Praxisbeispiel: Lernarrangement zur (Teil-) Öffnung des Unterrichts

Nachdem ich bereits in Kurzform allgemein Tipps zur Öffnung des Unterrichts zusammengefasst und an anderer Stelle auch theoretische Überlegungen vor allem zur Rolle als Lehrkraft dazu gestreift habe, möchte ich das Ganze nun an einem konkreten Lernarrangement aus der Unterrichtspraxis exemplarisch aufzeigen. Lisa Rosa hat zu Recht, daraufjohnny-automatic-bike-or-motorcycle--800px hingewiesen, dass es hier um vergleichsweise begrenzte Wahlmöglichkeiten geht, die von der Sachlogik des Lehrplans ausgehen und nicht konsequent vom Lernenden. Daher ist der Begriff „Personalisierung“ nur vorsichtig zu gebrauchen, trifft meines Erachtens den Ansatz aber trotzdem besser als Individualisierung oder Differenzierung, wenn auch – graduell gedacht – nur in geringerem Umfang.

„Stoffbereiche“ des Lehrplans

Das Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen, Europa zur Zeit Napoleons und Restauration

Teilthemen

Der Lehrplan nennt zu jedem Stoffbereich Inhaltsaspekte, Daten und Begriffe, die ich für die Lernenden in Teilthemen übersetzt habe. Sie konnten zwischen diesen Themen wählen, jedoch auch – sofern im zeitlichen Rahmen der Unterrichtsreihe (ca. 1750-1815) – selbst andere Themen wählen, mit denen sie sich auseinandersetzen wollten. Die Themen sind also als Anregungen und Ideen zu verstehen; die Liste ist aber grundsätzlich offen. Ein Schüler hat z.B. die Abschließung Japans in der Edo-Zeit als Thema für einen Vortrag gewählt. Eine andere Schülerin die Mode des Rokoko (mit Bezug zu Mangas). Falls verpflichtende Themen des Lehrplans nicht gewählt werden, übernehme ich diese und stelle sicher, dass alle verpflichtenden Inhalte im Unterricht aufgegriffen werden. Das war in dieser Unterrichtsreihe allerdings nicht der Fall.

  • England 1688/89 (Glorious Revolution)
  • Korsika 1755
  • USA 1776 (Unabhängigkeitserklärung und Verfassung)
  • Frankreich 1789 Anfang (Gründe, Auslöser und Start der Revolution)
  • Frankreich 1791 (Erste Verfassung, Rolle des Königs)
  • Frankreich 1792-1794 (Bedeutung von Koblenz und Kriegsbeginn)
  • Polnische Teilungen (Polnische Teilungen und Verfassung von 1791)
  • Napoleon (Aufstieg und Wiedereinführung der Monarchie)
  • Napoleon und das Heilige Röm Reich (Österreich, Preußen, Rheinstaaten)
  • Niederlage Napoleons und Neuordnung Europas

Weitere mögliche Einzelthemen: Revolution Haiti, Koblenz zur Zeit der Französischen Revolution, Bau der Festung Ehrenbreitstein, Wiener Kongress, Biographien: Jefferson, Robespierre, Ludwig XVI., Sieyès, Napoleon, Kosciuszko, Metternich.

Nach Wahl und Festlegung der Themen durch die Lernenden habe ich diese in eine Reihenfolge gebracht und mit den Lernenden in der Folgestunde abgesprochen.

Methodische Voraussetzungen

Die Klasse leidet bereits im dritten Jahr unter mir als Geschichtslehrer. Die Schülerinnen und Schüler mussten/durften/konnten bereits alle mindestens eine eigenständigen Vortrag mit medialer Unterstützung halten, eine längere schriftliche Ausarbeitung mit selbst gewählter „Forscherfrage“ erstellen, haben mit dem Flipped Classroom gearbeitet und auch schon kürzere Unterrichtssequenzen in Kleingruppen selbst vorbereitet und gehalten.

Lernprodukte

Die Schülerinnen und Schüler hatten die Wahl allein oder in Gruppen zu arbeiten. Die Erarbeitung – auch die Vorbereitung der Unterrichtsstunden – erfolgte wesentlich im Unterricht – und nur notfalls unterstützend zuhause (z.B. Mitbringen von Materialien, um in der Schule damit arbeiten zu können). Sie konnten als „Lernprodukte“ wählen: im Sinne von LdL eine Unterrichtsstunde vorzubereiten und durchzuführen, eine kleine Ausarbeitung von drei, eine große von zehn Seiten zu verfassen oder einen Vortrag zu halten. Wichtig ist mir für die Ausarbeitungen, dass die Lernenden eine konkrete eigene Fragestellung entwickeln und mit mir absprechen, auf die sie dann in ihrer Ausarbeitung eine Antwort geben. So wird sowohl individuell als auch in Gruppen gearbeitet, die Arbeitsergebnisse und die Inhalte werden jedoch mit den anderen Schülerinnen und Schülern geteilt und diskutiert.

Benotung

Die Unterrichtsstunden der Schülerinnen und Schüler werden nicht benotet, um ihnen Freiraum für die Umsetzung zu geben. Eine Note erhalten die Lernenden für die Mitarbeit im Unterricht ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler (in RLP sogenannte: Epo-Noten). Die übrigen Schülerinnen und Schüler erhalten ergänzend auch auf die Ausarbeitungen bzw. Vorträge Noten. Nur wer sich mit einer großen Ausarbeitung „rauszieht“, bekommt nur dafür eine Note, aber keine mündliche Note und hat auch die Möglichkeit zur Arbeit, sich in der Klasse oder auf den Flur zurückziehen. Einen eigenen Raum für individuelles Arbeiten in der Sekundarstufe I haben wir an der Schule leider nicht.

 

Wikipedia als Geschichtslexikon für Schülerinnen und Schüler der Klasse 8 – Schwierigkeiten und unterrichtliche Lösungsansätze

Anbei veröffentliche ich hier vorab schon einmal die Folien meines Beitrags zur Konferenz „Wikipedia in der Praxis. Geschichtsdidaktische Perspektiven“ am Freitag und Samstag in Basel. Weitere Informationen zur Konferenz sowie das aktualisierte und aufgrund von Absagen leider auch reduzierte Programm finden sich im Blog des Arbeitskreises „digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik“ der kgd. Für alle, die die Tagung online mitverfolgen wollen, der Hashtag lautet: #gld15. Für alle, die vor Ort sind, gibt es, da die Folien ja hier schon stehen, dann am Samstagmorgen die Gelegenheit für einen zweiten Kaffee 😉

P.S. Gerade gesehen, dass Slideshare den kursiven Schrifttyp eigenwillig geändert hat… das sieht in der Originalpräsentation anders aus. Hier bleibt das jetzt aber so. Ich hab ehrlich keine Lust, so lange mit Uploads rum zu experimentieren, bis das richtig angezeigt wird… dann halt Fraktur!

3 Tipps, um den Geschichtsunterricht zu öffnen – sofort!

johnny-automatic-prying-open-crate-800pxWie lässt sich der Geschichtsunterricht öffnen: von der Lehrer- zur Schülerzentrierung, vom Lehren zum Lernen und das im Rahmen der bestehenden Regelschule mit den vorhandenen Lehrplänen, einer Unterrichtstaktung von 45 Minutenstunden und fehlender Infrastruktur für Wlan oder eine 1:1-Geräteausstattung: kurz im Alltag für weiterhin die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen.

Der Beitrag hat zwei Ausgangspunkte:

1) Die Veröffentlichung der Bertelsmann-Stiftung zu „Chancen der Digitalisierung für individuelle Förderung im Unterricht“, besonders mit der Untersuchung der Praxisbeispiele durch Jöran Muuß-Merholz (PDF), nach deren Lektüre ich auch den dort von Lisa Rosa verwendeten Begriff des personalisierten Lernens vorziehen würde und mir die Frage gestellt habe, was geht auch ohne digitale Medien. Sowie 2) die Frage danach, welche Spielräume die einzelne Lehrkraft hat im Rahmen des Bestehenden die gemeinsame Lernzeit in diesem Sinn anders zu gestalten, ohne vorab ihre Schule als Institution oder Schule als System zu verändern. Natürlich lässt mit entsprechenden strukturellen Veränderungen eine Vereinfachung und Erweiterung offener Lernformen erreichen, aber dafür gilt es dicke Bretter zu bohren; Schulen wandeln sich langsam.

Die folgenden Tipps sind vergleichsweise schnell umzusetzende und einfache Schritte, um über Auswahlmöglichkeiten nicht nur zu differenzieren, zu individualisieren, sondern historisches Lernen in der Schule ansatzweise zu personalisieren (vgl. die tabellarische Gegenüberstellung im PDF), in diesem Sinne zu öffnen, und damit Auseinandersetzung und Engagement zu fördern.

Wir haben es aber jeden Tag mit Kindern und Jugendlichen zu tun,

  • die u.a. direkten Zugang zu Informationen haben, die früher nur in gefilterter Auswahl oder über entsprechende Fachkenntnisse an speziellen Orten zugänglich waren und
  • für die aktiv sein und selber etwas zu tun, zentrale Kriterien für guten Unterricht und damit für gelingendes Lernen sind.

Hier drei Tipps aus der Praxis, die sich auch unter den gegebenen Bedingungen sofort umsetzen lassen:

1 Die Schülerinnen und Schüler können ihre Themen im Geschichtsunterricht selbst wählen.

Dies funktioniert im Rahmen der Lehrplanvorgaben. Die bieten nämlich immer auch Spielräume und nirgendwo steht, wie gelernt soll. Festgelegt werden nur die Ziele (Inhalte und/oder Kompetenzen). Was spricht also dagegen die „Römische Geschichte“ statt im Durchgang durch den Lehrplan oder das Schulbuch je nach Interesse und Neigung aufzuteilen? Während sich die einen mit den Punischen Kriegen beschäftigen, informieren sich die anderen über die römische „Familia“ und wiederum andere analysieren die Res Gestae des Augustus.

Ausgangspunkt kann immer das Schulbuch sein: Hier sind die lehrplanrelevanten Themen altersgemäß aufbereitet, einige Quellen und Darstellung bereits ausgewählt und aufbereitet. Darüber hinaus können natürlich weitere Materialien recherchiert und verwendet werden. Der Einstieg über die Schulbuchseite bringt zudem aber den notwendigen Kontext für eine weiterführende Recherche im Netz. Und wenn sich mal niemand für ein absolut verpflichtendes Unterthema des Lehrplans interessieren sollte, spricht nichts dagegen, als Lehrkraft für ein, zwei Stunden den Unterricht wieder zu übernehmen. Dies bietet sich auch immer wieder zwischendurch für Plenumsphasen zur Orientierung und Vernetzung an.

 

2 Die Schülerinnen und Schüler wählen ihre Lernprodukte selbst.

Die Schülerinnen und Schüler können selbst Unterrichtsstunden (LdL) oder Vorträge halten, schriftliche Ausarbeitung verfassen oder ein Video erstellen. Dabei ist die Beratung durch die Lehrkraft wichtig hinsichtlich der Machbarkeit in einem vorgegebenen Zeitrahmen, der notwendigen Voraussetzungen (Kenntnisse, Fähigkeiten, Verfügbarkeit technischer Geräte usw.) sowie der produktspezifischen Qualitätskriterien (Was macht einen guten Essay, eine gute Unterrichtsstunde, eine gute Filmdokumentation aus?).

Durch die unterschiedlichen Lernprodukte und deren gemeinsame Besprechung im Plenum wird übrigens auch zusätzlich sichergestellt, dass alle Schülerinnen und Schüler alle wesentlichen Inhalte des Lehrplans kennengelernt haben – wenn auch in unterschiedlicher Tiefe. Aufgrund der unterschiedlichen Zugänge, der eigenen Fragen und Schwerpunktsetzungen sowie der unterschiedlichen Lernprodukte können Themen auch doppelt oder dreifach gewählt werden. Dies ermöglicht Vergleich, Vertiefung, Wiederholung und Vernetzung im Plenum.

 

3 Die Aufgaben in Leistungsüberprüfungen und andere Formen der Leistungsbewertung offen gestalten.

Das ergibt sich bei der Bewertung von individuellen Lernprodukten von selbst, ist aber auch z.B. bei Tests möglich. So können die Schülerinnen und Schüler im Rückblick selbst für eine Epoche eine vorgegebene Anzahl von Jahreszahlen und Ereignissen auswählen, die sie für besonders relevant erachten und deren Relevanz sie auch begründen können. Dies kann individuell oder kollaborativ (z.B. über ein Etherpad oder auch in der Schule an der Kreidetafel) erfolgen. Was spricht dagegen – nichts zuletzt angesichts der bislang desaströsen Behaltensleistungen im Fach Geschichte – statt alle Jahreszahlen im Kapitel eines Schulbuchs, nur selbst ausgewählte zu lernen?

In einem Test könnten zwei Aufgaben dann z.B. wie folgt aussehen: a) Nenne 5 Ereignisse der römischen Geschichte mit der entsprechenden Jahreszahl. b) Begründe, warum die 5 von dir ausgewählten Ereignisse jeweils für die römische Geschichte besonders wichtig sind. Alle Schülerinnen und Schüler schreiben zum selben Zeitpunkt denselben Test, aber es gibt nicht einen einheitlichen Erwartungshorizont, sondern eine Vielzahl richtiger Antworten. Die Konzeption der Prüfungsaufgaben passt zur inhaltlichen Öffnung des Unterrichts.

Die Schülerinnen und Schüler haben so die Möglichkeit unterschiedliche, individuell angeeignete Kenntnisse wiederzugeben, erworbene Fähigkeiten anzuwenden und zugleich ein vertieftes Verständnis historischer Zusammenhänge nachzuweisen, das sonst oft gerade beim Auswendiglernen und Abfragen von Jahreszahlen allenfalls oberflächlich eine Rolle spielt.

Buchners „Das waren Zeiten“ – neu für Rheinland-Pfalz

Zum neuen Teillehrplan Geschichte für die Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz, der zum nächsten Schuljahr zeitgleich in allen Jahrgangsstufen eingeführt wird, legt auch der Buchner Verlag eine eigene Ausgabe aus der Reihe „Das waren Zeiten“ vor. An den beiden Bänden habe ich als Autor und Herausgeber mitgearbeitet. In den letzten beiden Wochen haben wir das Konzept auf mehreren Veranstaltungen vorgestellt. Die Folien der Präsentation sind unten in diesem Beitrag zu sehen und können auch heruntergeladen und weitergegeben werden.

Der neue Lehrplan besteht aus zwei Elementen: dem gemeinsamen Vorwort für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer (PDF), das auch das eigene, fächerübergreifende Kompetenzmodell erklärt, sowie den Teillehrplan für das Fach Geschichte (PDF). Aufbau und Konzeption des Buchs erschließen sich nur auf Grundlage der Lehrplanvorgaben. Wir haben versucht, den Lehrplan möglichst präzise in den Büchern umzusetzen.

Das auffälligste Merkmal des neuen Lehrplans ist die Gliederung der Epochalen Schwerpunkte (ESP) anhand von jeweils fünf „Kategorien“ (Orientierung, Herrschaft, Wirtschaft, Gesellschaft, Weltdeutungen), die einen sektoralen Zugriff auf Geschichte bieten. In jedem Lernfeld müssen für die Unterrichtsgestaltung vorgegebene Leitfragen, Kompetenzen, Grundbegriffe und Inhalte berücksichtigt und sinnvoll zueinander in Bezug gesetzt werden. Beide Punkte (Zugriff über Kategorien und die Einzelelemente der Lernfelder) bedingen eine sorgfältige und langfristige Unterrichtsplanung. Deren Komplexität zusätzlich die Integration von Längsschnitten und den Auswahlmöglichkeiten bei den Inhalten gesteigert wird.

Der Lehrplan schwankt dabei einerseits zwischen Festlegungen, die eine bestimmten Kombination von Kompetenz, Inhalt und Methode festschreibt und damit Vorgaben bis in die einzelnen Unterrichtsstunden hinein macht (Beispiele Methodenkompetenz in den Lernfeldern I.4.3 oder II.2.2 des Lehrplans – was mir persönlich als unnötige Gängelung der Lehrkräfte erscheint). Andererseits lässt der Lehrplan sehr viele Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf die Inhalte (Weglassen einer Kategorie pro ESP, große Auswahl von „Erweiterungs- und Vertiefungsthemen“ von denen jeweils nur 2 pro Doppeljahrgangsstufe verpflichtend sind).

Für mich ist kein roter Faden im Sinne einer didaktisch begründeten Auswahl der verpflichtenden Inhalte zu erkennen ist. So erschließt sich mir auch nicht, warum einige Themen, die mir zentral erscheinen nur in der freiwilligen Erweiterung oder Vertiefung auftauchen, an anderer Stelle aber in der Basis als verpflichtend gesetzt sind (vgl. z.B. Lernfeld I.2 oder Herrschaftslegitimation in Antike Basisinhalt, im Mittelalter Erweiterung usw.). Die genannten sowie weitere Punkte wurden übrigens mehrfach an die Lehrplankommission herangetragen, aber bei den Überarbeitungen des Lehrplanentwurfs nicht berücksichtigt.

Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen haben wir bei der Konzeption des Buchs versucht, die Auswahlmöglichkeiten zu erhalten und eine flexible Umsetzung des Lehrplans zu ermöglichen. Dies war ein Leitmotiv bei der Konzeption des Buchs. Die Präsentation unten zeigt auf, wie diese Wahlmöglichkeiten im Buch umgesetzt wurden. Auch die Doppelseiten sind nicht als fertige Unterrichtsstunden konzipiert, sondern bieten im Sinne eines Steinbruchs verschiedene Umsetzungsmöglichkeit und Schwerpunktsetzungen. Daher muss auch hier bei den Materialien und Aufgaben ausgewählt werden. Es ist nicht angedacht, dass alle Aufgaben und Materialien auf einer Doppelseite bearbeitet wird.

Aufgrund dieser zahlreichen Wahlmöglichkeiten haben wir überlegt, beispielhafte Stundenmodelle zu erarbeiten, von denen die ersten drei bereits verfügbar sind. Sie machen die enorme Arbeitserleicherung durch das Schulbuch deutlich, das die verschiedenen Elemente des Lehrplans zusammenführt und auf dieser Grundlage flexible Stundengestaltungen zulässt. Die Stundenentwürfe haben Modellcharakter und sollen eine möglichst hilfreiche Orientierung bieten, auch wenn sicher nicht jede/r die Unterichtsstunden genau so aufbauen wird:

Beispiele für Stundenmodelle zu einigen Doppelseiten (PDF)

Und noch eine abschließende Bemerkung: Vielleicht fragt sich der eine oder die andere LeserIn, warum ich an einem klassischen Schulbuch mitarbeite. Ausschlaggebend für die Entscheidung zur Mitarbeit war für mich die Aussage der beiden Herausgeber von „Das waren Zeiten“, die die Reihe seit 20 Jahren betreuen, in unserem ersten Gepräch: Wir wollen Geschichtsschulbücher für Kinder und Jugendliche machen. Bücher, die so ansprechend gestaltet und interessant sind, dass sie nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause zum Lesen in die Hand genommen werden. Das finde ich einen ebenso hervorragenden wie schwer einzulösenden Anspruch. Ob dies bei der Rheinland-Pfalz-Ausgabe gelungen ist, können nur die Leserinnen und Leser berurteilen.Ob dies bei der Rheinland-Pfalz-Ausgabe gelungen ist, können nur die Leserinnen und Leser berurteilen.

Aber noch ein weiterer grundsätzlicher Punkt spielte eine Rolle: Was das alltägliche, selbstverständliche Lernen mit digitalen Medien im Unterricht angeht, stehen wir trotz aller bisherigen Ausstattungsinitiativen, Leuchtturmschulen und -projekten immer noch am Anfang. Den meisten Schulen fehlt weiterhin schlicht die Infrastruktur, um durchgängig mit digitalen Materialien, ob nun als e- oder m-Book oder in Form von freien Modulen, zu arbeiten. Das zeigt sich auch daran, dass für den Einsatz multimedialer Schulbücher ausgewählte Projektschulen erst entsprechend ausgerüstet werden. Das ist in Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit den Schulbehörden und Schulträgern möglich, aber nicht für den einzelnen Schulbuchverlag.

Digitale Medien sind in der Fläche auch 2015 immer noch die Ausnahme und nicht der Normalfall. Deshalb spielt das klassische Schulbuch weiterhin eine zentrale Rolle für die Umsetzung des Lehrplans und die Gestaltung des Geschichtsunterrichts. Und daher lohnt es sich meines Erachtens auch, sich einzubringen und dazu beizutragen, dass Lernenden wie Lehrkräften möglichst gute Bücher zur Verfügung stehen, die sie dann als Ausgangspunkt, Steinbruch, Leitfaden oder Lesebuch nutzen können.

 

Den Pfannkuchen einmal wenden

Während es in England wie in Frankreich in letzter Zeit große nationale Debatten über die Ausrichtung des Geschichts- unterrichts gab, ist das aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland seltener. Nur die Diskussion uTossingPancakem den neuen Berliner Lehrplan hat leichte Wellen über die Hauptstadt hinaus geschlagen, wobei es vor allem um Fragen von Aufbau und Strukturierung des Lehrplans ging. In Frankreich wie in England geht es den Beitrag des Geschichtsunterrichts zu einer nationalen Identitätsbildung.

Owen Jones, Kolumnist beim Guardian, fordert eine linke nationale Geschichtserzählung: „We need to reclaim the English identity from the right and challenge the idea that English people are inherently conservative, that being English is all about kings and queens, empire and not being an immigrant.“

Stattdessen sollten frühe soziale und proto-demokratische Bewegungen in den Blick genommen werden, die Geschichte der Nicht-Privilegierten, der Unterdrückten, von unten gegen oben, von Widerstand und Aufständen, erfolgreich oder nicht, in denen Rechte verteidigt, eingefordert oder neu gewonnen wurden.

Das ist der nationalgeschichtliche Pfannkuchen einmal von rechts nach links gewendet. Trotzdem regt er zum Nachdenken an: Natürlich sind die Befähigung zum selbstständigen Denken und eines kritisches Geschichtsbewusstseins als zentrale Ziele eines kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts gesetzt, aber vielleicht sollten wir doch noch einmal einen Blick in die neueren Lehrpläne (u.a. NRW, RLP, Berlin) werfen, um zu prüfen, an welchen verpflichtend gesetzten Inhalten gearbeitet wird.

Wo finden sich dort die Geschichte von politischer und rechtlicher Emanzipation, wo sind die sozialen Bewegungen und Kräfte? Wo ist die Geschichte von Minderheiten, Unterdrückung und Aufbegehren dagegen im Geschichtsunterricht? Wo ist der Einblick in Strukturen und Mechanismen (historischer) Formen von Unterdrückung und Ausbeutung? Welchen Raum nehmen sie ein gegenüber dem in den Lehrplänen weiterhin dominierenden traditionellen und konservativen Geschichtsbild mächtiger (nicht mehr nur, aber doch noch überwiegend weißer) Männer?

Die Beschäftigung mit Geschichte ist nicht nur Sachwissen und Kompetenzen, sondern zentral für die Entwicklung einer eigenen Meinung und Haltung, von Moral und Urteilsbildung.

In der Geschichte „von unten“ steckt übrigens die Chance zur Überwindung der nationalen Narrative durch eine europäischen oder gar globalen Zugang im Geschichtsunterricht, gerade auch bei Themen wie z.B. dem Ersten Weltkrieg, die noch stark von nationalen Sichtweisen geprägt sind und diese allenfalls vergleichend nebeneinander stellen.

Daz zwei Beispiele aus dem neuen Teillehrplan Geschichte für die Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz, der ab 2016/17 gilt:

1) Dort werden unter „Inhalten“ zahlreiche Männernamen aufgelistet – von Solon über Maximilian von Habsburg bis zu Gorbatschow -, aber exakt nur eine Frau namentlich erwähnt – in einer optionalen Erweiterung gemeinsam mit ihrem Bruder: Hans und Sophie Scholl. Auch das Frauenwahlrecht wird nirgendwo explizit genannt.

2) Sklaverei kommt zwei Mal im neuen Lehrplan vor: in der Antike „als Wirtschaftsfaktor“ und in der Frühen Neuzeit unter „Erschließung neuer Handelsräume und Märkte“ verbunden mit dem „Grundbegriff“ Dreieckshandel. Abschaffung der Sklaverei? Fehlanzeige.

Konferenz Wikipedia in der Praxis – Geschichtsdidaktische Perspektiven

Nach #gld13 in München und #gld14 in Köln veranstaltet der Arbeitskreis „digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik“ der KGd eine weitere Tagung. Diese findet am 27. und 28. November 2015 in Fourth477-488Basel statt. Im Mittelpunkt steht diesmal die „Wikipedia“, die aus verschiedenen Winkeln geschichtsdidaktisch in den Blick genommen wird. Wie bereits bei der ersten Veranstaltung in München soll die Tagung als interaktive Netzkonferenz durchgeführt werden Das Programm sowie weitere Informationen finden sich bereits bei H-Soz-Kult online.

Aus Anlass der Tagung habe ich mal nachgeschaut: Hier im Blog sind seit 2009 ingesamt 22 Beiträge erschienen, die mit „Wikipedia“ verschlagwortet sind. Die einzelnen Beiträge sind in Umfang und Gehalt sehr heterogen. Die Wikipedia war 2009 tatsächlich eines der ersten Themen, das ich im Blog aufgegriffen habe. Alle bisherigen Beiträge zur Wikipedia finden sich hier in umgedrehter chronologischer Reihenfolge.

Für mich wird es eine spannende Zeitreise zur Vorbereitung auf die Tagung die alten Blogartikel noch einmal durchzulesen – und dabei vermutlich mehr als einmal aus heutiger Sicht mit Verwunderung auf frühere Überlegungen zu schauen… 😉

Lehrplanentwicklung: Dialog zwischen Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Schule und Bildungspolitik

In einem Beitrag für Public History Weekly forderte Holger Thünemann vor einigen Wochen „einen intensiven Dialog zwischen Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Schule und Bildungspolitik über Inhalts- und Relevanzfragen und nicht zuletzt darüber, was es eigentlich heißt, historisch zu denken“ im Hinblick auf die Gestaltung von schulischen Lehrplänen. Das wäre in der Tat überaus wünschenswert und eigentlich darüber hinaus auch notwendig. Thünemann diskutiert den neuen, bereits in Kraft getretenen Kernlehrplan Geschichte in NRW. So begrüßenswert die Initiative ist, sie kommt zu spät. Naheliegenderweise lassen sich im Vorfeld viel eher noch Einfluss nehmen und ggf. Änderungen bewirken als nach Inkrafttreten. Nachbesserung sind natürlich möglich, aber schwieriger umzusetzen.

Ebenso lesenswert wie der Beitrag sind die drei Kommentare, wobei ich besonders Christian Schmidtmann zustimme, dass die Vorgaben für Prüfungen die Unterrichtsgestaltung in bezug auf Inhalte und Methoden mindestens ebenso stark, wenn nicht sogar noch stärker bestimmen als die Lehrpläne. Wenn am Ende eine Klausur steht, dann ist offene Projektarbeit weniger zielführend als gezielte Klausurenvorbereitung durch die Bearbeitung schriftlicher Aufgaben. Anders sieht es aus, wenn eine Klausur z.B. durch einen Vortrag oder eine Ausarbeitung als Ergebnis einer längeren Projektarbeit ersetzt werden kann.

Wenn bei der Erarbeitung von Lehrplänen in einigen Bundesländern offenkundig aus den Universitäten weder Fachwissenschaftler noch Fachdidaktiker zu Rate gezogen werden, es gleichzeitig aber Kritik an diesen Lehrplanentwürfen gibt, frage ich mich, wo sind die Verbände der Historiker wie auch der Geschichtsdidaktiker, die sich mit öffentlichen Stellungnahmen in die Debatte einmischen könnten?

Es droht sonst neben den in Beitrag und Kommentaren genannten Fragen und Problemen übrigens auch eine Perpetuierung schulischer „Selbstläufer“, bei denen u.a. der „Absolutismus“, „Germanen“ sowie neuerdings auch „das Lehnswesen“ zu nennen sind.

Angesichts der Klage über die Gestaltung der Lehrpläne und mangelnde Einbeziehung von Fachdidaktik und -wissenschaft ist es bedauerlich, dass Angebote zur öffentlichen Diskussion, wie sie beim neuen Lehrplanentwurf Geschichte für die Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz gemacht wurden, nicht angenommen werden. Der Entwurf steht seit Oktober 2013 online auf den Seiten des rheinland-pfälzischen Geschichtslehrerverbands verbunden mit der ausdrücklichen Aufforderung zu Kommentaren und Kritik. Seit letztem Jahr hat Kommissionsmitglied Christian Sieber ein Blog eingerichtet, wo er die überarbeitete, aktuelle Version des Lehrplanentwurfs zum Download anbietet und einzelne Elemente des Entwurfs zur Diskussion stellt.

Die Einführung des Lehrplans ist für das Schuljahr 2016/17 geplant. Noch befindet sich der Entwurf im Anhörungsverfahren, die Einspruchsfrist und damit die Möglichkeit für Änderungen endet in Kürze.

mBook – Infos zum multimedialen Geschichtsbuch aus Eichstätt

Während es lange Zeit nur wenig bis keine Informationen zum mBook-Projekt gab (siehe auch 2 Jahre später hier), kann man mittlerweile einen Einblick in das digitale Geschichtsbuch erhalten.

Im Zug des Modellversuchs an 41 Schulen in NRW hat das „Institut für digitales Lernen“, das als „akademisches Spin-off“, also als ein aus der Universität ausgelagertes Unternehmen (genauer: einer GbR), funktioniert, grundlegende Informationen zum Konzept online gestellt.

[Korrektur: Auf Hinweis von Florian Sochatzy möchte ich hier klarstellen, dass die Evaluation des Unterrichtseinsatzes nicht durch das Institut selbst durchgeführt wird, sondern unabhängig durch andere Institutionen. Ich hatte die Formulierung  „Zugehörige Projekte sind […] in Zusammenarbeit mit dem Institut für digitales Lernen, einem wissenschaftlichen spin-off der Professur, die wissenschaftliche Begleitung der Einführung dieses digitalen Lernmittels in Realsituationen“ falsch interpretiert und bitte den Fehler zu entschuldigen.]

Seit Ende September steht ein eigener Image-Film des Instituts auf Youtube zur Verfügung:

Außerdem hat es das mBook in die Wikipedia geschafft und dort einen eigenen Eintrag (mBook-Projekt), der aber sprachlich vor allem durch die unkritische Übernahme der Begriffe der mBook-Macher auffällt. Kritische Anmerkungen z.B. über Verlinkung zu einem Beitrag hier im Blog wurden mittlerweile dort entfernt (siehe auch die Diskussionsseite zum Beitrag). Hauptautor des Wikipedia-Artikels ist unter dem Benutzernamen „Wikiautor1410“ übrigens Florian Sochatzy, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Für den Modellversuch in NRW wurde (endlich!) ein Teilkapitel zur öffentlichen Ansicht freigegeben. Wer sich also selbst ein Bild von mBook machen möchte, findet Zugangsdaten zu einer im Funktionsumfang reduzierten Testversion zum Thema „Erster Weltkrieg“ auf den Seiten der Medienberatung NRW.

Spontan ins Auge gesprungen sind mir u.a. die nicht an einen Bildschirm angepassten Textseiten, die langes Scrollen notwendig machen, die vielfach mangelnde historische Einordnung von Bildquellen (Autor, Jahr etc.), fehlende kollaborative Elemente sowie die offensichtlich weiterhin unvermeidliche (?) Verwendung von W-Fragen.

Sowohl aus einer Schule in NRW wie auch aus Ostbelgien finden sich auf Youtube zwei kurze Filme aus Schulsicht zum mBook. Spannend ist die unterschiedliche Bewertung des Buchs. Zudem fallen in dem Video des Rivius-Gymnasiums die zum Teil suggestiven Fragen sowie das vom Bildschirm Ablesen der vorbereiteten Antworten durch die Schülerinnen und Schüler auf.

Tagungsband: Geschichte lernen im digitalen Wandel

gld13 pub

Der von Marko Demantowsky und Christoph Pallaske herausgegebene Band mit den Beiträgen der Münchner Tagung „Geschichte lernen digital“ vom März 2013 ist nun als Printversion sowie online als Open Access erschienen. Den Herausgebern sei herzlich gedankt für das ganze Unternehmen und die geleistete Arbeit und den Beiträgen sei eine breite Rezeption gewünscht, die hoffentlich die Debatte über historischen Lernen „unter den Bedingungen der Digitalisierung“ noch einmal voranbringt.

Potentiale mobilen Geschichtslernens für (kleine) Gedenkstätten

1404429078

Vortrag bei der Landesarbeitgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in RLP am 15.11. in Laufersweiler

Allgemein wird unter M-Learning bzw. mobilem Lernen, abgeleitet vom Begriff des E-Learning, das Lernen mit mobilen Endgeräten wie Tablets oder Smartphones verstanden. Diese Geräte erlauben über einen Internetzugang potentiell überall und zu jeder Zeit Informationen, digitalisieret Artefakte und Dokumente abzurufen (Kulturzugang) sowie eigene Inhalte zu produzieren, zu veröffentlichen und mit anderen zu teilen bzw. zu kommunizieren (Partizipation).

Was bedeutet das für historisches Lernen speziell an Gedenkstätten?

Aus schulischer Sicht unterscheidet sich Lernen an Gedenkstätten in zwei wesentlichen Punkten vom Unterrichtsgeschehen im Klassenraum: Gedenkstätten befinden sich an historischen Orten, zunächst einmal unabhängig davon, wieviel dort noch zu sehen bzw. erhalten ist. Damit einhergeht, dass es in irgendeiner Form ein Gebäude oder zumeist sogar ein größeres Gelände gibt, das es zu erkunden und dessen Geschichte es zu vermitteln gibt. Im Gegensatz zum Klassenraum gehört also Mobilität, im Sinne von der Bewegung im Raum, als inhärentes Merkmal zum Lernen an Gedenkstätten.

Die Geländeerschließung und -erkundung kann folglich auch mit mobilen Endgeräten erfolgen, die eine orts- und zeitunabhängige Bereitstellung von Informationen ermöglichen. Das ist per se nichts Neues für Museen und Gedenkstätten: Informationstafeln und/oder Audio-Guides, die den Besuchern das selbstständige Erschließen des Geländes erlauben, werden schon lange verwendet. Der Einsatz von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets als Lernwerkzeuge vor Ort unterscheidet sich aber grundlegend von den bisherigen Angeboten.

Was ist jetzt neu mit digitalen Endgeräten bzw. beim mobilen Lernen?

An dieser Stelle seien fünf Punkte herausgegriffen:

1) Es lassen sich mit geringem Kostenaufwand differenzierte Angebote machen. Während besonders auf Infotafeln aber auch auf Audioguides der Raum der Darstellung begrenzt ist, können digital mehrere Versionen, die in Länge, Schwierigkeitsgrad, inhaltlichem Fokus, Unterstützung durch Bilder, Videos etc. variieren, angeboten werden ebenso wie unterschiedliche Sprachversionen. Der Besucher wählt dann jeweils über sein Gerät die gewünschte Darstellung aus. Erhöht ist damit natürlich der Produktionsaufwand zum Erstellen der Texte und Präsentationen. Allerdings ist digitales Arbeiten auch immer work in progress. Nicht alles muss zu einem Termin fertig sein. Einzelne Elemente können bereits veröffentlicht, andere je nach Zeit und Möglichkeiten nach und nach ergänzt werden. Das ist besonders für kleine, ehrenamtlich arbeitende Einrichtungen und Vereine eine gute Botschaft: Dort ist oft viel Engagement oft vorhanden, aber was häufig fehlt ist das Geld und oft auch Zeit. Das Kreieren digitaler Angebote kommt dieser Arbeitssituation entgegen.

Differenzierte Angebote können über digitale Medien auch im pädagogischen Bereich gemacht werden. Produkt-orientiertes Lernen wird vereinfacht und kann individualisiert werden. So können den einzelnen Besuchern, wie auch Schul- oder Jugendgruppen, unterschiedliche Zugänge zum Thema angeboten werden. Nicht mehr alle Teilnehmenden lernen dasselbe mit denselben Mitteln, sondern der eine nutzt eine digitale Kamera oder die Fotofunktion des Handys, um sich den Ort auf diese Weise zu nähern, eine andere Gruppe befragt andere Besucher und wertet die mit dem Handy aufgezeichneten Gespräche aus, wieder andere erstellen einen Geocache oder eine Hör- oder Videobeitrag zu einer selbst gewählten Fragestellung. Rezipiert werden diese Produkte durch die anderen Mitglieder der Gruppe oder sie werden dauerhaft zugänglich gemacht, z.B. über die Homepage des Vereins, für alle Interessierten.

2) Gleichfalls im Gegensatz zu Infotafeln und Audioguides sind digitale Angebote leicht und einfach veränderbar und auch noch nachträglich korrigierbar, z.B. um Fehler oder missverständliche Darstellungen zu berichtigen oder neuere Forschungsergebnisse aufzunehmen. Insgesamt sinken zudem die Kosten, weil nicht mehr so viele Tafeln oder Audioguides angeschafft werden müssen, sondern nur noch eine kleinere Anzahl von Geräten für diejenigen Besucher, die selbst kein Smartphone oder Tablet dabei haben.

Digitale erstellte Elemente können darüber hinaus auch immer wieder neu verwendet, in andere Zusammenhänge gesetzt oder einfach überarbeitet werden. Langfristig spart die Arbeit durch Remix und Teilen knappe Ressourcen. Die Nutzung von Public Domain– und Creative Commons-Lizenzen für die verwendeten und erstellten Materialien können diesen Prozess unterstützen und vereinfachen.

3) An zahlreichen historischen Orten sind keine oder kaum noch Spuren vorhanden. Uwe Bader, Leiter des Referats Gedenkarbeit der LpB RLP, hat es vor kurzem so formuliert: Es geht darum „etwas sichtbar machen, was nicht sichtbar ist“.  Hier bietet augmented reality interessante Gestaltungs- und Zugangsmöglichkeiten. Digitale Endgeräte können durch historische Fotos, Zeichnungen oder Videos Eindrücke von dem Zustand des Ortes zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt vermitteln. Anders als bisher ist man dabei nicht mehr auf ggf. sichtversperrende, aber zumindest das Gelände verändernde Informationstafeln angewiesen oder auf die Wiedergabe innerhalb einer Ausstellung, sondern kann im Gelände die Position des Fotografen bzw. Zeichners versuchen einzunehmen (sofern heute zugänglich und möglich). Auch Orte, z.B. Häuser in Privatbesitz, an denen keine Informationstafel angebracht werden kann, können so mit dem Blick durch die Linse des Smartphones oder Tablets in der Wirklichkeit angereichert werden, so dass man auf dem Gerät Informationen zu dem Ort erhält oder alte Aufnahmen sehen kann

Bei dieser Anschauung und der platten Erkenntnis „Ach, so sah das damals aus!“ sollte man aber nicht stehenbleiben, sondern, wie Christian Bunnenberg auf einer Tagung letzte Woche zu Recht anmerkte, auch das didaktische Potential Möglichkeit darüber hinaus zu fragen: „Welchen Blick nehme ich hier am Ort mit diesem Foto oder dieser Zeichnung ein?“ „Warum hat der Autor das Bild in dieser Weise aufgenommen?“ usw. Dies ermöglicht den Vergleich von Täter- und Opferperspektive auf denselben Ort und führt zu weiterführenden Fragen und einer vertieften Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes.

4) Für die Besucher besteht mit ihren eigenen digitalen Endgeräten immer auch die Möglichkeit auf dem Gelände mit anderen Personen wie auch über dessen Grenzen hinweg zu kommunizieren. Ein dialogisches Verfahren ist bei persönlichen Führungen nichts Neues. Bei Infotafeln oder Audioguides ist die Vermittlung allerdings als Einbahnstraße angelegt. Nun können die Besucher Fotos machen, Kommentare hinterlassen, ihre Erfahrungen, Einsichten aber auch Missverständnisse oder Unzufriedenheit direkt nach außen kommunizieren: Das passiert gegenwärtig bereits immer, unabhängig davon ob eine Institution das möchte oder nicht. (Negativ-Beispiel: „Auschwitz-Selfies“).

Kommunikation im digitalen Raum zuzulassen bedeutet natürlich auch Öffnung, verbunden mit der Frage: Ob hier für Gedenkstätten ein Potential liegt, dass man nutzen könnte? Oder überwiegt die Angst vor einem Kontrollverlust? Will man doch in der Regel eine historisch korrekte Darstellung, Einbettung und Deutung des Geschehens am Ort vermitteln. Vielleicht ist es aber auch nicht verkehrt mit eigenen Angeboten im Web 2.0 präsent zu sein, zum einen um die veränderten Möglichkeiten von Kommunikation, Auseinandersetzung und Aneignung zu nutzen, zum anderen aber auch um vorhandenen revisionistischen und rechtsextremen Darstellungen aktiv etwas entgegenzusetzen.

5) Fügt man beide oben genannten Punkte zusammen: das Erstellen und Veröffentlichen eigener Produkte und das Angebot differenzierter Zugänge so ergibt sich über die Nutzung digitaler Medien eine erweiterter Palette aktivierender Gestaltungs- und kreativer Auseinandersetzungsmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit gerade mit Kindern und Jugendlichen (eigene Rundgänge zusammenstellen, für andere Schülergruppen, jüngere Klassen Materialien, Angebote erarbeiten). Auch Rätsel und spielerische Elemente, sofern je nach Ort und Thema gewünscht, sind leichter erstellbar.

Zuletzt ein Blick nach Laufersweiler: Hier ist es nicht nur der erhaltene Synagogenbau mit Ausstellung und Studienzentrum, sondern im gesamten Dorf finden sich Teile eines Erinnerungsensembles. Es handelt sich also um ein weitläufiges Gelände mit auseinanderliegenden Orten und wie man am Weg der Erinnerung sehen kann mit Infotafeln nicht immer am historischen Ort, wo sich dieser in Privatbesitz befindet. In den letzten beiden Jahren wurden hier vom Förderverein einige Projekte begonnen bzw. teilweise bereits umgesetzt, die pädagogische Gedenkstättenarbeit mit Jugendlichen und digitale Medien auf beispielhafte Weise verbinden.

Aus schulischer Sicht besonders hervorzuheben ist, dass hier mit Schülerinnen und Schülern gearbeitet wird, die selbst Produkte erstellen, die im Anschluss allen Besuchern vor Ort oder über die Homepage zugänglich gemacht werden. Es sind also nicht die Mitglieder des Fördervereins die Angebote mit „neuen Medien“ für Jugendliche erstellen – was oft nicht gut funktionier -, sondern dass Schülerinnen und Schüler aus Schulen der Umgebung werden begleitet, selbst Angebote für ihre Altersgenossen zu erstellen. Man sollte auf keinen Fall der Illusion erliegen, „mal etwas im Internet oder mit den neuen Medien zu machen“ und damit Begeisterung oder Interesse zu wecken. Nur weil etwas „im Internet“ steht, wird es noch lange nicht gefunden, das heißt Interesse ist hier in der Regel Voraussetzung und nicht Folge, und zudem sind Medien in diesem Fall Mittel und kein Selbstzweck, es kommt also entscheidend auf Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten an.

In der kreativen und gestalterischen Arbeit mit Jugendlichen liegt ein großes Potential für die Zusammenarbeit mit Schulen wie auch außerschulischen Einrichtungen, das viele Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen bereits erkannt haben und in unterschiedlichen Workshops und Projekten nutzen. Digitale Medien erweitern die Ausdrucks-, Kommunikations- und Gestaltungsmöglichkeiten der Teilnehmenden. In einigen Fällen kann die eigenständige Arbeit mit digitalen Medien ein Mittel sein, um einzelne Jugendliche durch Differenzierung und Individualisierung von Zugängen, Lernwegen und Lernprodukten mit einem inhaltlichen Thema zu erreichen, mit dem sie sich sonst gar nicht oder ungern auseinandergesetzt hätten.

Folgende Angebote der Ortserkundung mit digitalen Medien gibt es zur Zeit in Laufersweiler:

QR-Codes am Erinnerungsort hinter der Synagoge. Weitere QR-Codes zum Weg der Erinnerung, zum jüdischen Lyrikpfad und Friedhof sind geplant: Sie geben an verschiedenen Orten jeweils zusätzliche Informationen, die über ein Smartphone oder Tablet aufrufbar sind. Bislang handelt es sich um Texte. Es können auch Bilder oder Videos integriert werden.

Eine Art „Rätsel“-Rundweg durch das Dorf anhand von GPS-Daten: Notwendig ist ein GPS-Gerät oder Smartphone sowie die Informationen zum Rundgang mit den GPS-Daten für den Ausgangpunkt. Über Rätsel entdecken die Nutzer einzelnen Stationen zu jüdischem Leben im Dorf und erhalten dann jeweils vor Ort noch Informationen zur jeweiligen Station.

Geplant ist ein virtueller Rundgang, mit Hilfe von auf einer Karte verorteten Fotos die Geschichte der Wohnhäuser und erzwungenen Wohnsitzen der jüdischen Bevölkerung sowie damit verbundenen Enteignungen auf Grundlage der Unterlagen der französischen Besatzungsbehörden dokumentiert.