl den Großen an.

Der Einstieg in die Stunde erfolgt über ein Zitat aus den Lorscher Annalen, das mittels einer Folie an die Wand projiziert wird. Die Lorscher Annalen sind die einzige zeitgenössische Quellen, die eine argumentative Begründung für die Annahme des Kaisertitels liefert. Der Quellentext wurde verfremdet und enthält drei falsche Angaben. Die Schüler finden und korrigieren diese. Anschließend fassen sie den Inhalt der Quelle mit eigenen Worten zusammen. Um den gewählten Ausschnitt zu erklären, greifen die Schüler auf ihr Vorwissen zur Eroberungs- und Missionspolitik Karls des Großen zurück.

Ausgehend von der theoretischen Begründung für die Übernahme des Kaisernamens wird nun der eigentliche Krönungsakt näher in den Blick genommen, zu dem die Schüler zwei konträre Quellenberichte (aus dem Papstbuch und der Vita Einhards) als Hausaufgabe vorbereitet haben. Die unterschiedliche Darstellung der Vorgänge wird herausgearbeitet und mit der unterschiedlichen Perspektive der Verfasser begründet. Die Schüler bemerken, dass der von Einhard geschilderte Widerwille Karls gegen die Kaiserkrönung nicht zu dem eingangs festgestellten Streben Karls nach der Kaiserwürde zu passen scheint. Gegebenfalls kann die Glaubwürdigkeit Einhards durch einen kurzen Hinweis auf seine Stellung am Hof Karls durch die Lehrperson gestützt werden. Der offengelegte Widerspruch wird problematisiert, indem die Schüler Thesen aufstellen, was der Grund für die von Einhard in seinen Bericht eingefügte Missstimmung Karls sein könnte. Um das historische Verständnis der Schüler zu schulen, sollen sie auch selbst überlegen, wie sie ihre Thesen überprüfen können.

Die Schüler untersuchen nun in arbeitsgleicher Partnerarbeit die beiden im ersten Teil abgebildeten Münzen, wie sich der neue Kaiser selbst darstellen ließ und überprüfen daran ihre Hypothesen und korrigieren sie gegebenenfalls: Zunächst beschreiben die Schüler die Darstellung Karls als römischer Kaiser und Nachfolger Konstantins. Aus der sich daraus ergebenden Erkenntnis, dass Karl offensichtlich eine Erneuerung des weströmischen Kaisertums im Sinn hatte und in den vom ihm autorisierten Darstellungen jeglicher Hinweis auf die Rolle Papstes fehlt, schließen die Schüler, dass Karl vermutlich mit der Krönung durch den Papst nicht einverstanden gewesen ist.

Um die Frage zu klären, warum Karl dennoch die Kaiserkrönung durch den Papst akzeptiert hat, erfolgt der Rückgriff auf das eingangs besprochene Zitat der Lorscher Annalen. Im Vergleich mit der Legitimationsgrundlage für die in den Vorstunden behandelte Königsherrschaft Pippins (Namentheorie) erkennen die Schüler, dass Karl sich hier in die Tradition seines Vaters stellt und für die Übernahme und Akzeptanz des erneuerten Kaisertitels in der Machtsituation (Byzanz) und der mittelalterlichen Gesellschaft (Christentum) eine zusätzliche Legitimation benötigt.

Ein anschließender oder späterer Transfer ist möglich mit der Analyse einer bildlichen Darstellung der Zweigewaltenlehre oder Zweischwerterlehre, wie sie sich in den meisten Schulbüchern findet, die von einer harmonischen Herrschaft der geistlichen und weltlichen Gewalt ausgeht und bereits am Ende des 5. Jahrhunderts formuliert wurde. Die Schüler beschreiben die Abbildung und stellen aufgrund ihres Vorwissens die idealisierte Darstellung in Frage, indem sie Papst und Kaiser in Form von Sprechblasen ihre Gedanken sozusagen „in den Mund legen“. Leisten die Schüler diesen Transfer, wäre am Ende der Stunde noch einmal der Bogen zu einem Grundkonflikt der mittelalterlichen Geschichte geschlagen.

Vertiefend können, z.B. als Hausaufgabe, zwei Quellentexte zur wiederholten Kaiserkrönung Ludwigs des Frommen (813, 816) gelesen werden. Indem die Schüler eine Art Tagebucheintrag für Ludwig den Frommen verfassen, haben sie noch einmal Gelegenheit das Gelernte anzuwenden und halten fest, dass die Herausbildung des schwierigen Verhältnisses von Papst und Kaiser im Mittelalter nicht in einem punktuellen Ereignis begründet liegt, sondern Ergebnis einer langen Entwicklung mit offenem Ausgang war.

Unterrichtseinheit: Karl der Große – Teil 1

Münze Karls des Großen 812/814. Quelle: wikimedia commons

Karl der Große ist eine der bekanntesten Gestalten der mittelalterlichen Geschichte. Sein Reich steht mit Deutschland und Frankreich am Beginn mindestens zweier Nationalstaaten, die über Jahrhunderte sein Erbe reklamiert haben. Da sich bekanntermaßen jede Zeit ihr eigenes Bild von der Geschichte macht, werden heute seine Person und sein Werk abseits von nationalistischen Vereinnahmungen zunehmend in den Dienst der Europa-Idee gestellt und er selbst als „Vater Europas“ idealisiert.

So populär seine Person heute noch ist und das ganze Mittelalter schon hindurch war, so „selbstverständlich“ seine Behandlung im Geschichtsunterricht, so umfangreich die historischen Forschungen zu seiner Person und Zeit auch sind, so unklar und umstritten bleiben doch wesentliche Punkte der Vorgänge rund um seine Kaiserkrönung.

Fest steht, dass Karl am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde. Damit hatte Karl eine Stellung im Reich erlangt, wie sie seit den Tagen der weströmischen Kaiser kein Herrscher mehr im Westen der Christenheit erreicht hatte. Diese Wiederherstellung des römischen Kaisertitels durch Karl den Großen sollte die Grundlage für das abendländische Kaisertum bis 1806 – und darüber hinaus in zahlreichen Bezügen für das Kaisertum z.B. Napoleons oder Wilhelms I. – bilden. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Erneuerung des weströmischen Kaisertums – der renovatio romani imperii, wie die Aufschrift der Gold- und Bleibullen an den Urkunden Karls in den Jahren nach seiner Krönung verkünden – handelte, gilt es in dieser Stunde zu untersuchen.

Die Bedeutung der Ereignisse der Jahre 799 und 800 zeigt die Tatsache, dass uns mehrere zeitgenössische, erzählende Quellen umfassend über die Vorgänge berichten. Hinzu kommen zahlreiche Zeugnisse wie Siegel, Münzen und Abbildungen, die uns weitere Informationen über die Intentionen der Hauptakteure liefern. Die Vielfalt der überlieferten Zeugnisse sowie die divergierenden Deutungen der Forschung ermöglichen einen problemorientierten Zugang zur Thematik, so dass die Schüler durch die Interpretation ausgewählter Quellen zu einer eigenständig erarbeiteten Deutung gelangen können.

Vom Lehrplan ist die Behandlung Karls des Großen im Geschichtsunterricht der Oberstufe in Rheinland-Pfalz nicht mehr explizit vorgesehen. Die Behandlung des Mittelalters steht im Lehrplan unter dem Titel „Fremdheit und Nähe“. An der Andersartigkeit der Herrschaftslegitimation lässt sich die Fremdheit am vorliegenden Thema gut verdeutlichen. Gerade die Frage nach der Art der Legitimation von Herrschaft kann als grundsätzliche politische Fragestellung interessant sein. Neben dem allgemein gehaltenen „Überblick über die Zeit des Mittelalters“ sprechen für die Behandlung des Themas gemäß dem Lehrplan zudem die „zentrale Bedeutung der christlichen Lehre“ sowie der „Bedeutung des symbolischen Denkens“, die beide in exemplarischer Weise in der Erneuerung des Kaisertitels durch Karl zum Ausdruck kommen.

Konstantin I. ("der Große"). Quelle: wikimedia commons

Zentrales Element bei der Erneuerung des weströmischen Kaisertums durch Karl ist der zeitgleiche Rückgriff auf den antiken Titel und seine Aufladung mit einer neuen christlichen Bedeutung, die ihm seinen eigentlichen „mittelalterlichen Charakter“ verleiht. Karl stellt sich mit der Krönung durch den Papst in die Tradition seines Vaters Pippin, der seine Übernahme des Königtums von den Merowingern durch die Zustimmung des Papstes und die kirchliche Salbung legitimieren lässt (Übereinstimmung von Namen und Sache). Der spätere, das hohe Mittelalter prägende Kaiser-Papst-Konflikt ist hier im Verhältnis des karolingischen Königtums zum Papst im Kern schon angelegt.

Für eine problemorientierte Behandlung des Themas bietet der nur von Einhard überlieferte Unwille Karls angesichts der durchgeführten Zeremonie einen interessanten Ansatz. Die Forschung ist sich über eine Deutung nicht einig. Aus den nachfolgenden Zeugnissen lässt sich m.E. aber plausibel machen, dass Karl ein papstunabhängiges Kaisertum bevorzugt hätte. Das zeigt sich u.a. an den Münzen, die ihn in ganz traditioneller Weise als weströmischen Kaiser in der Nachfolge Konstantins präsentieren, als auch an der Krönung seines einzig überlebenden Sohnes Ludwig, des Frommen, durch ihn selbst 813, bei der er dezidiert an byzantinische Vorbilder anknüpft. Erst die wiederholte Krönung Ludwigs I. (816) und Lothars I. (823) durch den Papst sowie die Wiederaufnahme dieser Tradition durch Otto den Großen ließen das Vorhaben Karls scheitern.

Bei der Behandlung des vorliegenden Themas wären auch andere Schwerpunkte denkbar, z.B. könnte man stärker auf das sogenannte Zweikaiserproblem, d.h. auf das Konfliktpotential zu Byzanz eingehen, und die Bedeutung der letztendlichen Anerkennung durch den oströmischen Kaiser herausstreichen. Man könnte auch mehr Gewicht auf einen methodischen Zugang der Quelleninterpretation legen. Eine andere Möglichkeit wäre die Behandlung der renovatio imperii im größeren Zusammenhang der kulturellen und administrativen Neuerungen (u.a. Schriftreform, Untertaneneid, Gesetzgebung, Baukunst) im Frankenreich, die im künstlerischen Bereich auch als karolinigische Renaissance bezeichnet wird. Für eine Einzelstunde erscheint diese Fokussierung jedoch zu umfangreich.

Zu Teil 2 mit Vorschlägen für die methodische Umsetzung, einen möglichen Ablaufplan sowie Materialien geht es hier.

Einstieg in die Arbeit mit Schriftquellen

Aus meiner Erfahrung tendieren viele Schüler dazu, Quellen als eher „objektiv“ und Darstellungen als eher „subjektiv“ anzusehen. Um im Anfangsunterricht den Übergang zur Arbeit mit schriftlichen Quellen zu erleichtern und zugleich für einen kritischen Umgang mit Schriftzeugnissen zu sensibilisieren, hier ein möglicher Unterrichtsvorschlag:

Zum Einstieg schreiben die Schüler spontan zu Beginn der Stunde einen kurzen Bericht z.B. über die vorangegangene Geschichtsstunde oder ein andere gemeinsam erlebte Situation aus dem Schulalltag, wie das letzte Schulfest oder den ersten Schultag des Schuljahres. Daraus können sich auch interessante Fragen ergeben, was das denn mit Geschichte zu tun habe, wie „Geschichte“ gemacht wird und was historisch „bedeutsam“ ist.

Einige der Schülerberichte werden vorgelesen. Es stellt sich sehr schnell heraus, dass jeder Bericht andere Fakten nennt und andere Eindrücke schildert.In der anschließenden Diskussion werden die Gründe für die Unterschiede herausgearbeitet und schriftlich gesichert. Genannt werden u.a.:

– Vergessen aufgrund zeitlicher Distanz

– Andere Wahrnehmung desselben Ereignisses

– Unterschiedliche Interessen und Einschätzungen

– Positive Selbstdarstellung

Daran anschließen können sich allgemeine Reflexionen über die Möglichkeiten aus einem bzw. mehreren Berichten Rückschlüsse auf ein vergangenes Ereignis ziehen zu können. Hieraus lässt sich dann ein Erkenntnislernziel formulieren und festhalten, das die Schüler bei der weiteren Beschäftigung mit schriftlichen Quellen immer wieder anwenden können.

Die Unterrichtseinheit kann auf die Arbeit mit Bildquellen ausgeweitet werden, in dem Schüler als Hausaufgabe den Auftrag erhalten, bei der nächsten Schulveranstaltung Fotos zu machen, eines auszuwählen und in den Unterricht mitzubringen. An der Auswahl lassen sich wiederum Probleme der Überlieferung und der Perspektivität von Bildquellen sehr konkret und schülernah deutlich machen, die  dann als Transfer für die weitere Quellenarbeit im Unterricht zur Verfügung stehen.

Kritische Anmerkung zur Quellenarbeit im Geschichtsunterricht

Schulgeschichtsbücher enthalten in der Regel nur relativ kurze Quellenausschnitte, die mehr als Beleg denn als Arbeitsmaterial taugen. Sie sind in ihrer Aufbereitung und Auswahl nicht mit editierten oder gar unbearbeiteten Quellenfunden vergleichbar. Deshalb eignen sie sich kaum dazu, die historische Quellenarbeit einüben, wobei in der Geschichtsdidaktik zunehmend diskutiert wird, ob die starke Orientierung an Quellen und wissenschaftlichen Arbeitstechiken überhaupt für den Geschichtsunterricht adäquat sein kann (siehe auch hier das Eingangszitat und den Literaturhinweis) . Schließlich tritt den wenigsten Menschen Geschichte außerhalb von Schule und Universität in Form von Quellen entgegen als vielmehr in verschiedenen Ausgestaltungen der Geschichtskultur, also in Fernsehdokumentationen, Spielfilmen, Computerspielen, historischen Romanen, mittelalterlichen Märkten, Ausstellungen usw. Ich kann mich dem nur anschließen. Ich denke, die von Geschichtslehrern mittlerweile als selbstverständlich erachtete Quellenorientierung gilt es grundsätzlich zu überdenken. Damit ist keineswegs eine Absage an propädeutisch wissenschaftliches Arbeiten in der Schule intendiert. Für eine Teilhabe an der Geschichtskultur, die mehr ist als reiner Konsum ist, muss der Unterricht auch eben genau diese geschichtskulturellen Phänomene thematisieren und in viel stärkerem Maße berücksichtigen, als dies bisher geschieht.

wikipedia & google in der Schule

Für mich war es neu: wikimedia bietet für Schulen sogenannte „wikipedia-Aktionstage“ an. Schüler soll in 3-4 Unterrichtsstunden grundlegende Kenntnisse im Umgang mit wikipedia ermittelt werden, außerdem ist ein „Lehrermodul“ vorgesehen. Aufgrund der Zugriffszahlen hier im Blog auf andere Artikel zum Thema lässt sich sehen, dass wikipedia im (Geschichts-)Unterricht ein wichtiges Thema ist. Ich hab selbst noch keine Erfahrung, finde aber, das Angebot klingt interessant. In der Ausgabe 2/2009 von Computer und Unterricht findet sich ein überaus positiver Erfahrungsbericht. Den Artikel gibt es hier im pdf-Format zum Download.
Gibt es andere Erfahrungen mit dem Angebot von wikimedia? Hat jemand Einführungen/Schulungen in die Arbeit mit wikipedia an seiner Schule entwickelt, die gut funktioniert haben?
Update:  Gerade kam über twitter der Hinweis (@web20classroom) der Hinweis auf ein Angebot von google: fertige Unterrichtseinheiten und Präsentationen (auf Englisch) zu den verschiedenen Funktionen und zur Arbeit mit der google-Suche. Scheint mir auf den ersten Blick etwas kleinschrittig, aber es ist sicher eine gute Basis, um davon ausgehend, eigene Unterrichtseinheiten zur Internetrecherche mit google zu basteln.
Wer auf google lieber ganz verzichten möchte, sei auf den Artikel „Suchen im Internet ohne google“ verwiesen.