M, D oder Q?

Gestern habe ich auf den Schulbuchrezensionen auf edumeres gestöbert. Dabei bin ich über eine Kritik gestolpert, die ich so auch schon in Fachkonferenzen gehört habe: Das betreffende Schulbuch wurde Quellen und Darstellungen „undifferenziert“ als „Materialien“ darbieten. Dabei sei es aber eigentlich wichtig, dass Schülerinnen und Schüler auch schon in der Sekundarstufe I diesen grundlegenden Unterschied begreifen und erlernen.

Ist das nun wirklich ein Fehler, dass viele Schulbücher „M“ statt „D“ und „Q“ schreiben? Eigentlich ist doch der Zugang zu Texten und Bildern stark abhängig von der Fragestellung. Die Zuordnung als Quelle oder Darstellung ist in vielen Fällen alles andere als eindeutig. Und selbst, wenn man sich für die Eindeutigkeit einer entsprechenden Kennzeichnung entscheidet: „Lernen“ Schülerinnen und Schüler diese Unterscheidung selbst vorzunehmen?

Das scheint mir viel eher gegeben, wenn ich das, ohne dass es durch das Buch markiert und vorgegeben ist, im Unterricht thematisieren, diskutieren und begründen lassen kann, ob es sich bei dem vorliegenden Material um eine Quelle oder eine Darstellung handelt. Das ist sicher nicht in jeder Stunde notwendig, aber wenn man dies an verschiedenen Materialien im Lauf des Schuljahrs immer wieder diskutiert, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass hierfür ein tiefergehendes Verständnis wächst. Nur das Lesen einer vorgegebenen Einordnung wird das nicht leisten.

Insofern könnte man im Sinne der Arbeit mit dem Schulbuch eher davon sprechen, dass die Kennzeichnung aller Materialien mit einem „M“ positiv zu bewerten ist. Offen bleibt allerdings noch die Frage nach den Verfassertexten: Das sind von den Schulbuchautoren verfasste Darstellungen. Eigentlich sollten sie im Unterricht auch methodisch als solche behandelt werden. Arbeitsanregungen für einen derartigen Umgang mit den Verfassertexten fehlen – soweit ich das sehe – noch in den aktuellen Schulgeschichtsbüchern. Man findet sie aber z.B. im Buch Schulbucharbeit von Bernd Schönemann und Holger Thünemann.

Rezension: Schulbucharbeit

Bernd Schönemann / Holger Thünemann, Schulbucharbeit. Das Geschichtslehrbuch in der Unterrichtspraxis, Schwalbach/Ts. 2010.

Die Enttäuschung zunächst einmal vorne weg: Das Buch bietet viel weniger Praxisbezug als der Untertitel suggeriert. Von den insgesamt rund 190 Seiten sind weniger als 60 der konkreten Arbeit mit dem Schulbuch im Unterricht gewidmet. Der Hauptteil des Textes ist Strukturmerkmalen, Kategorisierung, Typologien, ökonomischen und gesellschaftlichen Bezügen und der Geschichte von Schulbüchern gewidmet. Ein Kapitel bietet zudem einen Überblick zur Schulbuchforschungt. Die wenigen Abbildungen aus Schulgeschichtsbüchern sind so klein gedruckt, dass sie im Buch kaum zu lesen sind und damit auch für eine mögliche praktische Weiterverwendung im Unterricht oder der Lehrerfortbildung nicht geeignet sind.

Einige gelungene Unterrichtsanregungen lassen sich dem Buch für die Praxis dennoch entnehmen: Hervorzuheben ist hier die Idee der „kritische[n] Schulbucharbeit“, in der „das Schulbuch als Lernmedium in Frage gestellt [und] seine Narrationen analysiert und mit anderen historischen Deutungsangeboten verglichen werden.“ (S. 136) Angesichts der Schwierigkeit und Komplexität ist dies wohl etwas für den Unterricht am Gymnasium und selbst dort tendenziell eher für die Oberstufe. Gut finde ich die Idee,  einzelne Darstellungen oder Kapitel des eingesetzten Lehrwerks nicht nur synchron, sondern auch diachron mit anderen Schulgeschichtsbüchern zu vergleichen.

Der Rest des „Praxisteils“ behandelt im Wesentlichen die Arbeit mit Schulbüchern als „Informationsentnahme durch Reorganisation“ (S. 143). Damit ist die Umwandlung von einer Form der Darstellung in eine andere gemeint, also z.B. einen schriftlichen Text in Form von Statistiken oder Schaubildern zu visualisieren oder umgekehrt diese Darstellungsformen aus dem Schulbuch zu verbalisieren bzw. daraus Tabellen, Zeitleisten und Mindmaps erstellen. Dies soll „eine intensive Auseinandersetzung mit bestimmen historischen Materialien“ anbahnen. (S. 155)

Wem das neu ist und innovativ erscheint oder wer sich für Theorie und Forschung zu Schulgeschichtsbüchern interessiert, der möge das Buch kaufen. Ansonsten bleibt noch hinzuzufügen, dass zumindest mir persönlich im abschließenden Teil zu „lehr-lernmethodische[n] Formen des Schulbucheinsatzes im Geschichtsunterricht“ ein Anknüpfen an die Fragen der Kompetenzorientierung fehlt.