Wikipedia: Wie schreibe ich einen guten Geschichtsartikel

Die letzte Bearbeitung ist schon anderthalb Jahre alt, aber ich habe den Artikel  jetzt erst entdeckt und er passt gerade so gut. Nicht nur zur Karnevalszeit sehr schön zu lesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wie_schreibe_ich_einen_guten_Geschichtsartikel

… und vielleicht auch mal eine augenzwinkernde Alternative zu trockener Methodeneinführung und erhobenem Zeigefinger in der Oberstufe! 😉

1769: Korsikas Platz in der Weltgeschichte

„Ein kleines Volk auf einer mässigen Insel im mittelländischen Meere, das den Paoli an der Spitze, und warmes Gefül von Freiheit, Vaterland und Tyrannei im Busen hat; ein Volk, das weder herrschen noch gehorchen will, kämpft […] um die Rechte der Menschheit und seine eigenen Rechte. Bald wird es nicht mehr seyn, dieses kleine verlassne Volk: oder es wird mal unabhängig seyn, dieses tapfere und der Unabhängigkeit würdige Volk! Dies ist das Volk, dessen Geschichte ich hier beschreibe […]

Überhaupt ward Corsica ein Muster einer wohlgeordneten Democratie. […] Seit der Zeit [nachdem Schlözer bereits geschrieben hatte] hat Corsica seinen PAOLI, seine Freiheit, und mit beiden zugleich sein Interesse verloren. Nunmer würde ich verlegen seyn, wenn mich jemand fragte: ob dieses Eiland auch wirklich ein eigenes Bändgen in der Weltgeschichte verdiene?“

aus: August Ludwig Schlözer, Kleine Weltgeschichte. Num. I. Geschichte von Corsica, Göttingen/Gotha 1769, S. 6, 111, 125.

Eine spannende und m.W. noch ausstehende Aufgabe wäre es, die Rezeption der korsischen Ereignisse in der europäischen Aufklärung und ihre mögliche Wirkung auf die nachfolgenden Revolutionen zu untersuchen.

Die Haitianische Revolution

Arte hat am Samstag eine sehenswerte Dokumentation über die Haitianische Revolution von 1791 gezeigt, die auf den Videos bei Arte zur Zeit auch noch auf Deutsch komplett zu sehen ist (Update: mittlerweile leider nicht mehr). Die Revolution war ein epochemachendes Ereignis, das allerdings aus den Schulgeschichtsbüchern vollständig verschwunden ist, bzw. besser: nie Eingang in diese gefunden hat (warum eigentlich?). Für den Unterricht wären Haiti und seine Geschichte nicht nur wegen des  aktuellen Jahrestags des schweren Erbebens interessant.

In der Haitianischen Revolution befreiten sich Schwarze selbst vom Joch der Sklaverei und gründeten einen eigenen Staat. Ohne das im Detail nachgeschaut zu haben, fallen mir aus Unterricht und Schulbüchern nur Beispiele ein, in denen Weiße für die Abschaffung der Sklaverei eingetreten sind; die jungen Vereinigten Staaten (mit klarer Rollenverteilung von gut und böse) führten über diese Frage sogar einen Bürgerkrieg.

Ähnlich, wie es wichtig ist, Juden nicht nur als Opfer der Shoah, sondern als Individuen und Handelnde zu zeigen, müsste dies auch für „Schwarze“ gelten. Es ließe sich daran anschließend fragen, welches Bild von „Schwarzen“ im Geschichtsunterricht in Deutschland überhaupt vermittelt wird? Vermutlich eines, dass sie  überwiegend als passive Opfer europäischen Sklavenhandels und Imperialismus zeigt (siehe dazu auch den Beitrag hier). Dass  das in höchstem Maße problematisch ist, braucht hier wohl nicht weiter ausgeführt zu werden, scheint aber ein weiterer Punkt, der für die Einführung einer globalgeschichtlichen Perspektive im Geschichtsunterricht spricht.

Im letzten Vor zwei Jahren ist zur Haitianischen Revolution ein bemerkenswertes Buch mit zwei Essays erschienen, in denen die Autorin

„Buck-Morss zeigt, wie die Haitianische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts einen der bekanntesten deutschen Philosophen, G.W.F. Hegel, maßgeblich in seinem frühen Hauptwerk, der ‚Phänomenologie des Geistes“, geprägt und beeinflusst hat. […] die Französische Revolution proklamierte zwar die Allgemeinen Menschenrechte im Jahre 1791. Jedoch wiesen zeitgenössische Kritker/innen wie beispielsweise die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges schon damals darauf hin, dass die Forderungen nach Freiheit und Gleichberechtigung, die als universell postuliert worden waren, in Wirklichkeit sehr partikular waren und bestimmte Gruppen nicht in das Universalismusversprechen einbanden, wie etwa die Frauen, denen weiterhin politische Rechte vorenthalten wurden. Die Haitianische Revolution stellte in dieser Hinsicht eine Radikalisierung der Französischen Revolution dar, weil sie die Gleichheit und Gleichberechtigung auch für Schwarze einforderte und dadurch realisierte, dass die Sklaven sich aus ihrer Knechtschaft befreiten. Dieses weltgeschichtliche Ereignis wurde, folgt man der Interpretation von Buck-Morss, zur zentralen Referenz der frühen Hegelschen Philosophie. Hegel war somit einer der wenigen Zeitgenossen, die die Bedeutung des ersten erfolgreichen Aufstandes von Sklav/innen, an dessen Ende die Proklamation der Unabhängigkeit der Republik Haiti am 1. Januar 1804 stand, erkannt hatten.“ (Zitat aus der Rezension auf h-soz-kult)

Der Rezensent weist übrigens darauf hin, dass nach Michel-Rolph Trouillot in der Folge „die Haitianische Revolution zu einem ‚undenkbaren Ereignis‘ wurde, weil sie eben nicht mit dem rassistischen Weltbild der Handlungsmacht schwarzer Menschen vereinbar“ gewesen sei. Das könnte auch eine mögliche Erklärung für den Ausschluss des Themas aus dem klassischen Schulgeschichtsunterricht sein. Das Buch von Susan Buck-Morss, Hegel, Haiti and Universal History, Pittsburgh 2009, findet sich übrigens in Auszügen auf Google Books.

Darüber hinaus ist noch das Louverture-Projekt hinzuweisen: ein englischsprachiges Wiki zur Geschichte Haitis zwischen 1791 und 1804, benannt nach dem führenden General der Revolution, sowie zu den Seiten der Duke Universität zur haitianischen Unabhängigkeitserklärung im britischen Nationalarchiv.

Außerhalb Haitis steht u.a. in Bordeaux seit 2005 ein kleines Denkmal, das an Toussaint Louverture erinnert; in Quebec seit 2010.

Der Winter 1783/1784 und die Hochwasserkatastrophe von 1784

„Der extreme Winter von 1783/84 der nördlichen Hemisphäre war Resultat einer natürlichen Klimaveränderung. Der Nordwinter 1783/84 gilt als einer der härtesten überhaupt in Mitteleuropa, war aber auch in Nordamerika und Asien bedeutsam. Diesem folgten extreme Überschwemmungen im Februar/März 1784 in Mitteleuropa, die als eine der größten Naturkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa angesehen werden. Die Ursache dafür wird in besonders schwefelreichen oder besonders heftigen und aschereichen vulkanischen Eruptionen gesehen, die sich in Island und Japan ereigneten.“ Weiterlesen in der Wikipedia.

Einen umfangreichen Artikel zum Thema bietet auch Bernd Nebel auf seiner Seite mit einer Übersicht der in „Deutschland“ vom Hochwasser 1784 zerstörten Brücken. Auf Archivalia sind einige digitalisierte Bücher mit zeitgenössischen Beschreibungen der Katastrophe von 1784 verlinkt.

Zu den Zusammenhängen bzw. Auswirkungen dieser Klimaphänomene auf die Französische Revolution siehe die Seiten 214ff. in der Kulturgeschichte des Klimas von Wolfgang Behringer.

 

 

Geschichte muss mehr sein als Entertainment

Das „Problem des deutschen Geschichtsfernsehens ist nicht allein, dass historische Ereignisse auf dem Bildschirm immer häufiger in Gestalt einer sich als Wirklichkeit aufspielenden Fiktion daherkommen. Vielmehr ist hier die Vergangenheit im Lauf der Jahre langsam aber sicher unschädlich gemacht worden.“

Die Überschrift und das Zitat stammen aus einem lesenswerten Artikel von Christian Staas in der Zeit Online. Selbstverständlich muss Geschichtsfernsehen anschaulich sein und auch Quote machen, trotzdem würde ich dem Autor zustimmen: Die meisten Produktionen, vor allem der Dokutainment-Fabrik von ZDF History, bleiben hinter den Möglichkeiten des Mediums zurück, Geschichte zugleich unterhaltsam und differenziert zu präsentieren.

Die eingesetzten modernen filmischen Mitteln machen die Faszination der Darstellung aus. Teilweise mag es aber auch einfach nur „cool“ sein, wenn Franken Sachsen mit schnellen Schnitten wie in Musikvideos oder Actionfilmen zu Metal-Klängen durch den Wald jagen. Dagegen ist nichts einzuwenden und ich denke, das macht zu Recht einen Großteil des Erfolgs der Serie aus.

Das Problem liegt meines Erachtens woanders: Ein Problem, dass ich speziell bei der Serie „Die Deutschen sehe, ist, dass hier eine große personalisierte Nationalgeschichte in der Form einer multimedialen Meistererzählung versucht wird. Was macht z.B. eine Gestalt wie „Karl der Große“ überhaupt in einer Sendereihe über „Die Deutschen“? Das ist von der Programmatik eine nationalgeschichtliche Vereinnahmung, wie sie im 19. Jahrhundert üblich war, aber eigentlich seit spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts  überwunden schien. Man darf davon ausgehen, dass sich ein  pflichtbewusst eingeflochtener Halbsatz, dass zur Zeit Karls keineswegs von „Deutschen“ (oder „Franzosen“) gesprochen werden kann, schlicht versendet.

Eine differenziertere Darstellung ist dringend nötig und müsste der Sehfreude keineswegs schaden. Aber wer mit dem Anspruch auftritt,  Geschichte zu vermitteln (in Kooperation mit dem deutschen Geschichtslehrerverband!), sollte mehr bieten als das unterhaltsame Inszenieren von Erzählungen. Diese haben auch ihre Berechtigung als Spielfilm oder historischer Roman, aber Geschichte ist eben mehr als nur Entertainment.

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Zur Kritik an der Serie siehe auch die Zitate aus Welt, FAZ und Stern im entsprechenden Wikipedia-Artikel.

Die Geschichte Lettlands

in 8 Minuten Puppentrickfilm:

Interessant an dem (auch ohne Lettischkenntnisse unterhaltsamen) Film ist die lettische Perspektive auf die eigene und europäische Geschichte. Die Letten werden repräsentiert durch einen blonden Mann und ein Holzhaus, das trotz aller Kriege unzerstört bleibt.  Sie sind vor allem Opfer und Überlebenskünstler: Die Geschichte beginnt mit der Missionierung durch Albert 1201. Der Rest ist eine Abfolge von Eroberungen, Durchzügen und Rückeroberungen (u.a. Schweden, Russen, Deutsche).

Die Konstanten bilden dabei der blonde Lette und sein Haus. Er legt fremde Uniformen und Kleidung  jeweils nur an, um sie danach wieder abzulegen oder gegen andere einzutauschen. Gefährlich scheint mir die dem harmlos anmutenden Film zugrunde liegende, vermutlich unreflektierte Idee einer (völkischen) Einheit und Kontinuität seit dem Mittelalter. Andere (historische) Bevölkerungsgruppen und Migrationsbewegungen kommen nicht vor: Fremde werden mit Eroberern gleichgesetzt und verlassen das Land wieder. Das ist ein hochaktuelles – nicht nur für Lettland mit seinem großen Anteil russischsprachiger Einwohner – und bedeutsames Thema, da unsere Geschichts-Vorstellungen hier unsere aktuellen politischen Einstellungen in hohem Maße bestimmen.

Natürlich macht der Film (zumindest mir) Spaß beim Anschauen, gerade auch die kleinen Details der Darstellung, allerdings werden – wie oben gezeigt – unterschwellig problematische Botschaften transportiert. Darüber sollte man sich klar sein und dies ggf. bei einem Einsatz im Unterricht reflektieren, z.B. im Hinblick auf eine mögliche Darstellung der deutschen Geschichte (siehe auch die Darstellung Polens in einem kurzen Animationsfilm für die Expo hier) .

Online-Museum zur Migration

Wer es noch nicht kennt, der Blick lohnt: Lebenswege heißt das Online-Migrations-Museum Rheinland-Pfalz. Die Seiten sind im nüchternen Corporate Design des Landes gehalten und bieten eine Fülle von Informationen zur Geschichte der Migration im 20. Jahrhundert: kurze Texte, die  in die Themen einführen, und zahlreiche digitalisierte Quellen (vor allem Fotos und Zeitungsausschnitten). Das Herzstück  sind Beschreibungen von „Lebenswegen“, die mit Bildern und Dokumenten aus dem Privatfundus und Audioausschnitten aus Gesprächen anschaulich präsentiert werden. Die Seiten eignen sich sowohl für den Einsatz in der Mittel- wie Oberstufe. Gleichfalls hilfreich für den Unterricht sind die Überblicke zu Literatur und Filmen, die Geschichte und Aktualität der  Migration in Deutschland thematisieren.

Zwei Newsletter, die sich lohnen:

eurotopics: http://www.eurotopics.net/de/presseschau/aktuell.html

Tägliche Presseschau aus den großen Zeitungen Europas. Parallel verfügbar auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Polnisch. Viele Zusammenfassungen von Artikeln zu geschichtskulturellen Themen und Kontroversen, die sich u.a. sehr gut für den Unterrichtseinstieg eignen und in einem gut organisierten Online-Archiv leicht zugänglich sind.

Qantara.de: http://de.qantara.de/

Der Untertitel „Dialog mit der islamischen Welt“ sagt schon das Wichtigste. Die Internetseite mit dem Newsletter ist ein gemeinsames Projekt von DW, BpB, Goethe-Institut und ifa. Die Seiten bieten ausgewogene und hintergründige Informationen aus „der“ islamischen Welt. Mit  fundierten und abwechslungsreichen Berichten arbeitet die Plattform an gegen die falsche, aber leider weit verbreitete Gleichsetzung von Islam = gewaltbereite Religion = Terrorismus. Die Seiten sind u.a. auch auf Englisch und Türkisch verfügbar.  Die Beiträge im aktuellen Newsletter reichen vom „Vormarsch“ des Islamismus auf dem Balkan über ein Essay zu Obamas mangelhafter Friedenspolitik in Palästina und Israel bis hin zu einem Bericht über eine muslimische Universität in den USA. Anküpfungspunkte für den Geschichts- und Politikunterricht gibt es also zahlreiche.

Arminius vs. Varus

Dossier zur Varusschlacht auf dem Internetportal Westfälische Geschichte (Hinweis via Archivalia). Die relevanten Quellenauszüge sind dort auch online in Original und Übersetzung veröffentlicht. Darüberhinaus bietet das Dossier eine Zeitleiste, einen Überblick über die Literatur zum Thema sowie Einblick in den geschichtskulturellen Niederschlag der Schlacht, u.a. mit interessanten Kapiteln über den Film „Hermannschlacht“ von 1924 und zum „Varus-Jahr“ 2009.

Für weitere Online-Materialien zum Thema siehe auch hier.

Geschichtswettbewerb: Projektideen für Koblenz