Zeitschrift Geschichte Lernen 159/160: Historisches Lernen mit digitalen Medien

Photo by turkletom CC BY 2.0

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Kurzer Hinweis auf eine neue Veröffentlichung im Friedrich-Verlag: Am 17. Mai erscheint in der Zeitschrift Geschichte Lernen mit dem Doppelheft 159/160 eine Ausgabe speziell zum historischen Lernen mit digitalen Medien, die ich als Gastherausgeber betreuen durfte.

Das Heft bietet eine Vielfalt verschiedener Ansätze mit hoffentlich anregenden Ideen für die schulische Unterrichtspraxis. Dank geht an die Autoren, die mit ihren Beiträgen unterschiedliche Zugänge und Einsatzmöglichkeiten für die Arbeit mit digitalen Medien im Geschichtsunterricht aufzeigen. So finden sich im Heft u.a. Beiträge

  • zur Visualisierung von archäologischen Funden als 3D-Modelle mit SketchUp
  • zum kollaborativen Schreiben mit Etherpads
  • zu digitalen Fotostorys
  • zum Einsatz von Interaktiven Whiteboards im Geschichtsunterricht
  • zur Dekonstruktion von Geschichtsdarstellungen des Zeitzeugenportals „Gedächtnis der Nation“
  • zur kritischen Auseindersetzung mit Geschichte in Online-Foren
  • zur Arbeit mit WebQuests
  • zu virtuellen Exkursionen mit Streetview

Inhaltsverzeichnis mit Übersicht über die Praxisbeiträge als PDF.

 

App in die Geschichte – Funktionen und Unterrichtsideen 3: Tagging Game

Zum Gewinnen hat es heute bei der Europeana Creative Challenge im Bereich history education leider nicht gereicht. Wenn man sich die beiden Gewinner anschaut (trimaps und Zeitfenster), dann muss man anerkennen, dass die Webpräsenzen deutlich professioneller und flotter wirken als unsere. Wenn man die die ausgezeichneten Apps mit unserem Projekt vergleicht, dann wird klar, dass trotz des geringeren Funktionsumfangs andere Kriterien (Vermarktung, Übertragbarkeit auf andere Anwendungsbereiche, Wissensvermittlung) vermutlich stärker gewogen haben als unsere Schwerpunkte (Selbsttätigkeit der Lernenden, kollaboratives Lernen, explizit geschichtsdidaktischer Ansatz, Plattformunabhängigkeit, OER). Es war letztendlich wohl etwas anderes gesucht, als wir im Angebot haben.

Wie auch immer, nach dem Wettbewerb heißt es weiterdenken. Nun steht die Suche nach Alternativen auf dem Programm, um zum einen den existieren Prototypen auch über September hinaus zur Nutzung anbieten zu könenn und zum anderen die vorhandene Funktionen in der Usability verbessern und die App um weitere Funktionen erweitern und weiterentwickeln zu können. Hier zunächst eine kurze Beschreibung des Tagging Games und erste Ideen, wie dieses im Geschichtsunterricht eingesetzt werden könnte:

Die digitalisierten Quellen werden ohne Schlagworte in das App-Archiv übernommen. Das eröffnet die Möglichkeit, dass die Nutzer die Quellen selbst verschlagworten (engl. to tag). Um eine Quelle zu verschlagworten, ist eine genaue Beobachtung des Bildes bzw. ein Verständnis des Textes notwendig. Die Verschlagwortung erfolgt in zwei Etappen: Zunächst können beliebig viele Vorschläge für Schlagworte eingegeben werden. Fünf Quellen werden jeweils für eine Minute eingeblendet. Wird ein Schlagwort vom System als zutreffend erkannt, erhält der Nutzer dafür Punkte für die Highscore.

Sobald einer Quelle fünf als „richtig erkannte“ Schlagworte zugeordnet sind, erscheint sie nur noch im Tabu-Spiel, wo sie weiter verschlagwortet wird. Nun werden die bereits existierenden Schlagworte angezeigt und dürfen nicht mehr eingegeben werden. Auch hier gibt es für weitere richtige Schlagworte Highscore-Punkte. Die vergebenenen Schlagworte werden den Quellen dauerhaft zugeordnet und sind fortan auch über die Suchfunktion im App-Archiv nutzbar. Da die Schlagworte von allen Nutzern vergeben werden, können sich auch Fehler einschleichen, z.B. weil ausprobiert wird, ob auch „Schlumpf“ als Schlagwort akzeptiert wird, Symbole nicht richtig gedeutet werden oder die Fachbegriffe fehlen und so z.B. bei Bildern aus dem Zweiten Weltkrieg das Schlagwort „Bundeswehr“ eingegeben wird.

Für fehlerhafte Schlagworte gibt es einen Meldebutton. Es folgt eine interne Nachricht an die Lehrkraft des Lernenden, der den Meldebutton genutzt hat. Die Lehrkraft muss nun einschätzen, ob es sich um ein richtiges oder nicht zutreffendes Schlagwort für die Quelle handelt und kann das Schlagwort gegebenenfalls komplett aus dem System löschen. Für nachträglich gelöschte Schlagworte werden auch bereits vergebene Highscore-Punkte abgezogen. Hingegen erhalten die Schülerinnen und Schüler, die ein falsches Schlagwort erkannt und gemeldet haben, einen Zusatzpunkt.

Die Funktion dient dem spielerischen Üben möglichst präziser Bild- und Dokumentbetrachtung. Gefördert werden soll zudem das Wiedererkennen von Personen, Bauten und die wiederholende Festigung von Fachbegriffen. Das selbstständige Verschlagworten kann das Verständnis von grundlegenden wissenschaftlichen Arbeitstechniken wie Ordnen und Strukturieren unterstützen. Zudem fördert das Schlagwortfinden die Recherchekompetenz der Schülerinnen und Schüler z.B. im Hinblick auf die Nutzung von Online-Suchmaschinen oder Bibliothekskatalogen. Als falsch gemeldete Schlagworte können als Lernanlass aufgegriffen und im Plenum am konkreten Beispiel diskutiert werden. Es ist sinnvoll, dass Lernende bereits Erfahrungen mit Bildbetrachtungen und -beschreibungen vor dem Spielen gesammelt haben.

Die Arbeit mit dem Tagging Game eignet sich als Vorbereitung der Analyse von zuvor verschlagworteten Quellen. Es kann aber auch eingesetzt werden, um zum Abschluss einer Unterrichtsreihe an einer Auswahl von Quellen neu kennengelernte Begriffe und Personen zu wiederholen und zu festigen. Darüber hinaus ist es als spielerische Übung zwischendurch geeignet, um den Unterricht aufzulockern und genaue Bildbetrachtungen zu trainieren.

Ebenso lässt sich mit bereits durch andere Lernende verschlagwortete Quellen arbeiten. Sind die Schlagworte richtig, vollständig und hilfreich für die Beschreibung des Bildes? Falls nicht, können Sie als falsch gemeldet, korrigiert und ergänzt werden. Hier besteht die Möglichkeit ein Anzahl von Bildern in Gruppen überprüfen und bearbeiten zu lassen.

Sinnvoll ist es in jedem Fall bei alten Stadtansichten als Quellen, dass diese aus dem Lebensraum, also Schul- und/oder Wohnort, der Lernenden stammen, so dass diese auf ihre Ortskenntnisse zurückgreifen können, um die Quellen zu erschließen und zu verschlagworten. Handelt es sich um Quellen, für die den Lernenden das Kontextualisierungwissen fehlt, bleibt die Verschlagwortung notwendiger an der Oberfläche und bringt weitgehend banale Begriffe hervor.

Weiterlesen: allgemeine Infos zur WebApp

 

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Kollaboratives Arbeiten an einem Geschichtslexikon von Schülern für Schüler

historische stichworteZur Ausgangsidee und der ersten Umsetzung steht das Wichtigste direkt auf der Seite des Schülerlexikons selbst, das braucht hier nicht wiederholt zu werden. Mittlerweile ist schon eine ganze Reihe von Begriffserklärungen zusammengekommen, die allerdings sowohl in der Quantität als auch in der Qualität noch ausbaufähig sind.

Gedacht ist das Schülerlexikon als Nachschlagewerk für jüngere Schüler. Wer damit im Unterricht arbeiten will, kann das idealerweise zur Wiederholung am Ende einer Unterrichtseinheit tun. Die Schülerinnen und Schüler sammeln zunächst, welche Begriffe sie nach Abschluss des Themas für wichtig erhalten. Sie gleichen ihre Liste mit den vorhandenen Stichwörtern auf der Lexikonseite ab. Bestehende Begriffseinträgen können auf ihre Korrektheit, ihre sprachliche Einfachheit, die Vernetzung mit anderen Begriffen und auf Vollständigkeit der Erklärung geprüft und ggf. erweitert werden.

Für bislang nicht vorhandene Stichwörter werden von den Schülerinnen und Schüler neue Erklärungen verfasst. Das lässt sich über ein Etherpad auch kollaborativ erledigen. Die Lernenden übernehmen zunächst allein oder zu zweit ein Stichwort und schreiben eine ersten Entwurf. Dieser wird dann in einen zweiten und dritten Schritt von anderen Lernenden gegenlesen, korrigiert, ergänzt und mit anderen Beiträgen verlinkt. Am IWB oder an der Tafel wird in einer Tabelle mit einem Kreuz kenntlich gemacht, welche Bearbeitungsstufe für den einzelnen Begriffe abgeschlossen ist. Die Lernenden arbeiten selbstständig und wählen selbst aus, wo sie weiterarbeiten wollen. Da alle Begriffe im selben Etherpad bearbeitet werden, ist jeweils sichtbar, wo aktuell jemand eine Bearbeitung vornimmt.

Auf diese Weise wiederholen die Schülerinnen und Schüler die zentralen Inhalte der letzten Unterrichtsstunden und vernetzen diese noch einmal miteinander. Sie üben an vergleichsweise kurzen Texten kollaboratives Schreiben. Die Ergebnisse stehen so dauerhaft zur Verfügung, so dass auf sie im weiteren Unterrichtsverlauf immer wieder zurückgegriffen werden kann, was auch die Möglichkeit umfasst, zentrale Begriffe wie Monarchie oder Demokratie zu vertiefen und ihrem historischen Wandel auszudifferenzieren. Diese Form kompetenorientierten Begriffslernens dürften zu einem vertieften Verständnis der Phänomene und ihrer Verknüpfung wesentlich beitragen.

Ruanda 1994-2014

Foto: I, Inisheer, CC-BY-SA 3.0

Foto: I, Inisheer, CC-BY-SA 3.0

Im April jährt sich der Genozid in Ruanda zum 20. Mal. Ruanda steht ganz im Zeichen der Erinnerung an den Genozid mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und Initiativen, mit zum Teil auch internationaler Reichweite. Der offizielle Gedenktag in Ruanda ist der 7. April 2014.

In Deutschland hat die Erinnerung an den Genozid bislang in diesem Jahr kaum Aufmerksamkeit gefunden. Medial fokussiert wird in bisher unbekanntem Maße die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, auch andere “runde” Jahrestage im “Gedenkjahr” 2014 (u.a. 14 n.Chr., 714, 1714, 1814) treten dahinter weiter zurück.

Nicht nur als Partnerland von Rheinland-Pfalz, sondern auch im Hinblick auf Ursachen des Genozids, den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit den Ereignissen sowie der Erinnerung an sie ist der Genozid in Ruanda ein relevantes Thema für den Geschichtsunterricht. Deshalb haben ich einige Online-Ressourcen zusammengestellt, um die Geschichte Ruandas und im besonderen die Erinnerung an den Genozid von 1994 im Geschichtsunterricht aufzugreifen.

Genocide Alert

http://www.genocide-alert.de/genozid-in-ruanda-zwanzig-jahre-danach/

Die Seite bietet zusammenfassende Informationen sowie Hinweis auf eine Veranstaltungsreihe in mehreren deutschen Städten mit Podiumsdiskussionen.

Von Genocide Alert gibt es auch ein Twitter-Projekt zur Erinnnerung an die Ereignisse 1994, das Tag für Tag 20 Jahre danach “Tagesnachrichten” sendet:

http://www.genocide-alert.de/genozid-in-ruanda-zwanzig-jahre-danach/twitter-timeline

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Kwibuka bedeutet Erinnern auf Kinyarwanda. Unter dieser Bezeichnung firmiert das nationale Gedenken mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Aktionen und dem intensiven Einsatz von Social Media: http://www.kwibuka.rw

Auf Youtube findet sich ein Kurzfilm Kwibuka ‚Remember, Unite, Renew‘ http://www.youtube.com/watch?v=00x1L34wLF8

Die “Flamme der Erinnerung” wird zwischen Januar und April durch die 30 Bezirke des Landes getragen. U.a. auf Twitter und Facebook werden die Veranstaltungen in den verschiedenen Städten dokumentiert:

http://www.kwibuka.rw/events/events-listing/urumuri-rutazima-kwibuka-flame/

Homepage des Kigali Memorial Center http://www.kigaligenocidememorial.org

Les hommes debout / Upright men ist ein sehenswertes Kunstprojekt zur Erinnnerung an die Opfer des Genozids, das auf einer eigenen Homepage auf Englisch und Französisch dokumentiert ist:

http://www.uprightmen.org/

Arte hat weiterhin sein umfangreiches Dossier zum 15. Jahrestag online: http://www.arte.tv/de/2532286.html

In Ruanda ist die offizielle Bezeichnung der Genozid an den Tutsi, womit die Erinnerung an weitere Opfergruppen wie z.B. moderate Hutu ausgeblendet wird. Dagmar Dehner berichtet in einem “Ruanda-Tagebuch” aktuell für den Tagesspiegel mit einem kritischen Blick “vom richtigen und falschen Gedenken”:

http://www.tagesspiegel.de/politik/ruanda-tagebuch-2-vom-richtigen-und-falschen-gedenken/9435046.html

Hinweise zu Filmen über den Völkermord in Ruanda im Film finden sich in einem Beitrag auf “Lernen aus der Geschichte”: http://lernen-aus-der-geschichte.de/

Speziell zum Film „Hotel Ruanda“ bietet Amnesty ein kurze Handreichung mit Unterrichtsideen als PDF zum Download an: http://www2.amnesty.de/

Bereits von 2011 hat Julia Viebach für BpB über Ruanda für die BpB geschrieben:http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/68826/gedenken-an-genozid-in-ruanda-07-04-2010

Dort findet sich auch ein Beitrag von 2010 über das Gedenken an den Genozid in Ruanda: http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/68826/gedenken-an-genozid-in-ruanda-07-04-2010

Für eine tiefere historische Kontextualisierung und Ursachenforschung sollte auch die deutsche und später belgische Kolonialherrschaft bearbeitet werden. Im Hinblick auf den Genozid relevant ist die gegenseitige Wahrnehmung sowie insbesondere die durch die Kolonialmächte erfolgte und festgeschriebene Einteilung der Bevölkerung in Hutu und Tutsi.

Arbeitsblatt zur Ankunft der ersten Deutschen in Ruanda und der gegenseitigen Wahrnehmung

https://geschichtsunterricht.wordpress.com/2009/07/12/deutsche-kolonialherrschaft-in-ruanda/

Kurzer Überblick zur Genese und Entwicklung der Zuschreibungskonstruktion von Hutu und Tutsi von Johannes Scheu: http://www.exc16.de/cms/ruanda.html

Ausführlicher Simone Paulmichl (1998, PDF): http://www.gsi.uni-muenchen.de/forschung/forsch_zentr/forschung_3_welt/arbeitspapier/ap26.pdf

Twitter im Geschichtsuntericht: Virtuelles Reenactment oder kreatives Schreiben von Geschichte(n) im Netz

Ehrlich gesagt, verwundert mich das Interesse und die Debatte über die Nutzung von Twitter in der Schule.  Wenn man mal die Bedeutung digitaler Medien, besonders von Twitter, in verschiedenen Aufständen und Revolutionen im Iran und im arabischen Frühling beiseite lässt, so ist doch die Bedeutung als Nachrichtenkanal beim Durchzappen durch verschiedene Fernsehkanäle sofort evident. Tweets haben selbst mitlerweile Nachrichtenwert oder dienen als Bild-Belege in Nachrichtensendungen. So zuletzt gesehen in den Heute-Nachrichten auf dem ZDF, wo die Aussage, dass die internationalen Schauspielerkollegen um Philip Seymour Hoffman trauen, visuell mit Bildern von Tweets gestützt wurde. Allgegenwärtig und meines Erachtens reichlich nervig ist der Versuch „Stimmungen“ des Publikums über das Vorlesen von Tweets während Livesendungen einzufangen.

Auch im Wissenschaftsbereich findet sich zahlreiche Experimente bei Konferenzen und öffentlichen Debatten über digitale Medien Rückanäle für Fragen und eine Partizipation des Publikums besonders bei Livestreams von dem jeweiligen Empfangsgerät aus einzubinden. Auch hier spielt Twitter eine wesentliche Rolle (siehe z.B. History@Debate – Europa1914. Schlafwandler oder Brandstifter? vom 24.1.2014).

Man könnte also durchaus sagen, ob sie das nun selbst nutzen oder nicht, ist es für Jugendliche relevant für das Verständnis und Einordnen von Nachrichten sowie als eine Partizipationsmöglichkeit Twitter zu kennen, die Funktionsweise zu verstehen und ggf. selbst nutzen zu können. Twitter ist gegenwärtig ein wichtiger Teil unserer medialen Lebenswelt, und daher wichtig zu verstehen, was es ist und wie es funktioniert.

Nachdem verschiedene Geschichtsprojekte auf Twitter nicht nur viel Aufmerksamkeit erhalten haben (besonders @9Nov38), sondern zum Teil auch kontrovers diskutiert wurden (z.B. @1914 im Blog von Moritz Hoffmann), folgen hier noch einmal ein paar Gedanken zur Arbeit mit der Methode ¨virtuelles Reenactment¨ im schulischen Geschichtsunterricht.

Im Kern handelt es sich bei solchen Projekten im Geschichtsunterricht (siehe z.B. hier) um alternative Formen des kreativen Schreibens. Dazu gibt es für den Geschichtsunterricht eine Reihe von Veröffentlichungen und Unterrichtsvorschläge (u.a.Memminger 2007; Geschichte lernen 4/2009). Dabei geht es nicht um das für historisches Lernen in der Tat problematische Nachfühlen oder Nacherleben des realer Reenactment-Versuche, sondern um quellenbasierte Perspektivübernahmen.

Im Unterricht, besonders der jüngeren Klassen, sind diese Formen des kreativen Schreibens von Tagebucheinträgen, Briefen, Reden usw. schon länger angekommen und etabliert. Die Übernahme historischer Rollen, das Schreiben und Publizieren in sozialen Netzwerken oder in Blogs ist zunächst einmal nur eine andere Art kreativen Schreibens. Sie bietet allerdings durch z.B. das Hinzufügen von Fotos, Audio- oder Videodateien sowie die Möglichkeiten der Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren zugleich auch erweiterte Darstellungs- und Ausdrucksformen.

Die Spannbreite möglicher Ansätze reicht dabei von einem sehr quellennahen, nacherzählend-zusammenfassenden Schreiben und damit von einem vergleichsweise niedrigen Anforderungsniveau, das aber dennoch helfen kann das Verständnis von Quelleninhalten und Zusammenhängen zu verstehen, bis hin zu relativ freien Formen der Auseinandersetzung. Bei letzteren können sowohl Quellen wie Darstellungen Grundlage der Einarbeitung in die Rolle sein. Zentral ist die parallele oder anschließende Reflexion und Begründung, inwieweit die verfassten Erzählungen historisch triftig und plausibel ist.

Eine Gefahr besteht bei diesem Ansatz in der Fokussierung auf historische Personen, die Gefahr läuft einem personalisierten Geschichtsverständnis Vorschub zu leisten und historische Prozesse wieder auf die Geschichte ¨großer Männer¨ zu reduzieren. Dem ist jedoch mit einer entsprechenden Vorbereitung und Einbettung der Projekte im Unterricht leicht entgegenzuwirken.

Drei Webhinweise: ein Aggregator und andere Werkzeuge

Michael Schmalenstroer hat sich die Mühe gemacht und mit Planet History einen Aggregator bereitgestellt, der Beiträge aus zur Zeit bereits fast 150 geschichtsbezogenen Blogs im deutschsprachigen Raum zusammenstellt. Damit existiert jetzt eine gelungene zentrale Anlaufstelle im Netz, wenn man auf dem Laufenden bleiben möchte, was von wem in der Geschichtsblogosphäre diskutiert wird. Sollten noch Blogs fehlen, werden sie nach Hinweis der Liste hinzugefügt.

Nachdem zunächst auf Twitter unter dem Hashtag #digwerhist digitale Werkzeuge für Historiker/innen gesammelt wurden, hat sich Mareike König daran gemacht, die zahlreichen Anregungen in Form eines Beitrags zu ordnen. Ergänzt wird der Artikel „Social Media-Werkzeuge für Historiker/innen – Versuch einer Übersicht“ durch eine Auswahl von weiterführenden Literaturlinks. Hinweise auf weitere hilfreiche Tools werden auch weiterhin gesammelt.

Es stellt sich die Frage, welche dieser Werkzeuge auch für den Geschichtsunterricht sinnvoll sein können, wobei vermutlich Schülerinnen und Schüler überwiegend andere Werkzeuge benötigen als Historikerinnen und Historiker. Vermutlich gibt es in der Oberstufe eine größere Schnittmenge. Viele der Tools unterstützen selbstständiges Arbeiten (Recherchieren, Ordnen von Informationen etc.) und können bei entsprechenden Lernszenarien hilfreich sein, im historischen Frontalunterricht wohl eher weniger.

Einen ersten Ansatz einer solchen Zusammenstellung für den Geschichtsunterricht und die Geschichtsdidaktik bietet übrigens das von Ulf Kerber betreute Karlsruher Wiki. Wer das noch nicht kennt, das Blick lohnt sich. Die Sammlung steckt erst in den Anfängen, enthält aber bereits viele Anregungen:

http://geoges.ph-karlsruhe.de/mhwiki/index.php5/Abteilung_Geschichte

App in die Geschichte

In Kooperation mit der Internationalen Akademie für Innovative Pädagogik (INA) gGmbH an der FU in Berlin haben wir in den letzten, sehr arbeitsintensiven Monaten das Konzept einer speziellen App für den Geschichtsunterricht entwickelt. Im Unterschied zu allen uns bekannten Apps geht es bei dem Projekt nicht um ein weiteres Angebot von Geschichtsdarstellungen für mobile Geräte.

Vielmehr sollen die mobilen Endgeräte mit ihren verschiedenen Funktionen zu Werkzeugen für das historisches Lernen werden, dieses unterstützen und damit helfen den Geschichtsunterricht in mehrfacher Hinsicht (u.a. inhaltlich, methodisch und räumlich) zu öffnen. Die App ist so konzipiert, dass Schülerinnen und Schüler sie inner- und außerhalb der Schule zum selbstständigen, entdeckenden und kollaborativen Lernen und Arbeiten nutzen können, sie aber auch phasenweise als Ergänzung zur Arbeit mit dem Schulbuch im Unterricht durch eine Lehrkraft eingesetzt werden kann. Mit dem Schwerpunkt der Arbeit mit digitalisierten lokalen und regionalen Archivalien bietet die App darüber hinaus einen innovativen Ansatz für die Archivpädagogik.

Die Grundfinanzierung für den Prototyp steht, der Programmierer ist beauftragt. Das Ergebnis wird ein Open Source-Produkt sein. Nun wird das Konzept am Donnerstag erstmals öffentlich vorgestellt bei der Konferenz „Zukunft gestalten – 40 Jahre Situationsansatz“. Ab Februar soll die Online-Anwendung pilotiert werden mit einer Erprobung u.a. in der BYOD-Klasse des Eichendorff-Gymnasiums und nach und nach für mehr Schulen zur Verfügung stehen. Die Folien für meinen Kurzvortrag auf der Tagung, der das Konzept umreisst, stelle ich hiermit vorab in das Blog und freue mich über konstruktives Feedback.

Es tut sich was in Didaktischdigitalien…

Während es um und in einigen Blogs bedauerlich still geworden ist, sind gerade einige neue Publikations- und Diskussionsorte zu Geschichtsunterricht und -didaktik entstanden, auf die ich hier kurz hinweisen möchte.

Als dieses Blog vor mehr als vier Jahren startete, war die Entwicklung kaum vorherzusehen. Aktuell, zum Teil im Zusammenhang bzw. Nachgang der beiden Konferenzen in München und Salzburg, scheint sich gerade eine Tendenz zur Institutionalisierung der Geschichtsblogosphäre abzuzeichnen, die bislang eher von individuellen Präsenzen geprägt war.

Seit letzter Woche ist das bereits länger angekündige professorale Blog Public History Weekly online gegangen. Die ersten Beiträge stehen seit Donnerstag auf der Seite und jeden Donnerstag sollen nun neue folgen. Geschrieben wird in wechselnder Folge von zwölf Professoren der Geschichts- und Politikdidaktik sowie vier Mal pro Jahr einem zusätzlich Erwählten. Die ersten Reaktionen auf den vom Oldenbourg-Verlag betriebenen Seiten sind sehr positiv. Technisch fehlt zur regelmäßigen Lektüre zur Zeit noch ein RSS-Feed, dafür wird der Auftritt allerdings von einem Twitter-Account begleitet. Mich persönlich irritiert die für das Web eigentlich untypische Abgrenzung und Abbildung von Hierarchien durch den ausgewählt begrenzten Autorenkreis, aber es bleibt abzuwarten, inwiefern hier tatsächlich aktuell geschrieben und vielleicht sogar diskutiert wird. Das wäre dann auf jeden Fall eine Bereicherung.

Im Vorgriff auf die Konstituierung des neuen Arbeitskreises „Digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik“ auf der kgd-Tagung in Göttingen gibt es auch hier bereits ein Blog und einen Twitter-Account.

Interessant finde ich in dem Zusammenhang folgenden Tweet, der – vermutlich in zustimmender Absicht – weitergegeben wurde:

Weil der Arbeitskreis ja genau das macht: Er schafft eine institutionalisiertes Forum zur Auseinandersetzung mit dem Thema mit jährlichen Workshops. An den Bezeichnungen der neuen Blogs und Initiativen sieht man das schwierige Ringen um Begrifflichkeiten dieses dann doch dieses für die Disziplin thematischen Neulands: Die Analogie zur digitalen Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft oder allgemein den digital humanities wird von der der universitären Didaktik gescheut. Die Diskussion darüber wird sicher spätestens im nächsten Jahr bei dem ersten geplanten Workshop zu den „Medienbegriffe[n] der Geschichtsdidaktik“ neu geführt werden.

Gleichfalls neu am Himmel der Geschichtsblogosphäre hat der Landesverband Rheinland-Pfalz des Geschichtslehrerverbandes seine Internetpräsenz von einer üblichen Webseite in ein Blog bei Hypotheses.org verlagert und damit zugleich rundum erneuert. Soweit ich das sehe, sind die Rheinland-Pfälzer der erste Landesverband der sich damit vom Prinzip der Einbahnverbandskommunikation löst und potentiell für den Online-Dialog mit Mitgliedern, aber auch sonst Interessierten öffnet. Bislang finden sich unter den „Mitteilungen“ genannten Blogeinträgen allerdings nur Übernahmen aus dem Newsletter der Fachberater sowie die Wiedergabe von Pressemitteilungen anderer Institutionen. Nichtsdestotrotz bin ich zuversichtlich: Das kann noch etwas werden mit Diskussion und Vernetzung, wenn dort die ersten verbandseigenen Positionen online gehen und diese dann direkt verlinkt und diskutiert werden können.

Last but not least soll auf das nicht mehr ganz so neue Blog von Christian Bunnenberg hingewiesen werden: geschichte zwopunktnull. Das Blog ist bereits Ende Juli gestartet und begleitet geschichtsdidaktische Hautpseminare an der Universität Duisburg-Essen. Entsprechend finden sich bereits auch einige interessante Beiträge von studentischer Seite besonders zu den Themen Mobiles Lernen und Geocaching im Geschichtsunterricht (z.B. hier).

So viel Neues kann der Geschichtsblogosphäre nur gut tun, ihr neues Leben einhauchen und die Diskussion befördern. Ich wünsche allen neuen Blogs einen guten Start und freue mich auf viele anregende Lektüren!

Kostenlose Apps für den (Geschichts-) Unterricht

In der Folge gibt es eine Auflistung von Apps als Ergebnis einer kleinen Fleißarbeit: Ich habe, auch im Hinblick auf das BYOD-Projekt an meiner Schule, ein paar Android-Apps zusammengestellt, die für die Arbeit mit Tablet oder Smartphones im (Geschichts-) Unterricht sinnvoll sein können.

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich freue mich über Hinweise auf weitere notwendige oder sinnvolle Apps, gerne auch auf alternative Apps zu den unten aufgeführten.

Bei meiner Suche ist nichts wirklich Fachspezifisches zusammengekommen. Die Zusammenstellung bildet eher generell eine Grundlage für die Arbeit mit mobilen Geräte in der Schule. Was fehlt, sind spezifische Anwendungen für einzelne Fächer.

Interessant für Geschichte wäre z.B. eine App zur Erstellung multimedialer Zeitleisten, die scheint es aber für Android nocht nicht zu geben, so muss auf entsprechende Web-Anwendungen zurückgegriffen werden (z.B. xtimeline). Alle genannten Apps sind komplett oder als „Freemium“-Version in den Grundfunktionen kostenlos im Play-Store erhältlich.

Nicht extra aufgeführt, da in der Regel auf neuen Geräten bereits vorinstalliert, sind einfach Anwendungen, wie ein Fotowerkzeug, Kalender, einfacher Taschenrechner, Stoppuhr sowie Browser, wobei es sich beim letzteren empfiehlt noch mindestens einen weiteren zu installieren, z.B. Firefox für Android oder Opera.

Audio-Aufnahme: ASR – Free MP3 Recorder oder HiQ Mp3 (lite version mit 10 Minuten Aufnahmelimit)

Cloudspeicher: Google Drive plus Dropbox oder Sugarsync

Geocaching: c:geo

Karteikarten: LearnEasy

Karten: Google Maps

Linkverwaltung: PowerNote Diigo (sinnvoll in Verbindung mit Diigo-Konto)

Mindmap: Mindjet Maps

Notizen: ColorNote oder Evernote

Qr-Code Reader & Creator: QR Droid

RSS-/Newsreader: Flipboard oder Feedly

Scanner: CamSanner

Textverarbeitung: Kingsoft Office (bislang leider ohne Fußnotenunterstützung), Google Drive

To-Do-Liste/Hausaufgaben: Wunderlist

Wikipedia: Mobile App

Wörterbücher: leo oder dict.cc (je nach Sprache, in Leo ist auch ein Vokabeltrainer enthalten)

In Ergänzung können auch sinvoll sein:

Stundenplanverwaltung und Hausausgabenplaner (verschiedene kostenlose Apps, selbst noch nicht getestet) z.B. Hausaufgaben klwinkel.com oder My Class Schedule

sowie Tools zum digital storytelling wie z.B. myhistro, Stick Paint, Animating Touch, Clayframes oder Stop-Motion-Lite.