Eine gemeinsame europäische Erinnerung an den Ersten Weltkrieg?

Cartoon "Kill that Eagle" from: European Revue 1914

Cartoon „Kill that Eagle“ from: European Revue 1914. (CC BY SA 2.0)

Für ein neues Projekt mit einem vergleichenden Ansatz zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg bin ich auf der Suche nach einem passenden Titelbild, das die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg mit einer europäischen Perspektive verbindet. An dem Projekt nehmen Schulen aus England, Frankreich sowie Aserbaidschan teil.

Bilder, die ein spezifisches Kriegerdenkmal oder ein Kreuz zeigen, scheiden aus, weil sie immer weitere am Krieg beteiligte Gruppen und ihre Erinnerung ausschließen. Alle Bilder, die ich bislang gefunden habe, repräsentieren eine rein nationale Perspektive.

Albin Egger-Lienz, Leichenfeld II, 1917/18. (Public domain)

Albin Egger-Lienz, Leichenfeld II, 1917/18. (Public domain)

Dass das nicht ganz einfach würde, war klar. Sönke Neitzel hat in seiner Keynote am zweiten Tag der Europeana-Konferenz in Berlin darauf hingewiesen, dass (fast) alle Europäer die Gewalterfahrung des Ersten Weltkriegs teilen und dies ein Ansatzpunkt einer gemeinsamen Erinnerungskultur sein könnte.

Versuche ich jedoch ein Bild auszuwählen, so zeigt dieses immer die Soldaten eines Landes oder eine bestimmte Stadt, die zerstört wurde. Meine Frage ist nun: Hat jemand eine Idee, einen Vorschlag für ein mögliches Symbolbild? Oder ist die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg weiterhin so stark national geprägt, dass es einfach kein Foto gibt, das eine europäische Perspektive wiedergeben könnte?

Dann bliebe letztlich immer noch die Möglichkeit einer Collage mehrerer Bilder, die die jeweilige nationale Perspektive der beteiligten Länder symbolhaft verdichtet nebeneinanderstellt und damit vielleicht auch dem vergleichenden Ansatz des Projekts am ehesten gerecht wird…

Potentiale mobilen Geschichtslernens für (kleine) Gedenkstätten

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Vortrag bei der Landesarbeitgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in RLP am 15.11. in Laufersweiler

Allgemein wird unter M-Learning bzw. mobilem Lernen, abgeleitet vom Begriff des E-Learning, das Lernen mit mobilen Endgeräten wie Tablets oder Smartphones verstanden. Diese Geräte erlauben über einen Internetzugang potentiell überall und zu jeder Zeit Informationen, digitalisieret Artefakte und Dokumente abzurufen (Kulturzugang) sowie eigene Inhalte zu produzieren, zu veröffentlichen und mit anderen zu teilen bzw. zu kommunizieren (Partizipation).

Was bedeutet das für historisches Lernen speziell an Gedenkstätten?

Aus schulischer Sicht unterscheidet sich Lernen an Gedenkstätten in zwei wesentlichen Punkten vom Unterrichtsgeschehen im Klassenraum: Gedenkstätten befinden sich an historischen Orten, zunächst einmal unabhängig davon, wieviel dort noch zu sehen bzw. erhalten ist. Damit einhergeht, dass es in irgendeiner Form ein Gebäude oder zumeist sogar ein größeres Gelände gibt, das es zu erkunden und dessen Geschichte es zu vermitteln gibt. Im Gegensatz zum Klassenraum gehört also Mobilität, im Sinne von der Bewegung im Raum, als inhärentes Merkmal zum Lernen an Gedenkstätten.

Die Geländeerschließung und -erkundung kann folglich auch mit mobilen Endgeräten erfolgen, die eine orts- und zeitunabhängige Bereitstellung von Informationen ermöglichen. Das ist per se nichts Neues für Museen und Gedenkstätten: Informationstafeln und/oder Audio-Guides, die den Besuchern das selbstständige Erschließen des Geländes erlauben, werden schon lange verwendet. Der Einsatz von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets als Lernwerkzeuge vor Ort unterscheidet sich aber grundlegend von den bisherigen Angeboten.

Was ist jetzt neu mit digitalen Endgeräten bzw. beim mobilen Lernen?

An dieser Stelle seien fünf Punkte herausgegriffen:

1) Es lassen sich mit geringem Kostenaufwand differenzierte Angebote machen. Während besonders auf Infotafeln aber auch auf Audioguides der Raum der Darstellung begrenzt ist, können digital mehrere Versionen, die in Länge, Schwierigkeitsgrad, inhaltlichem Fokus, Unterstützung durch Bilder, Videos etc. variieren, angeboten werden ebenso wie unterschiedliche Sprachversionen. Der Besucher wählt dann jeweils über sein Gerät die gewünschte Darstellung aus. Erhöht ist damit natürlich der Produktionsaufwand zum Erstellen der Texte und Präsentationen. Allerdings ist digitales Arbeiten auch immer work in progress. Nicht alles muss zu einem Termin fertig sein. Einzelne Elemente können bereits veröffentlicht, andere je nach Zeit und Möglichkeiten nach und nach ergänzt werden. Das ist besonders für kleine, ehrenamtlich arbeitende Einrichtungen und Vereine eine gute Botschaft: Dort ist oft viel Engagement oft vorhanden, aber was häufig fehlt ist das Geld und oft auch Zeit. Das Kreieren digitaler Angebote kommt dieser Arbeitssituation entgegen.

Differenzierte Angebote können über digitale Medien auch im pädagogischen Bereich gemacht werden. Produkt-orientiertes Lernen wird vereinfacht und kann individualisiert werden. So können den einzelnen Besuchern, wie auch Schul- oder Jugendgruppen, unterschiedliche Zugänge zum Thema angeboten werden. Nicht mehr alle Teilnehmenden lernen dasselbe mit denselben Mitteln, sondern der eine nutzt eine digitale Kamera oder die Fotofunktion des Handys, um sich den Ort auf diese Weise zu nähern, eine andere Gruppe befragt andere Besucher und wertet die mit dem Handy aufgezeichneten Gespräche aus, wieder andere erstellen einen Geocache oder eine Hör- oder Videobeitrag zu einer selbst gewählten Fragestellung. Rezipiert werden diese Produkte durch die anderen Mitglieder der Gruppe oder sie werden dauerhaft zugänglich gemacht, z.B. über die Homepage des Vereins, für alle Interessierten.

2) Gleichfalls im Gegensatz zu Infotafeln und Audioguides sind digitale Angebote leicht und einfach veränderbar und auch noch nachträglich korrigierbar, z.B. um Fehler oder missverständliche Darstellungen zu berichtigen oder neuere Forschungsergebnisse aufzunehmen. Insgesamt sinken zudem die Kosten, weil nicht mehr so viele Tafeln oder Audioguides angeschafft werden müssen, sondern nur noch eine kleinere Anzahl von Geräten für diejenigen Besucher, die selbst kein Smartphone oder Tablet dabei haben.

Digitale erstellte Elemente können darüber hinaus auch immer wieder neu verwendet, in andere Zusammenhänge gesetzt oder einfach überarbeitet werden. Langfristig spart die Arbeit durch Remix und Teilen knappe Ressourcen. Die Nutzung von Public Domain– und Creative Commons-Lizenzen für die verwendeten und erstellten Materialien können diesen Prozess unterstützen und vereinfachen.

3) An zahlreichen historischen Orten sind keine oder kaum noch Spuren vorhanden. Uwe Bader, Leiter des Referats Gedenkarbeit der LpB RLP, hat es vor kurzem so formuliert: Es geht darum „etwas sichtbar machen, was nicht sichtbar ist“.  Hier bietet augmented reality interessante Gestaltungs- und Zugangsmöglichkeiten. Digitale Endgeräte können durch historische Fotos, Zeichnungen oder Videos Eindrücke von dem Zustand des Ortes zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt vermitteln. Anders als bisher ist man dabei nicht mehr auf ggf. sichtversperrende, aber zumindest das Gelände verändernde Informationstafeln angewiesen oder auf die Wiedergabe innerhalb einer Ausstellung, sondern kann im Gelände die Position des Fotografen bzw. Zeichners versuchen einzunehmen (sofern heute zugänglich und möglich). Auch Orte, z.B. Häuser in Privatbesitz, an denen keine Informationstafel angebracht werden kann, können so mit dem Blick durch die Linse des Smartphones oder Tablets in der Wirklichkeit angereichert werden, so dass man auf dem Gerät Informationen zu dem Ort erhält oder alte Aufnahmen sehen kann

Bei dieser Anschauung und der platten Erkenntnis „Ach, so sah das damals aus!“ sollte man aber nicht stehenbleiben, sondern, wie Christian Bunnenberg auf einer Tagung letzte Woche zu Recht anmerkte, auch das didaktische Potential Möglichkeit darüber hinaus zu fragen: „Welchen Blick nehme ich hier am Ort mit diesem Foto oder dieser Zeichnung ein?“ „Warum hat der Autor das Bild in dieser Weise aufgenommen?“ usw. Dies ermöglicht den Vergleich von Täter- und Opferperspektive auf denselben Ort und führt zu weiterführenden Fragen und einer vertieften Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes.

4) Für die Besucher besteht mit ihren eigenen digitalen Endgeräten immer auch die Möglichkeit auf dem Gelände mit anderen Personen wie auch über dessen Grenzen hinweg zu kommunizieren. Ein dialogisches Verfahren ist bei persönlichen Führungen nichts Neues. Bei Infotafeln oder Audioguides ist die Vermittlung allerdings als Einbahnstraße angelegt. Nun können die Besucher Fotos machen, Kommentare hinterlassen, ihre Erfahrungen, Einsichten aber auch Missverständnisse oder Unzufriedenheit direkt nach außen kommunizieren: Das passiert gegenwärtig bereits immer, unabhängig davon ob eine Institution das möchte oder nicht. (Negativ-Beispiel: „Auschwitz-Selfies“).

Kommunikation im digitalen Raum zuzulassen bedeutet natürlich auch Öffnung, verbunden mit der Frage: Ob hier für Gedenkstätten ein Potential liegt, dass man nutzen könnte? Oder überwiegt die Angst vor einem Kontrollverlust? Will man doch in der Regel eine historisch korrekte Darstellung, Einbettung und Deutung des Geschehens am Ort vermitteln. Vielleicht ist es aber auch nicht verkehrt mit eigenen Angeboten im Web 2.0 präsent zu sein, zum einen um die veränderten Möglichkeiten von Kommunikation, Auseinandersetzung und Aneignung zu nutzen, zum anderen aber auch um vorhandenen revisionistischen und rechtsextremen Darstellungen aktiv etwas entgegenzusetzen.

5) Fügt man beide oben genannten Punkte zusammen: das Erstellen und Veröffentlichen eigener Produkte und das Angebot differenzierter Zugänge so ergibt sich über die Nutzung digitaler Medien eine erweiterter Palette aktivierender Gestaltungs- und kreativer Auseinandersetzungsmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit gerade mit Kindern und Jugendlichen (eigene Rundgänge zusammenstellen, für andere Schülergruppen, jüngere Klassen Materialien, Angebote erarbeiten). Auch Rätsel und spielerische Elemente, sofern je nach Ort und Thema gewünscht, sind leichter erstellbar.

Zuletzt ein Blick nach Laufersweiler: Hier ist es nicht nur der erhaltene Synagogenbau mit Ausstellung und Studienzentrum, sondern im gesamten Dorf finden sich Teile eines Erinnerungsensembles. Es handelt sich also um ein weitläufiges Gelände mit auseinanderliegenden Orten und wie man am Weg der Erinnerung sehen kann mit Infotafeln nicht immer am historischen Ort, wo sich dieser in Privatbesitz befindet. In den letzten beiden Jahren wurden hier vom Förderverein einige Projekte begonnen bzw. teilweise bereits umgesetzt, die pädagogische Gedenkstättenarbeit mit Jugendlichen und digitale Medien auf beispielhafte Weise verbinden.

Aus schulischer Sicht besonders hervorzuheben ist, dass hier mit Schülerinnen und Schülern gearbeitet wird, die selbst Produkte erstellen, die im Anschluss allen Besuchern vor Ort oder über die Homepage zugänglich gemacht werden. Es sind also nicht die Mitglieder des Fördervereins die Angebote mit „neuen Medien“ für Jugendliche erstellen – was oft nicht gut funktionier -, sondern dass Schülerinnen und Schüler aus Schulen der Umgebung werden begleitet, selbst Angebote für ihre Altersgenossen zu erstellen. Man sollte auf keinen Fall der Illusion erliegen, „mal etwas im Internet oder mit den neuen Medien zu machen“ und damit Begeisterung oder Interesse zu wecken. Nur weil etwas „im Internet“ steht, wird es noch lange nicht gefunden, das heißt Interesse ist hier in der Regel Voraussetzung und nicht Folge, und zudem sind Medien in diesem Fall Mittel und kein Selbstzweck, es kommt also entscheidend auf Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten an.

In der kreativen und gestalterischen Arbeit mit Jugendlichen liegt ein großes Potential für die Zusammenarbeit mit Schulen wie auch außerschulischen Einrichtungen, das viele Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen bereits erkannt haben und in unterschiedlichen Workshops und Projekten nutzen. Digitale Medien erweitern die Ausdrucks-, Kommunikations- und Gestaltungsmöglichkeiten der Teilnehmenden. In einigen Fällen kann die eigenständige Arbeit mit digitalen Medien ein Mittel sein, um einzelne Jugendliche durch Differenzierung und Individualisierung von Zugängen, Lernwegen und Lernprodukten mit einem inhaltlichen Thema zu erreichen, mit dem sie sich sonst gar nicht oder ungern auseinandergesetzt hätten.

Folgende Angebote der Ortserkundung mit digitalen Medien gibt es zur Zeit in Laufersweiler:

QR-Codes am Erinnerungsort hinter der Synagoge. Weitere QR-Codes zum Weg der Erinnerung, zum jüdischen Lyrikpfad und Friedhof sind geplant: Sie geben an verschiedenen Orten jeweils zusätzliche Informationen, die über ein Smartphone oder Tablet aufrufbar sind. Bislang handelt es sich um Texte. Es können auch Bilder oder Videos integriert werden.

Eine Art „Rätsel“-Rundweg durch das Dorf anhand von GPS-Daten: Notwendig ist ein GPS-Gerät oder Smartphone sowie die Informationen zum Rundgang mit den GPS-Daten für den Ausgangpunkt. Über Rätsel entdecken die Nutzer einzelnen Stationen zu jüdischem Leben im Dorf und erhalten dann jeweils vor Ort noch Informationen zur jeweiligen Station.

Geplant ist ein virtueller Rundgang, mit Hilfe von auf einer Karte verorteten Fotos die Geschichte der Wohnhäuser und erzwungenen Wohnsitzen der jüdischen Bevölkerung sowie damit verbundenen Enteignungen auf Grundlage der Unterlagen der französischen Besatzungsbehörden dokumentiert.

Das Deutsche Eck in Koblenz als Erinnerungsensemble zu Vereinigung und Teilung Deutschlands

Deutsches Eck ErinnerungsensembleDie digitale Karte ist das Ergebnis eines Unterrichtsprojekts in einem Grundkurs Geschichte der Jahrgangsstufe 11 am Eichendorff-Gymnasium Koblenz anlässlich des 25. Jahrestags des „Mauerfalls“.

Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Deutschland und Frankreich – Teil 6: Von den 1970er Jahren bis 2009

Europawahlplakat der CDU 1989. Quelle: KAS/ACDP 10-030 : 226. CC-BY-SA 3.0 DE.

Europawahlplakat der CDU 1989. Quelle: KAS/ACDP 10-030 : 226. CC-BY-SA 3.0 DE. Das zitierte Plakat des PS stammt aus demselben Wahlkampf und ist nur ein paar Tage älter. Informationen dazu finden sich hier: http://bit.ly/1l3GIlE

In den 1970er und 1980er Jahre ließ das Interesse am Ersten Weltkrieg in Deutschland wie in Frankreich zunächst nach. Allerdings entfaltete speziell Verdun eine ungeheure Symbolkraft im Prozess der deutsch-französischen Aussöhnung. Andere Orte, wie z.B. Reims, wurden zurückgedrängt, Verdun als Symbol herausgegriffen und ist im kollektiven Gedächtnis erhalten geblieben. Dazu beigetragen hat das vielen Schulgeschichtsbüchern abgedruckte und auch sonst vielfach reproduzierte Foto vom Zusammentreffen Kohls und Mitterands in Verdun am 22.9.1984.

Auffällig ist zunächst das Datum: Es handelt sich um keinen symbolträchtigen Tag, weder Jubiläum noch Jahrestag. Vielmehr steckte hinter Wahl von Ort und Geste für ein solches Foto ein politisches Kalkül und taktisches Schachern um die symbolische Politik. Helmut Kohl hatte auf Teilnahme zu den Feierlichkeiten in Erinnerung an den D-Day gedrängt, der sich am 6. Juni 1984 zum 40. Mal jährte. Dieses wurden wiederum von französischer Seite abgelehnt und Verdun als Ort eines Treffens eigentlich nur als „Ersatz“ bzw. Kompromiss angeboten.

Die fotografische festgehaltene Geste des Händereichens war eingebettet in straffes Programm ritualisierten Gedenkens von Kranzniederlegungen, Schweigeminute, Nationalhymnen und Baumpflanzen. Während das Foto zur Ikone geworden ist und in vielen Geschichtsbüchern zur symbolischen Illustration der deutsch-französischen Freundschaft und Versöhnung verwendet wird, gab es 1984 von den Zeitgenossen neben viel Anerkennung (siehe z..B. in Spiegel und Zeit) zum Teil deutliche Kritik an dem durchschaubaren Kuhhandel mit Symbolik, an der geplanten und demonstrativen “Ergriffenheit”, die als nicht spontan und damit als nicht authentisch, sondern als reine Inszenierung kritisiert wurde.

Die Kritik scheint heute vergessen und verstummt: die symbolträchtige Inszenierung ist den beiden Staatsmännern gelungen, ohne dass sich abschließend feststellen ließe, ob das Ergreifen der Hand verabredet oder spontan war. Zum 25. Jahrestag 2009 wurde medial vielfach an das Ereignis erinnert (z.B. FAZ, WDR, AA/Ministère des Affaires Etrangères) und in Douaumont findet sich eine entsprechende Gedenkplatte.

Für die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg folgen nun Jahre, die geprägt waren, vom allmählichen Aussterben der Augenzeugengeneration. Erst mit dem parallel verlaufenden Übergang vom kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis in den 1990er Jahren entstand wieder ein erneutes Interesse von Wissenschaft und Medien, in deren Rahmen z.B. auch die Einrichtung des Historial in Péronne fällt.

Es folgte ein erster Weltkriegs-„Boom“ rund um den 90. Jahrestag des Kriegsbeginns 2004 mit neuen Formen der Medialisierung und zahlreichen Zeugnissen der populären Erinnerungskultur: Romane, Fernsehserien, Comics, , Computerspiele, TV- und Kino-Filme. Als Beispiele für letzteres seien „Mathilde, eine große Liebe/Un long dimanche de fiançailles“ von 2004 (u.a. mit Audrey Tautou) und „Merry Christmas/Joyeux Noel“ von 2005 (u.a. mit Daniel Brühl) genannt.

In Frankreich starb mit Lazare Ponticelli der letzte poilu 2008 im Alter von 110 Jahren gestorben. Auf Anregung des damaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac gab es für den letzten Helden des großen Krieges ein Staatsbegräbnis (Foto). In Deutschland starb der letzte Frontsoldat, Erich Kästner im Alter von 107 Jahren, gleichfalls 2008, ein paar Wochen früher, weitgehend unbemerkt (Todesanzeige).

Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Deutschland und Frankreich – Teil 5: 50 Jahre Erster Weltkrieg 1964-1968

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Denkmal am Ortseingang von Koblenz-Arzheim

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Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkt sich der Vergleich auf Frankreich und Westdeutschland. Eine Einbeziehung der DDR wäre sehr spannend, ist aber im zeitlichen Rahmen dieses Vortrags nicht zu leisten.

In Deutschland waren zunächst waren in der Regel wie in Frankreich die Kriegerdenkmäler zum Ersten Weltkrieg um Platten und Inschriften ergänzt worden, die in ungebrochenem Heldengedenken die Namen der Gefallenen des Ortes aus dem Zweiten Weltkrieg auflisten. In Deutschland gedachte man nun den Toten beider Weltkriege. Kirchengemeinden, Vereine und Nachbarschaften versammelten sich am Volkstrauertag oder anderen Feiertagen und Jubiläen zum Gottesdienst mit anschließendem Gedenken am Kriegerdenkmal. Auszug aus der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Koblenz Arzheim:

„[…] Nach Kriegsende bekam die Wehr neue Ausrüstung: eine neue Spritze und viele Meter Schlauchleitung. Oberführer Johann Staudt berief am 31. Mai 1947 eine Versammlung ein; er gedachte der Gefallenen des 2. Weltkrieges und dankte den Aktiven für die in den letzten harten Jahren geleistete Arbeit. […]  Ihr 50jähriges Bestehen feierte die Freiwillige Feuerwehr Arzheim vom 10. bis 11. Mai 1958. Das Fest begann mit einem Commers im Vereinslokal Ufer unter Mitwirkung der Arzheimer Ortsvereine. […] Der Sonntag begann mit einem gemeinsamen Kirchgang der Wehr mit anschließender Gefallenenehrung am Kriegerdenkmal […]“ (Zitat).

Messe in der Kathedrale von Reims mit de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer

Messe in der Kathedrale von Reims mit de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer am 8. Juli 1962

Die 1960er Jahre brachten dann zunächst auf staatlicher Ebene die freundschaftliche Annäherung von Deutschland und Frankreich: „Beim Empfang von Konrad Adenauer in Reims im Juli 1962 wurde der Erste Weltkrieg zwar nicht ausdrücklich erwähnt, die Erinnerung daran war dennoch gegenwärtig. Insbesondere die Kathedrale von Reims, in der die Freundschaftsmesse gefeiert wurde, ließ ihrer Zerstörung durch deutsche Kanonen im Jahr 1914 gedenken. Auch die nahen Schlachtfelder in der Champagne erinnerten an den blutigen Konflikt“. (Zitat) So wurde zunächst Reims zu einem Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung (siehe auch diese Karikatur).

1964 stand für Deutschland wie 2014 ein doppelter Jahrestag an: der 50. Jahrestag des Beginns und der 25. des Zweiten Weltkriegs. Im Oktober des Jahres fand der Historikertag in Berlin statt, der medial stark rezipiert wurde. Ein zentrales Thema war die Fischer-Kontroverse. Diese war zwar 1963 bereits nach heftigen Debatten in den beiden Jahren zuvor wissenschaftlich wieder abgeebbt, wurde jetzt aber durch die Medien wiederbelebt, vor allem im Rundfunk und in Wochenzeitungen. Dabei ist besonders die Rolle des Spiegel herovrzuheben, der die ersten Kapitel aus Fischers Buch „Griff nach der Weltmacht“, das bereits 1961 erschienen war, 1964 nachdruckte und die Debatte in einer Vielzahl von Artikeln aufgriff (siehe z.B. die Ausgaben 11/1964 oder 43/1964; zur Fischer-Kontroverse in den Medien siehe PDF).

Bei der Diskussion über Fischers Thesen lässt sich in den 1960er Jahren eine klare Spaltung in rechte und linke Positionen feststellen. Fischer wurde vor allem von Linken verteidigt, während er von der Rechten in Presse und Wissenschaft scharf angegangen wurde. Wie schon unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg lag der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit wiederum auf dem Kriegsbeginn und Kriegsschuldfrage, die sich zum Fixpunkt der Debatte in der deutschen Öffentlichkeit entwickelt – im Gegensatz z.B. zu Frankreich. Die unterschiedliche Aufnahme und Reaktion zu Clarks „Schlafwandler“ in diesem Jahr ist also wenig überraschend, wenn man die Vorgeschichte betrachtet.

Eine Spaltung gab es allerdings nicht nur zwischen links und rechts, sondern auch zwischen den Generationen. Massiv abgelehnt wurden Fischers Thesen durch “Frontgeneration”, die den 1. Weltkrieg als aktive Soldaten erlebt hatten, während die Nachgeborenen Fischer eher unterstützten. Diese generationelle Spaltung richtet den Blick auch auf eine weitere in diesem Zusammenhang interessante Frage, nämlich der nach Kontinuitäten in der deutschen Geschichte, wobei anzumerken ist, dass eine Kritik an der traditierten nationalen Geschichtserzählung nicht erst 1968 begann, sondern schon einige Jahre früher. Die Fischer-Kontroverse spielte dabei eine zentrale Rolle.

Bundeskanzler Erhard empfängt den französischen Präsidenten de Gaulle in Bonn, 3.7.1964

Bundeskanzler Erhard empfängt den französischen Präsidenten de Gaulle in Bonn, 3.7.1964

1964 gab es in Berlin ein großes Deutsch-Französisches Jugend-Zeltlager mit je 250 Deutschen undFranzosen über die Tage des Kriegsbeginns hinweg. Verständigung und Freundschaft im Vordergrund. Die UfA-Wochenschau berichtete darüber. Bereits am 31.7. hatte Bundeskanzler Erhard eine Rede zum 50. Jahrestags des Kriegsbeginns gehalten: Auch er betonte die Schaffung von Frieden, dass Krieg kein Mittel zur Lösung von Konflikten, sondern dies nur durch die Beseitigung von Ursachen bestehender Konflikte geschehen könne (der vollständige Redetext als PDF).

Zwar gab es in diesem Jahr auch Treffen des Bundeskanzlers Ludwig Erhard mit dem französischem Staatspräsidenten Charles de Gaulle, beide übrigens selbst Veteranen des Ersten Weltkriegs, aber keine gemeinsame Erinnerungsveranstaltung an den Ersten Weltkrieg.

In Frankreich lagen die Akzente der nationalen Erinnerung 1964 ein wenig anders als heute: Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg hatte seinen festen, ritualisierten Platz im Jahreszyklus und so wurde neben dem Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs vor allem dem 20. Jahrestag der “Libération” 1944 gedacht. Die Gedenkfeiern wurden zentral koordiniert, der Ton war ernst und würdevoll. Speziell zum Ersten Weltkrieg gab es auf nationaler Ebene aber nur zwei größere Ereignisse: De Gaulle hielt am 2. August eine Rede, die an die Mobilmachung der Franzosen erinnerte und begab sich im September für einen Tag auf die ehemaligen Schlachtfelder an der Marne. Das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs vier Jahre später war – gerade im Vergleich zu heute – gleichfalls wenig umfangreich.

Eröffnung des Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum in Laufersweiler

Einmaliges Erinnerungsensemble zur Geschichte des deutschen Landjudentums in Laufersweiler im Hunsrück.

Avatar von Daniel BernsenJüdische Geschichte

Gestern fand die offizielle Eröffnung des neuen Studien- und Begegnungszentrums in der ehemaligen Synagoge in Laufersweiler statt. In Laufersweiler ist ein einmaliges Erinnerungsensemble zum deutschen Landjudentum erhalten. Die ersten Bemühungen um einen Erhalt des Synagoge, deren Gebäude die Reichspogromnacht 1938 20140706_164731nur aufgrund der engen Bebauung überstanden hat und die nach dem Krieg u.a. als Wäscherei gedient hat, gehen ins Jahr 1983 zurück.

In den zurückliegenden über 30 Jahren wurde durch engagierte Bürger mit Unterstützung der Gemeinde, des Landes und der EU eine Struktur geschaffen, die Laufersweiler heute zu einem herausragenden Lernort jüdischer Geschichte in Deutschland macht.

In dem Synagogengebäude, das aufgrund der Nachkriegsnutzung durch eine Zwischendecke in zwei Etagen aufgeteilt ist, befinden sich unten eine ältere Ausstellung zu jüdischer Kultur, Religion und Geschichte der Juden in Laufersweiler. In der ersten Etage ist nun das Studien- und Begegnungszentrum mit Bibliothek, Arbeitstischen und Computern. Die Bibliothek enthält neben allgemeinen Standardwerken zu jüdischer…

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Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg – Teil 4: jenseits von Gedenktagen und Denkmälern

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Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ging in den Nachkriegsjahren über Gedenktage und Denkmäler hinaus. Die Kameradschaft und Verbundenheit der Überlebenden wurden durch Veteranentreffen am Leben erhalten. Diese darf man sich nicht als rein private Veranstaltungen in Clubräumen von Gaststätten vorstellen.

Foto: Landeshauptarchiv Koblenz, SW45185 / Anton Dillmann / CC-BY-NC-SA-3.0 DE

Veteranentreffen 1930 in Ehrenbreitstein. Foto: Landeshauptarchiv Koblenz, SW45185 / Anton Dillmann / CC-BY-NC-SA-3.0 DE

Diese Veteranentreffen hatten auch einen öffentlichen Charakter und konnten mit Umzügen mit Blaskapelle und öffentlichen Ansprachen einhergehen.

Das Interesse und die Beteiligung der Bevölkerung an diesen Treffen lässt sich gut an dem Foto vom Veteranentreffen des Train-Bataillons Nr. 8 in Ehrenbreitstein nachvollziehen, das vom 17. bis 19. Mai 1930 stattfand. Links und rechts der Straße sieht man die zahlreichen Zuschauer des Ereignisses.

In vielen Familien wurde die Erinnerung an den Krieg – an die Teilnahme oder gar den Verlust eines Familienangehörigen – bewahrt und gepflegt. Welche Bedeutung die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in den Familien besaß, konnte man zuletzt an den enorm erfolgreichen Aktionstagen der Europeana sehen, die zeigten in welchem Umfang von Familien in ganz Europa bis heute Erinnerungsstücke an den Ersten Weltkrieg aufbewahrt werden.

Wer noch solche Stücke zuhause hat, können sie an den sogenannten Aktionstagen zu den Europeana-Mitarbeitern bringen und dort digitalisieren lassen, um sie anschließend wieder mit nach Hause zu nehmen. Auf diese Weise ist in den letzten Jahren ein europäisches Online-Archiv von Digitalisaten zum Ersten Weltkrieg entstanden. Hauptteil der Sammlung sind Digitalisate aus Archive, Bibliotheken und Museen. Insgesamt sind so mittlerweile über hunderttausende Digitalisate dort abrufbar.

Die familären Erinnerungsstück an den Ersten Weltkrieg haben sehr unterschiedlichen Charakter und reichen von Militaria wie z.B. Orden über Schriftdokumente wie z.B. Briefe oder Tagebüchern bis hin zu Alltagsgegenständen, die in Bezug zum Ersten Weltkrieg stehen oder aus Kriegsmaterial angefertigt wurden.

Die Bilder geben einen exemplarischen Überblick über die Vielfalt und Art familiärer Erinnerungsstücke zum Ersten Weltkrieg:

Die Sammlung der Europeana zum Ersten Weltkrieg lässt sich auch im schulischen Geschichtsunterricht nutzen. Einige Ideen zum Unterrichtseinsatz finden sich in einem Beitrag auf Open Education Europe zusammengestellt.

Weiterlesen: Teil 5 – 50 Jahre Erster Weltkrieg 1964-1968

Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Deutschland und Frankreich – Teil 2

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1.2 Deutschland

Um die Veränderungen in Deutschland nach 1918 besser zu verstehen, lohnt sich der Blick auf die Denkmäler, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 errichtet worden sind. Typisch für die Jahre nach 1871 war die Errichtungen von Säulen („Siegessäule“ z.B. in Berlin, Chemnitz und Siegburg) sowie von Denkmälern in Obeliskenform.

Die Orte, an denen die Kriegerdenkmäler nach 1871 errichtet wurden, lagen zentral in den jeweiligen Städten, z.B. auf dem Markt oder in der Nähe des Theaters. In Gestaltung mischen sich nationale Symbole mit Siegeszeichen wie Lorbeerkranz oder Statuen von Nike/Victoria. Angebracht werden Tafeln, die in der Regel nicht nur die Namen der gefallenen, sondern auch der verwundeten Soldaten aus der Gemeinde auflisten. Nicht selten dienen die Kriegerdenkmäler. zumindest in ehemals preußischen Gebieten, der Erinnerung an alle „Einigungskriege“, so dass auch die die Kriege von 1866 und teilweise von 1864 miteinbezogen werden.

Kriegerdenkmal in Höhn-Schönberg. Foto: Martin Kraft, CC-BY-SA.

Kriegerdenkmal in Höhn-Schönberg. Foto: Martin Kraft, CC-BY-SA.

Eine Fortsetzung der bisherigen Gestaltung war aus mehreren Gründen nicht möglich: Ebenso wie in Frankreich liegt ein Grund in dem massenhaft Tod von ca. 1,9 Millionen Soldaten des Deutschen Reichs. Zum Vergleich: Im Deutsch-Französischen Krieg waren auf deutscher Seite etwas weniger als 45.000 Opfer zu beklagen.

Hinzu kamen aber nach 1918 die Niederlage sowie die Auflösung des Kaiserreichs. Errichtet wurden die Kriegerdenkmäler während der Weimarer Republik, die den Krieg zwar nicht geführt hatte, mit der sich aber viele, gerade in Militärkreisen, nicht identifizierten, sondern Republik und Demokratie ablehnten oder sogar aktiv bekämpften.

Die Kriegerdenkmäler nach 1918 zeichnen sich folglich durch eine Abwesenheit nationaler Symbole aus. Sie rücken zudem aus dem Zentrum der Stadt an Plätze am Rand wie Friedhöfe, Grünanlagen oder seitlich von Kirchen. Da der Krieg mit einer Niederlage endete, fehlen auch die Siegeszeichen der alten Denkmäler und damit fehlte auch ein Teil der bisherigen Sinnstiftung. An deren Stelle treten die Abbildung militärischer Zeichen sowie christlicher Symbolik (Kreuz, Pietà oder der heilige Michael als Drachentöter, zugleich Nationalpatron und Bezwinger des „Bösen“), die nun die offenkundig notwendige, nachträgliche Sinnstiftung für den massenhaften Kriegstod leisten sollte.

Ebenso wie in Frankreich steht im Mittelpunkt der Kriegerdenkmäler die Trauer. Auf kommunaler Ebene wird an dem individualisierten Gedenken in Form von Namenslisten der toten Soldaten festgehalten. Entgegen der Entwicklung der industrialisierten Kriegsführung und der „Erfindung“ des „Grabs des unbekannten Soldaten“ stehen in lokalen Denkmäler in Deutschland wie in Frankreich der einzelne Soldat als Kämpfer im Mittelpunkt, was durch figurale Darstellung eines einzelnen Soldaten im Denkmal betont wird.

Dies gibt es meines Wissens an älteren Kriegerdenkmälern nicht und kann seinen Ausdruck sowohl in ganzfigürlichen Darstellungen wie auch in behelmten Soldatenköpfen finden. Aufgrunddessen, dass Initiative den Kommunen und einzelnen gesellschaftlichen Gruppen überlassen wurden und keine nationalen Vorbilder vorhanden waren, ist die formale Gestaltung der Kriegerdenkmäler überaus vielfältig.

Als Beispiel mögen die Kriegerdenkmäler für 1870/71 und 1914-18 aus dem kleinen Ort Kamp-Bornhofen dienen, die heute beide in Abstand von wenigen Metern dort auf der Rheinpromenade stehen:

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Weitgehend in Vergessenheit geraten scheint, dass es nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland eine eine breite pazifistische Bewegung gegeben hat, u.a. initiiert durch ehemalige Frontsoldaten im “Friedensbund der Kriegsteilnehmer”. Diese wurde bereits 1919 u.a. durch von Ossietzky und Tucholsky gegründet. An den Demonstrationen zur Erinnerung an den Kriegsbeginn, am 1. August als Antikriegstag, beteiligten sich allein in Berlin bis zu 200.000 Demonstranten. 1922 hatte die Bewegung 30.000 Mitglieder. Sie löste sich allerdings 1927 bereits wieder auf und wie vor dem Krieg war der Pazifismus in Deutschland eine marginale Bewegung.

Die Weimarer Republik war geprägt durch eine gespaltene Gesellschaft. Dies spiegelt sich auch in der Erinnerungskultur und Geschichtspolitik der Zeit wider. Das Gedenken an den Krieg und seine Opfer war ein gruppenbezogenes (z.B. Gemeinden) und milieuspezifisches Gedenken. Der Streit der politischen Gruppen verhinderte zudem lange die Errichtung eines nationalen Denkmals.

Daher erklärt sich auch die im Vergleich mit Frankreich und England relativ späte Einweihung des monumentalen Tannenberg-Denkmals 1927 sowie später 1931 in Berlin auch die Umwidmung der Neuen Wache unter den Linden.

Beisetzung Hindenburgs am 7. August 1934, Foto: Bundesarchiv, Bild 183-2006-0429-502 / CC-BY-SA

Beisetzung Hindenburgs am 7. August 1934, Foto: Bundesarchiv, Bild 183-2006-0429-502 / CC-BY-SA

Die Initiative zum Denkmalbau ging vom Bund der Veteranen der Provinz Ostpreußen. „Tannenberg“ war das einzige Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs, dass sich innerhalb der deutschen Grenzen befand. Zudem war es eine für Deutschland siegreiche Schlacht, die mit dem Mittelalter (1410 Tannenberg/Grundwald) und dem Mythos Hindenburgs verknüpft wurde. Die Grundsteinlegung erfolgte bereits 1924, die Einweihung erst drei Jahre später, da war Hindenburg bereits Reichspräsident und als Datum wurde sein 80. Geburtstag gewählt.

Die Geschichte des Tannenberg-Denkmals kann stellvertretend für einen von der Mehrheit der Gesellschaft getragenen Wandel der Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg gesehen werden. Der Ausdruck von Trauer wurde zu Revanche, das Gedenken an die Opfer zur Mahnung an die (Kampf-) Bereitschaft der Lebenden verbunden. Gegen Ende der Weimarer Republik überwog der Appel an einen aggressiven Nationalismus, an den die Nationalsozialisten nahtlos anknüpfen konnten.

Diese fließenden Übergänge der Erinnerungskultur zeigen sich in der Geschichte des Volkstrauertrags als zentralem Gedenktag für die Opfer des Kriegs in Deutschland. Die des Tages war vom 1919 gegründeten Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit Nachdruck betrieben worden. Auch hier gehen wiederum Vorschlag und Durchführung zunächst auf eine private und nicht auf staatliche Initiative zurück.

1926 wurde durch die Reichsregierung Kundgebundgen zum Volkstrauertag beschlossen, aber kein gesetzlicher Feiertag eingeführt. Anders als heute war es der fünfte Sonntag vor Ostern. Die Tageswahl stand symbolisch in der Nähe zur Wiederauferstehung Christi. Das Gedenken wurde damit in den Zusammenhang einer erwarteten nationalen Wiederaufstehung gestellt.

Der Volkstrauertag war ebenso umstritten wie die Denkmäler auf nationaler Ebene: So gab es Unterschiede in Termin und Gestaltung der Feierlichkeiten je nach Region und Konfession. Versammlungen und Reden hatten oft stark antidemokratischen und aggressiv nationalistischen Charakter, was die Vereinnahmung durch Nationalsozialismus leicht machte.