Hinweis auf zwei Seiten zum Holocaust

Beide Seiten habe ich letzte Woche „entdeckt“ und die in der letzten Woche als Links schon die Runde in den sozialen Netzwerken gemacht haben. Die Links finden sich auch in der Diigo-Gruppe und daher zur Zeit auch noch aktuell hier oben rechts in der Spalte neben dem Text.

Versteckt wie Anne Frank  ist eine Seite, die auf dem Buch Andere achterhuizen beruht und auf einer Karte Verstecke anderer Juden und ihre Fluchtwege in den Niederlanden zeigt. Mit Klick auf die einzelnen Punkten erhält man dann Erzählungen und weitere Informationen zu den 23 dort dokumentierten Geschichten. Über eine Liste der versteckten Personen ist auch ein alphabetischer Zugang über deren Namen möglich.

Die Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt präsentiert Dokumente aus dem letzten Jahr des Bestehens des Ghettos. Kern der Seite bildet die Chronik, die in transkribierten Tagesberichten der jüdischen Ghetto-Verwaltung von August 1943 bis Juli 1944 einen Einblick in den Alltag des Ghettos bietet. Ergänzt werden die Tagesberichte durch gut verständliche Informationen zur Entstehung der Chronik, den Chronisten und dem Ghetto. Außerdem bietet die Seite noch eine Fotosammlung sowie einige der Tagesberichte als Audiopodcast.

Beide Seiten eignen sich hervorragend zum Einsatz im Unterricht, vor allem zur eigenständigen Arbeit der Lernenden.

Bericht zum deutsch-polnischen Schulgeschichtsbuch

Die aktuelle Ausgabe der Polen-Analysen widmet sich dem gemeinsamen Schulbuchprojekt mit einem Beitrag von Krzysztof Ruchniewicz. Die Polen-Analsysen werden vom Deutschen Polen-Institut hin Darmstadt erausgegeben und sind kostenlos als PDF-Dokument herunterladbar.

Wenn man das so liest, dann sieht es wohl (leider) eher nicht gut damit aus, dass das Projekt auch eine Umsetzung erfährt…

Aufstände und Widerstand im 2. Weltkrieg in Schulbüchern

Zur Unterrichtsvorbereitung habe ich gestern, da im eingeführten Geschichtsbuch nichts enthalten war, in verschiedenen anderen Lehrwerken nach Darstellungen und Material zum Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 und zum Warschauer Aufstand 1944 gesucht.

Vielleicht habe ich zufällig die falschen Bücher zuhause, aber zu meinem Erschrecken habe ich fast nichts gefunden: Eine Seite in einem Mittelstufenbuch zum Ghetto-Aufstand mit Bild und zwei Quellen stach bei der Suche positiv hervor und war zugleich die umfangreichste Darstellung. Wenn überhaupt fanden sich in den anderen Lehrwerken einzelne Sätze zum europäischen Widerstand. In einem Buch war zwar in der Nachkriegsgeschichte der Kniefall Brandts ausführlich thematisiert, das Ghetto und der Aufstand zuvor jedoch nicht. Mir persönlich ist völlig unverständlich, wie hier Zusammenhänge verstanden werden sollen.

Aufgefallen ist mir beim Durchblättern der Werke, dass gerade die Bilder der Kapitel zum Holocaust weiterhin die Vorstellung von wehrlosen (jüdischen) Opfern „wie Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank“ unterstützen. Handlungsoptionen und jüdischer Widerstand werden (fast) nirgendwo thematisiert (siehe hingegen die anregenden Beiträge im Magazin von Lernen aus der Geschichte vom 20. Januar 2010). Fündig geworden bin ich dann in einem Heft von Praxis Geschichte aus dem Jahr 1995 (!), dem übrigens auch die beiden Quellenauszüge aus dem erwähnten Mittelstufenbuch entnommen sind. (Wobei mir natürlich bekannt ist, dass es einige jüngere Veröffentlichungen von Materialien für den Geschichtsunterricht gibt, ich habe aber leider eben nicht alles griffbereit am heimischen Schreibtisch. Außerdem handelt es sich eben um Zusatzmaterialien und nicht um Schulgeschichtsbücher.)

Es betrifft im übrigen nicht nur den Holocaust, sondern die unterschiedlichen Widerstandsbewegungen in ganz Europa: Was sich durchgängig in den Schulgeschichtsbüchern findet, sind vergleichsweise umfangreiche, mehrseitige  Kapitel zum deutschen Widerstand (vor allem Scholl, Kirche und Stauffenberg). Was ich mich frage: Wie  soll Europa zusammenwachsen, wie sollen deutsche Jugendlichen ihre Nachbarn verstehen, wenn sie nie (zumindest im Geschichtsunterricht nicht) etwas von der Armia Krajowa, der Résistance oder dem Verzet gehört haben? Die Mythen und die Diskussion um diese Bewegungen spielen in unseren Nachbarländern bis heute eine wichtige Rolle für das Selbstverständnis und in der politischen Debatte.

Ist mein beschriebener Eindruck nicht völlig verkehrt und sind Schulgeschichtsbücher tatsächlich, wie so oft behauptet, weiterhin Leitmedium des Unterrichts, scheint mir hier – wiederum – eine höchst problematische Akzentuierung auf einen nationalstaatlichem Fokus vorzuliegen.

Gestern sind ja die Empfehlungen für ein deutsch-polnisches Geschichtsbuch vorgestellt worden. Man darf gespannt sein, inwiefern dies Anregungen zu einer notwendigen Perspektivverschiebung gibt und vielleicht zudem zu eingeführten Lehrwerken einen sinnvoll ergänzenden Materialfundus liefert.

Hinweise auf gute Materialien online oder auf Papier sind übrigens herzlich willkommen!

Polnischer Patriotismus

Technisch und ästhetisch sehenswerter Animationsfilm, der die Geschichte Polens von ihren Anfängen bis heute in acht Minuten zeigt. Geschichtskulturell höchst interessant, da der Film für die Expo 2010 geschaffen und somit quasi eine Art offizielles historisches Selbstverständnis wiedergibt. Da ohne Text und nur mit (pathetischer) Musik unterlegt, ließe sich der Film auch als geschichtskulturelles Zeugnis im Geschichtsunterricht einsetzen. Inhaltlich bietet der Film eine Art klassische Nationalgeschichte, wie es sie in Deutschland nicht (mehr) gibt: (christlicher) Gründungsmythos, Schlachten (gewonnene und verlorene), Helden und Pathos:

Passend dazu der Hinweis auf die letzte Ausgabe der stets sehr lesenswerten Polen-Analysen (Ausgabe Nr. 74) des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt zum Thema „Patriotismus in Polen“ (hier als PDF downloadbar).

Steinbach verzichtet

Die deutsch-polnische Geschichte bildet ja neben Medien und Geschichtsunterricht einen kleinen, weiteren Schwerpunkt innerhalb dieses Blogs. Die Besprechung des Buches „Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung“ hier im Blog hatte in den letzten Wochen sehr hohe Trefferzahlen zu verzeichnen. Deshalb zum Thema hier kurz der Hinweis auf einen aktuellen Artikel aus Frankfurter Rundschau, die einen „Kompromiss zum Vertriebenen-Rat“ meldet und SZ: Steinbach verzichtet auf einen Sitz im Stiftungsrat. Der Bundestag soll die Besetzungen vornehmen, dafür wirdaber die Zahl der Sitze für den Bund der Vertriebenen von drei auf sechs in dem bisher 13- bald 21köpfigen Rat erhöht. Außerdem wurde einer Vergrößerung der Grundfläche der Ausstellung vereinbart. Der BdV sieht in dem Kompromiss einen „Riesenerfolg“.

Polen in der Schule

Das Deutsche Polen-Institut bietet mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung 2010 wieder Projekttage für Schulen in Hessen und Rheinland-Pfalz an.

Das Angebot richtet sich an weiterführende Schulen. Die Mindestteilnehmerzahl liegt bei 15 Schülerinnen und Schülern. Laut Aussage des DPI sollen die „Projekttage […] den Schülern Einblicke in die Landeskunde und Alltagskultur Polens sowie Grundkenntnisse zur deutsch-polnischen Geschichte und deutsch-polnischen Literaturbeziehungen vermitteln.“ Einen Programmentwurf für einen solchen Projekttages des DPI finden Sie hier. Das Programm kann aber auch den Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen Teilnehmer angepasst werden. Die Projekttage eignen sich zudem als Vorbereitung für einen deutsch-polnischen Schüleraustausch und können z.B. auch einen Minisprachkurs umfassen.  Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung und weitere Infos gibt es über ein entsprechendes Formular oder direkt bei Herrn Mack

Buchtipp: Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung 1939-1959

Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung 1939-1959. Atlas zur Geschichte Ostmitteleuropas, hg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009.

Großartiges Buch mit hervorragendem Kartenmaterial, um das Thema im Unterricht aufzugreifen. Das Buch ist ursprünglich von polnischen Wissenschaftlern erarbeitet und wurde für die Lizenzausgabe der BpB ins Deutsche übersetzt. Daher ergibt sich der Schwerpunkt auf der polnischen Geschichte. Da aber das komplette polnische Territorium vor- und nach dem 2. Weltkrieg miteinbezogen wird, ergibt sich hier eine ausgedehnte mitteleuropäische Perspektive, die auch Deutsche, Ukrainer, Litauer, Weißrussen, Tschechen und Slowaken mit einbzieht. Damit sind natürlich noch längst nicht alle betroffenen Gebiete Europas erfasst, aber diese europäische Perspektive ist m.E. für jede Art der Darstellung und Behandlung absolut grundlegend. Das Buch zeichnet sich neben den hervorragenden Karten durch das gelungene Layout, viele Fotoabbildungen und gelungenen Informationstexten und Übersichtstafeln aus. Es eignet sich daher sowohl zum Einlesen für Lehrer und Schüler in das Thema als auch die Darstellung im Geschichtsbuch als ergänzende Materialfundgrube.

Das Buch kann hier gegen eine Bereitstellungspauschale von 6 7€ bei der BpB bestellt werden. Es wäre wünschenswert, wenn das Buch in Deutschland breit rezepiert würde, da die Diskussion um Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung ja weiterhin eine hoch sensible und politische Angelegenheit ist, die einen entsprechend hohen Grad an Informiertheit  in einer möglichst breiten Öffentlichkeit erfordert.

Zum „Vertriebenen-Streit“ auch ein ganz aktueller Artikel in der taz, ein Interview mit dem polnischen Historiker Tomasz Szarota.