Nachdem ich nun schon seit etwas mehr als einem Jahr wieder Geschichte unterrrichte – aktuell an der Deutschen Schule Mexiko-Stadt West – und sich aus dem Unterricht und der technischen Entwicklung doch immer wieder die ein oder andere Frage ergibt, bin ich froh dieses Blog vor über vier Jahren nicht gelöscht zu haben und öffne es mit diesem Beitrag erneut als Ort lauten Nachdenkens und hoffentlich auch wieder des fachlichen Austauschs.
Durch Zufall bin ich auf die neue Google-Anwendung „NotebookLM“ aufmerksam geworden. Eigentlich ein Tool für das eigene Wissensmanagement, das aber auch die Möglichkeit bietet, in us-amerikanischem Englisch mit einem weiblichen und einem männlichen Host auf Knopfdruck einen Podcast zu generieren.
So einen Podcast habe ich mal mit in den Unterricht genommen. Kein:e Schüler:in hat vermutet, dass es sich um ein KI-generiertes Gespräch handeln könnte und waren entsprechend überrascht als ich das dann offenlegte, obwohl sie beim Eindruck schon formulierten, dass es sehr „geskriptet“ wirke.
Aber nicht nur der Podcast war KI-generiert, sondern auch die „Gesprächsgrundlage“: Denn als erstes hatte ich ChatGPT ein fiktives Interview zwischen einem Journalisten und Adolf Hitler über die NS-Ideologie verfassen lassen.
Das Fake-Interview könnt ihr hier nachlesen:
… diesen Text habe ich dann in NotebookLM kopiert und das Programm hat dazu einen Audio-Podcast erstellt. Wenn ihr die Zeit habt, hört euch das bitte mal an:
NotebookLM Podcast-Aufnahme zu KI-generiertem Hitler Interview
Was mich total überrascht hat, wie die beiden KI-Moderatoren die Aussagen aus dem Interview kommentieren, sich distanzieren, das Ganze bewerten und einordnen. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Und es stellt sich die Frage: Wie kann man das noch prüfen? Die erste Antwort der Schüler:innen? Entsprechend dem, was sie bisher gelernt haben: Die Inhalte checken, mit dem Schulbuch und anderen Informationen abgleichen. Das können sie machen, aber nicht nur dass dies sehr zeitaufwändig ist. Am Ende kommen sie zum Ergebnis, dass sowohl das Interview wie auch der Podcast inhaltlich ziemlich plausibel klingen. So fragte dann auch ein Schüler: Wenn das alles richtig ist, warum sollten wir dem nicht vertrauen?
Im Podcast wird die Textgrundlage kurz referenziert als „this rare interview from back then“. Das ist aus meiner Sicht ein zentraler Punkt: Es wird ein Interview genannt, aber keine Quellenangabe gemacht, die sich überprüfen ließe. Von wann ist das Interview? Wer hat es geführt? Wo wurde es veröffentlicht?
Natürlich lassen sich auch diese Angaben ausdenken und dann angeben, aber sie wären (vergleichsweise) leicht überprüfbar. Also traue nie Informationen ohne Quellenangabe. Ist es das? Nie war es so einfach Quellen und Darstellungen zu fälschen und es wird zunehmend einfacher zugleich besser…
Was meint ihr dazu: Greift ihr das im Geschichtsunterricht auf? Wenn ja, wie? Was können, vielleicht sollten Schüler:innen dazu lernen, damit sie einen vielleicht nur kurzfristig wirksamen, aber trotzdem vorübergehend hilfreichen Orientierungsrahmen haben?
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Spannend, Danke! Ich finde diese Frage auch deshalb wichtig, weil gerade dieses „historische Interview“ schon sehr früh als geschichtsdidaktisches Problem diskutiert wurde. Mir fallen zwei Dinge ein: 1. die paradoxe Intervention des selbst Fakens im Sinne von Lying about History nach Mills Kelly. Das kann enorm produktiv sein, erfordert aber immens viel Arbeit und enge Betreuung. In der Schule sehe ich das nicht. Und 2. Wir haben diese und andere Fragen vor kurzem in Mainz auf der Konferenz für Geschichtsdidaktik diskutiert, auf einer anregenden Abendveranstaltung, siehe https://kgd2024.uni-mainz.de/abendveranstaltung/. Beteiligt war u.a. Oliver Held, der Autor von: https://www.wochenschau-verlag.de/ChatGPT-im-Geschichtsunterricht/41603. Anja Neubert hat sich sehr dafür stark gemacht, neben Dekonstruktion und Rekonstruktion (was man oft mit KI-Einsatz verbindet) auch wieder stark auf die klassische kritische Quellenarbeit zu setzen – Kurzfassung. Ich hoffe, dass daraus noch Texte entstehen.
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