Mobiles Geschichtslernen: App in die Geschichte online

2014-04-24_005634So sieht sie aus die Startseite der „App in die Geschichte“. Das Konzept hatte ich hier im Blog Ende September bereits kurz vorgestellt. Zur Nutzung durch Schule und Archive steht nun ein erster, in seinen Funktionen reduzierter, aber voll einsatzfähiger Prototyp zur Verfügung. Die „App in die Geschichte“ ist der bisher, soweit ich sehe, erstmalige und bislang auch einmalige Versuch, mobiles Lernen mit digitalisierten Quellen aus Lokal- und Regionalarchiven zu verbinden, speziell für den schulischen Geschichtsunterricht eine eigene Anwendung dafür zu entwickeln und kostenlos bereitzustellen. Zum Vergleich, was es für Apps im Bereich Geschichte bislang gibt, sei auf den Überblicksbeitrag von Kristin Oswald sowie die Beiträge von Studierenden im Blog geschichte zwopunktnull verwiesen.

Die „App in die Geschichte“ hat in hohem Maße explorativen Charakter, weswegen wir auf Kritik und Rückmeldungen angewiesen sind, um das Angebot zu verbessern und weiterzuentwickeln. Wir sprechen zwar von „App“, präziser formuliert handelt es sich bei dem Programm um eine Web-Applikation oder WebApp. Diese kann über jeden Webbrowser aufgerufen werden und passt sich in der Darstellung je nach verwendetem Gerät optisch an. So ist die GeschichtsApp sowohl über einen PC, zum Beispiel im Computerraum der Schule, als auch mobile über kleine Smartphone-Bildschirme gut nutzbar. Es braucht keinerlei Installation oder Download aus einem „App“-Laden, was aus Schülersicht vielleicht weniger „cool“ ist, aber die schulische Nutzung vermutlich vereinfacht, da keine Administratorenrechte auf den verwendeten Geräten benötigt wird.

Die App in die Geschichte findet sich unter: http://app-in-die-geschichte.de/

Die Anwendung umfasst ein „Archiv“ für digitalisierte Quellen, das frei, d.h. ohne Anmeldung, zugänglich ist und zur Zeit fast 80.000 Digitalisate unter CC- und PD-Lizenz enthält. Nach Anmeldung sind darüber hinaus das Mapping Game, das Tagging Game sowie eine Zeitleistenfunktion nutzbar. Für Archive und Schulen haben wir einen Reader (PDF Download) erstellt, der die grundlegenden Funktionen erklärt und erste Ideen für mögliche Unterrichtszenarien liefert. Am Ende der Handreichung findet sich auch eine Anleitung zur Registrierung als Lehrkraft. Für Archivare oder Archivpädagogen gibt es eine eigene Handreichung mit kurzer Information zu Nutzen und Registrierung (PDF Download).

Soweit ich das überblicke, bietet die GeschichtsApp als erste ein Werkzeug zur Erstellung digitaler Zeitleisten auf Deutsch. Alle übrigen Angebote wie xtimeline etc. sind englisch- oder französischsprachig. Für den Geschichtsunterricht gerade mit jüngeren Lernenden kann ein deutschsprachiges Angebot hilfreich sein. Die spielerischen Elemente wie auch die Highscore sollen gleichfalls eher jüngere Lernende ansprechen und zur Auseinandersetzung mit historischen Inhalten motivieren. Ob das gelingt, ist zu prüfen. Parallel zur Testphase läuft in zwei Klassen eine Befragung von Schülerinnen und Schülern.

Die übrigen Funktionen stellen einen ersten Versuch dar, Angebote mobilen Geschichtslernens besonders für den Schulbereich zu gestalten. Das ist alles andere als perfekt. Weitere konzipierte Funktionen, vor allem zum digital storytelling, konnten wir bislang mit der verfügbaren Finanzierung noch nicht umsetzen.

Vom ersten Treffen über die Konzeptentwicklung und Umsetzung bis zum jetzigen Zeitpunkt ist weniger als ein Jahr vergangen, was nur dank der hervorragenden Zusammenarbeit aller beteiligten Partner möglich war. Das allererste Treffen hat Mitte Mai 2013 im Stadtarchiv Koblenz stattgefunden, vor etwas mehr als einem Monat haben wir bei einem Seminar im Bundesarchiv in Koblenz den Prototypen in kleiner Runde vorgestellt und diskutiert.

Im Nachgang haben die Programmierer zumindest noch einen Teil der Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge umsetzen können. Die übrigen haben wir notiert und hoffen zu einem späteren Zeitpunkt nachbessern zu können. Die Finanzierung ist nun ausgelaufen. Bis mindestens September steht die Anwendung online. Sie ist für alle Nutzer kosten- und werbefrei. Für die Nutzung und vor allem die Weiterentwicklung über September hinaus suchen wir zur Zeit nach Konzepten und vor allem nach einer Finanzierung. Das ist im Bildungsbereich schwierig.

Ein ersten Lichtblick in dieser Hinsicht gibt es seit heute: Unsere Bewerbung beim Europeana Creative Challenge hat es in die Endrunde geschafft! Kommenden Dienstag werden fünf vom Veranstalter vorausgewählte Projekte in Brüssel im Bereich “history education” vorgestellt. Anschließend wird die Jury entscheiden, eines davon durch ein Beratungs- und Coachingpaket zu unterstützen. Herr Dr. Müller wird unser Projekt vor Ort vertreten. Ich bin sehr gespannt und drücke die Daumen für eine erfolgreiche Präsentation!

Weiterlesen ausführlich: Funktionen und Unterrichtsideen

Weiterlesen Kurzfassung: Die GeschichtsApp ausprobieren – Kurzanleitung und erste Schritte

Unterrichtsmaterial: ein Denkmal aus dem Kaiserreich wieder aufbauen?

Es ist nicht das erste Denkmal, das in Koblenz wieder errichtet wird. Bereits 1993 wurde Kaiser Wilhelm I. samt Pferd wieder auf das Denkmal am Deutschen Eck gehievt. Im letzten Jahr enstand der Weinbrunnen von 1928 wieder vor dem Weindorf in den Rheinanlagen (siehe Bilder). So unpolitisch harmlos, wie der Name vermuten lässt, ist der Brunnen keineswegs, so steht zussammenfassend in der Wikipedia:

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„Deutsche Heldenkraft“

Der Brunnentrog ist mir vier Reliefs aus dem Heldenepos der Nibelungensage versehen. Zusätzlich ist folgender Trinkspruch auf Siegfried angebracht, der aus dem Gedicht „Rheinsage“ von Emanuel Geibel stammt: „Wir aber füllen die Römer und trinken im goldenen Saft uns deutsches Heldenfeuer und deutsche Heldenkraft.“ Herbert Dellwing und Udo Liessem zufolge ist „die Plastik […] gleichzeitig als Hinweis auf die erwartete Befreiung von der französischen Besatzung zu verstehen und damit politisch zu interpretieren

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„Deutsches Heldenfeuer“

Nun soll in diesem Jahr das sogenannte Barbara-Denkmal auf dem Friedrich-Ebert (früher: Kaiser-Wilhelm) Ring neu aufgestellt werden. Auch hier verdeckt der Name, dass es sich eigentlich um ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen eines Artillerie-Regiments handelt. Das Regiment wurde 1920 aufgelöst, hat aber heute in Koblenz einen eigenen „Living history“-Verein. Für den Geschichtsunterricht kann dies als Anlass genutzt werden, um das Thema aufzugreifen. Die dabei zu diskutierenden Fragen scheinen mir auch über Koblenz hinaus für Schulen interessant, wobei natürlich – sofern vorhanden – regionale Beispiele für Schülerinnen und Schüler vermutlich interessanter sind. Der unten beschriebene Einstieg müsste bei einer Übernahme des Themas außerhalb von Koblenz auch entsprechend verändert werden.

Unterrichtsablauf und -material:

Ausgangspunkt des Unterrichts war zunächst eine Verortung des historischen Standorts des Barbara-Denkmals. Dazu wurde die Anwendung „App in die Geschichte“ genutzt. Die Schülerinnen und Schüler hatten zwei der hier wiedergegebenen Aufnahmen dort abgebildet und vorbereitend die Aufgabe, den Ort im heutigen Stadtbild wiederzufinden und möglichst in gleicher Perspektive wie die Originalaufnahme, ein Foto des heutigen Ortes zur Zeit noch ohne Denkmalrekonstruktion zu machen.

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Mit Hilfe der Fotos erfolgte eine Einordnung des Standorts innerhalb des Stadbildes sowie eine Beschreibung des Denkmals. Verschiedene Texte (Word-Datei) des Vereins der Freunde und Förderer des Denkmals, der Bundeswehr sowie der Rhein-Zeitung waren Grundlage der Erarbeitungsphase. Aufgrund des Umfangs der Texte ist eine arbeitsteilige Gruppenarbeit sinnvoll. Die Arbeitsaufträge lauteten wie folgt:

1) Arbeitet heraus, wie a) die Aussage des Denkmals beschrieben und b) die Wiedererrichtung begründet wird.

2) Ermittelt die (gesellschaftlichen) Gruppen, die sich für eine Wiedererrichtung des Denkmals engagieren (Website des Vereins der Freunde und Förderer http://www.vff-barbara.de/).

3) Formuliert einen zustimmenden oder ablehnenden Leserbrief zur Wiedererrichtung des Denkmals.

Die Texte liefern die notwendigen Informationen für die Rahmenbedinungen (Ort, Gruppen, Finanzierung etc.). Das Denkmal eignet sich für den Unterricht besonders deshalb, weil die Frage nach der Wiederrichtung eine offene Frage ist. Die Gestaltung des Koblenzer Barbara-Denkmals ist im Vergleich zu anderen Denkmälern des Kaiserreichs tatsächlich eher ungewöhnlich. Anders als bei eindeutig militaristischen Denkmälern kann bei dem gewählten sowohl eine zustimmende wie ablehnende Positionierung gut begründet und vertreten werden. Allerdings hat es, soweit ich das überblicke, in Koblenz weder zum Weinbrunnen noch zum Barbara-Denkmal eine kontroverse öffentliche Diskussion bezüglich ihrer Wiedererrichtung gegeben.

Ausgehend von den Leserbriefen der Schülerinnen und Schüler steht abschließend eine Diskussion zu der im Titel des Beitrags formulierten Frage. Der dritte Arbeitsauftrag lässt statt eines „Leserbriefs“ auch die Formulierung eines Online-Kommentars zu bzw. kann entsprechend umformuliert werden.

Im Kurs wurden Zustimmung und Ablehnung überaus kontrovers und engagiert diskutiert. Während die Zustimmung gegebenenfalls nur die Bejahung der in den Texten vorhandenen Begründungen verlangt, müssen für eine Ablehnung weitere Argumente gefunden, belegt und vertreten werden. Ein Schüler hat seine Sicht als Kommentar bei einem Artikel der Rhein-Zeitung zur Wiedererrichtung des Barbara-Denkmals veröffentlicht. Sein Kommentar kann als Orientierung für einen möglichen Erwartungshorizont einer ablehnenden Position dienen.

Weitere Diskussionspunkte waren übrigens, die Veränderungen von Städten und die Frage danach was erhaltens- oder sogar rekonstruktionswürdig ist sowie besonders der Punkt, dass das Barbara-Denkmal sich nicht unbedingt als Friedensdenkmal erschließt, sondern der Erklärung und Vermittlung bedarf. Wenn es um die Errichtung eines Friedensdenkmals geht, warum lässt man dann nicht ein neues bauen, dass sich heutiger Formensprache bedient und damit für die Vorbeigehenden einfacher verständlich ist?

Taxonomie von GeschichtsApps

Am Freitag haben wir im Bundesarchiv in geschlossenem Teilnehmerkreis den Prototyp der GeschichtsApp „App in die Geschichte“ (Link zu Projektpartnern und Konzept) vorgestellt und diskutiert. Die Folien der Präsentation geben den aktuellen Stand des Projekts wieder:

Aufgrund einer kurzfristig, leider krankheitsbedingten Absage habe ich spontan versucht, die Lücke zu füllen und einen Überblick über vorhandene „GeschichtsApps“ zu geben. Dazu habe ich Kategorien gesucht, um die Apps zu unterteilen und dadurch Typen herauszuarbeiten zu können, die sich exemplarisch vorstellen ließen, da die Menge an historischen Angeboten im App-Bereich mittlerweile recht umfangreich geworden ist. Dabei wurde mir schnell klar, dass es viele Mischformen und Schnittmengen gibt und die Kategorien nicht trennscharf sind.

Zuvor stellte sich allerdings die Frage: Was sind eigentlich „Geschichts-Apps“?

  • Ist die App eines historischen Museums, die auf Öffnungszeiten hinweist und eine Überblick über die Dauer- sowie Sonderausstellungen gibt, bereits eine „Geschichts-App“?

Im ersten Fall würde man unter Einschränkung vielleicht noch zustimmen, im zweiten sicher nicht mehr. Es sei denn, die App zur Bildanalyse wäre eventuell gekoppelt mit einer Bilddatenbank, die historische Fotos, Abbildungen von Gemälden und digitalisierte Karikaturen bereitstellte. Eine App ist also vermutlich nur dann eine „Geschichts-App“, wenn sie in irgendeiner Form historische Inhalte umfasst.

Die Frage danach, wodurch und wie sich die bisherigen GeschichtsApps voneinander unterscheiden, ist schwieriger zu beantworten. Ich habe versucht, dass sowohl über technische wie über didaktische Dimensionen zu strukturieren. Zunächst gibt es ein technisches Kriterium. Zu unterscheiden wären:

1) (Internetseiten -) Web-Apps – native Apps

Reine Webseiten werden zunehmend selten, sind eigentlich keine Apps und werden in der Folge nicht weiter berücksichtigt, obwohl einige der Kategorien auch hier anwendbar wären.

Wenn man von Apps spricht, meint man entweder mobile Internetseiten, sogenannte Web-Apps, die über den Browser aufrufbar sind und ihre Darstellung je nach Abrufgerät (Smartphone, Tablet, PC) automatisch optimieren. Davon zu unterscheiden sind native Apps, die – vereinfacht gesagt – im App-Laden des jeweiligen Anbieters heruntergeladen werden können.

2) Rezeption – Georefenzierung – Kommunikation/Produktion

Die gesichteten Angebote unterscheiden sich darüber hinaus, darin dass einige Inhalte nur zur Rezeption bereitstellen (z.B. Caracalla-App). Einen Schritt gehen Apps, die ihre Inhalte mit Geodaten verknüpfen und sie so zusätzlich oder auch ausschließlich an einem Ort abrufbar machen (z.B. Mauer-App der BpB). Am komplexesten sind Apps, die zusätzlich die Kommunikation zwischen den Nutzern und/oder das Einstellen eigener Inhalte erlauben. Dabei ist eine große Bandbreite denkbar, von einfache Likes und Bewertungen über Kommentare bis hin zu umfangreicheren Produkten wie z.B. selbst erstellten Zeitleisten.

3) statisch – interaktiv – kollaborativ

Die drei Punkte weisen eine hohe Schnittmenge mit den vorangehenden Kategorien auf, sind aber dennoch nicht ganz deckungsgleich. Statische Apps bieten Inhalte an, die nicht verändert werden können. Weiter gehen Apps, die „Interaktivität“ erlauben, wobei die Bandbreite „interaktiv“ sehr breit gespannt ist. (Danke an Ulf Kerber für den Hinweis auf den Ansatz von Rolf Schulmeister zur Skalierung von Interaktivität – PDF). Auf der letzten Stufe stehen kollaborative Umgebungen, die das gemeinsame Schreiben, Bearbeiten oder Verändern ermöglichen.

4) thematisch – institutionell – räumlich

Die genannten drei Kriterien treten nach meiner Beobachtung selten einzeln auf, erlauben aber dennoch spezielle GeschichtsApps weiter zu differenzieren. Einige Apps beschäftigen sich mit einem spezifischen historischen Thema oder basieren auf einem methodischen Ansatz. Die eingangs erwähnten Museums-Apps sind klar institutionell ausgerichtet. Andere Museen-Apps folgen mehr einem institutionellen Ansatz, in dem sie Besuchern Informationen zum Museum selbst und den Exponaten bereitstellen. Schließlich gibt es GeschichtsApps, die sich ausschließlich mit einem begrenzten historischen Raum befassen. Um das noch einmal an der Mauer-App der BpB aufzuschlüsseln, diese ist sowohl thematisch (Geschichte der Mauer von 1961-1990) wie auch räumlich (Berlin) orientiert.

5)  erklärend – entdeckend – forschend

Als Lernangebote sind Apps, die Inhalte zur Rezeption anbieten, rein erklärend. Die Macher der App bereiten einen historischen Inhalte mehr oder weniger verständlich auf.Andere ermöglichen entdeckendes Lernen, in dem sie den Nutzer zu Orten schicken, die untersucht und wo Fragen beatwortet werden können. Auch die Seiten des US Nationalarchivs können je nach Einsatz zu selbstständigem entdeckendem Lernen mit digitalisierten Quellen genutzt werden. Apps, die einen großen Fundus noch nicht aufbereiteter und nicht didaktisierter Digitalisate bereitstellen und Werkzeuge zu deren Analyse und Auswertung können darüber hinaus sogar zum forschenden Lernen genutzt werden.

6) Öffentlichkeit – verschiedene Gruppen – Nutzerkreis

Schließlich unterscheiden sich Apps im Hinblick auf ihre Konzeption für unterschiedliche Nutzergruppen. Viele Apps zielen auf die „allgemeine Öffentlichkeit“, weil nur eine App erstellt wird, die für alle da sein soll. Das Problem ist, dass dafür eigentlich keine adäquate Inhaltsaufbereitung erfolgen kann, weil z.B. Texte zugleich für einige Nutzer zu wenig informativ, für andere schon unverständlich komplex oder abstrakt sein können. Möglichkeiten bieten hier einfache interaktive Elemente, die das Hinzuschalten weiterer Informationen ermöglichen oder das Einblenden von Schlüsselwörtern, um die Texterschließung zu vereinfachen.

Apps können aber auch für mehrere verschiedene Nutzergruppen konzipiert sein, z.B. für Schüler aller Altersstufen und Schulformen. Noch spezieller ist die Erstellung von Angeboten für einen engeren Nutzerkreis, wie z.B. Grundschüler der 3. und 4. Klassen. Auch hier gibt es noch genügend Unterschiede, die Fokussierung erlaubt aber ein zielgruppenspezifischere Gestaltung des Angebots, wobei nie ausgeschlossen ist, dass auch für andere Nutzergruppen interessant ist. Wie auch immer: GeschichtsApps lassen sich auf jeden Fall nach unterschiedlichen Zielgruppen differenzieren.

Wohl wissend, dass die obige Auflistung weder vollständig noch abschließend ist, möchte ich sie hier zur Diskussion und – sofern sinnvoll – zur Weiterentwicklung und Präzisierung zur Verfügung stellen. Aus dem Plenum des Seminars kamen bereits zwei ergänzende Vorschläge, die aus Nutzerperspektive besonders relevant scheinen:

7) kostenlos – einmalige Bezahlung – Abo-Modell

8) Inhalte nur online verfügbar – teilweise auch auf dem eigenen Gerät speicherbar und damit offline verfügbar – die kompletten Inhalten sind auch offline verfügbar

Mobiles Lernen vor 60 Jahren: Der Späher

20131003_173557Bevor wir morgen in kleinem Kreis die GeschichtsApp im Bundesarchiv vorstellen und diskutieren, anbei ein Hinweis, den ich Herrn Müller verdanke, mit dem ich in den letzten Monat sehr intensiv bei der Entwicklung der Web-App zusammengearbeitet habe.

Mobiles Lernen ist eines der ganz großes Themen im Bildungsbereich im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Endgeräte (siehe z.B. zuletzt die Mobile Learning Week der UNESCO). Natürlich haben sich durch die Digitalität die Rahmenbedingungen verschoben, trotzdem fand ich den Fund interessant, der zeigt, wie alt die didaktischen Ideen die nun wieder oder neu erfunden werden, eigentlich schon sind.

„Der Späher“ war Serie von Heftchen für Kinder, die zur ab 1953 erscheinenden, „Sternchen“ genannten Kinderbeilage des 1948 gegründeten Stern herausgegeben wurden. Die Hefte erschienen Mitte der 1950er Jahre. Im Netz finden sich nur wenige Informationen dazu. Hinweise auf weitere Infos sind willkommen.

Die Heft sind so angelegt, dass Kinder selbst ihre Lebensumwelt selbstständig entdecken und ihre Entdeckungen im Heft dokumentieren können. Das Ganze ist zudem verpackt in eine kleine ausgedachte Rahmengeschichte:

20131003_173638Das vorliegende Heft zielte besonders auf Architektur- und Kunstgeschichte. So werden z.B. Romanik und Gotik erklärt. Im Wohnort sollten dafür dann Beispiel gesucht werden und mit Name und Adresse des Gebäudes im Heft notiert.

Sehr spannend fand ich die letzte Seite des Hefts, die für mich die Mentalität der 1950er Jahre widerspiegelt. Vater, Mutter oder Lehrer sollen die Eintragungen im Heft prüfen! Es leben die familiären und schulischen Autoritäten.Das erinnert mich an eine beliebte spanische Fernsehserie, die in der Zeit ab 1969, also noch unter der Franco-Diktatur, beginnt. Der Vater hat das Konversationslexikon der Familie im Kleiderschrank des Schlafzimmers (!) versteckt, wo er immer wieder mal nachschaut, wenn er seine Kinder mit Wissen beeindrucken möchte oder diese mit ihm unbekannten Begriffen aus der Schule kommen.

Ganz im Sinne der Gamification gibt es im Späher verschiedene „Level“, in denen der Spieler unterschiedliche Titel je nach erreichter Punktzahl erwerben kann und in der Hierarchie der „Späher“-Gemeinschaft aufsteigen kann. Bei Zusendung an der Stern winken sogar externe Belohnungen in Form einer „Ehrennadel“.

Ein spannender Fund, der beispielhaft zeigt, nur weil es digital ist, ist längst nicht alles neu 😉

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App in die Geschichte

In Kooperation mit der Internationalen Akademie für Innovative Pädagogik (INA) gGmbH an der FU in Berlin haben wir in den letzten, sehr arbeitsintensiven Monaten das Konzept einer speziellen App für den Geschichtsunterricht entwickelt. Im Unterschied zu allen uns bekannten Apps geht es bei dem Projekt nicht um ein weiteres Angebot von Geschichtsdarstellungen für mobile Geräte.

Vielmehr sollen die mobilen Endgeräte mit ihren verschiedenen Funktionen zu Werkzeugen für das historisches Lernen werden, dieses unterstützen und damit helfen den Geschichtsunterricht in mehrfacher Hinsicht (u.a. inhaltlich, methodisch und räumlich) zu öffnen. Die App ist so konzipiert, dass Schülerinnen und Schüler sie inner- und außerhalb der Schule zum selbstständigen, entdeckenden und kollaborativen Lernen und Arbeiten nutzen können, sie aber auch phasenweise als Ergänzung zur Arbeit mit dem Schulbuch im Unterricht durch eine Lehrkraft eingesetzt werden kann. Mit dem Schwerpunkt der Arbeit mit digitalisierten lokalen und regionalen Archivalien bietet die App darüber hinaus einen innovativen Ansatz für die Archivpädagogik.

Die Grundfinanzierung für den Prototyp steht, der Programmierer ist beauftragt. Das Ergebnis wird ein Open Source-Produkt sein. Nun wird das Konzept am Donnerstag erstmals öffentlich vorgestellt bei der Konferenz „Zukunft gestalten – 40 Jahre Situationsansatz“. Ab Februar soll die Online-Anwendung pilotiert werden mit einer Erprobung u.a. in der BYOD-Klasse des Eichendorff-Gymnasiums und nach und nach für mehr Schulen zur Verfügung stehen. Die Folien für meinen Kurzvortrag auf der Tagung, der das Konzept umreisst, stelle ich hiermit vorab in das Blog und freue mich über konstruktives Feedback.